Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

habe er in der ständischen Verfassung Tirols im vorigen Jahrhundert nicht
gefunden, dessen Stellung zum Landesfürsten dieselbe wie in den übrigen
Provinzen, aber nie wie die von Ungarn gewesen sei. Das Verfassungs¬
patent vom Jahre 1816 änderte daran gar nichts, da sich der Monarch das
Besteuerungsrecht und die Ordnung der Landesvertheidigung daselbst aus¬
drücklich vorbehalten und dem ständischen Ausschuß nur Vorstellungen und
Bitten gestattet habe. Zum Beweise dessen las Herr v. Lasser dann die ein¬
schlägigen Stellen vor, Das heutige Verfassungs- und Landesrecht beruhe
auf dem Octoberdiplome und in weiterer Ausführung auf dem Februar¬
patente, betreffs deren es keiner Anerkennung seitens des tiroler Landtags
bedürfe, da sie der Monarch kraft seiner eigenen Machtvollkommenheit ertheilt
hatte. Mit allerhöchster Entschließung vom 4. Februar 1867 sei dann der
"verfassungsmäßige" Reichsrath zur Annahme des Ausgleichs mit Ungarn
und Behandlung mehrerer anderer Verfassungsfragen berufen, die Rechts-
Verwahrung vom 1. März 1867 als unbegründet zurückzuweisen und die am
21. December 1867 sanctionirte Aenderung der Verfassung auch unter Mit¬
wirkung der tirolischen Abgeordneten beschlossen worden. Ob so zu Stande
gekommenen Gesetzen alle oder einige oder gar kein Abgeordneter von Tirol
beigestimmt, sei für den Rechtsbestand des Gesetzes gleichgiltig, das liberum
veto des Einzelnen habe nur der altpolnische Landtag gekannt. Das öffent¬
liche Recht Tirols sei dadurch nicht verkürzt worden, und wäre dies auch
der Fall, den ungarischen Ausgleich hätte der Antrag des Abgeordneten
Dietl und das dazu eingesetzte Comite' doch nicht rückgängig gemacht.

Der Statthalter ging dann auf alle einzelnen Punkte des Elaborats
ein und zeigte, daß die beiden ersten unerwiesen und unbegründet seien
Die Verwahrung gegen die seit dem 1. März 1667 erlassenen Gesetze,
die keine öffentliche Gerechtsame Tirols Schmälerten, sei gegenstandslos,
ein Recht der Gesetzgebung in allen nicht gemeinsamen Angelegenheiten
behufs der Herstellung des "Trialismus einer östreichisch-ungarisch-tirolischen
Monarchie" bestehe nicht, da der tiroler Landtag weder eine Constituante noch
einen Convent vorstelle. Ferner seien Ehe- und Schulsachen stets gemeinsam
behandelt und entschieden worden, und die Feststellung der staatsrechtlichen
Verhältnisse Tirols auf Grund des Octoberdiploms längst erfolgt. Eine
Landesverfassung, wie sie die Antragsteller für die Zukunft ersehnten, habe
weder früher noch jetzt zu Recht bestanden. Das dem Landtage im § 19, 1 a
der Landesordnung vom Jahre 1861 gewährte Recht "über kundgemachte
allgemeine Gesetze bezüglich ihrer besonderen Rückwirkung auf das Wohl des
Landes zu berathen und Anträge zu stellen", schließe nicht das Recht ein,
die Unbilligkeit, Nichtberechtigung und Gesetzwidrigkeit eines allgemei¬
nen Gesetzes auszusprechen. Da den Erklärungen Berechtigung und Durch-


habe er in der ständischen Verfassung Tirols im vorigen Jahrhundert nicht
gefunden, dessen Stellung zum Landesfürsten dieselbe wie in den übrigen
Provinzen, aber nie wie die von Ungarn gewesen sei. Das Verfassungs¬
patent vom Jahre 1816 änderte daran gar nichts, da sich der Monarch das
Besteuerungsrecht und die Ordnung der Landesvertheidigung daselbst aus¬
drücklich vorbehalten und dem ständischen Ausschuß nur Vorstellungen und
Bitten gestattet habe. Zum Beweise dessen las Herr v. Lasser dann die ein¬
schlägigen Stellen vor, Das heutige Verfassungs- und Landesrecht beruhe
auf dem Octoberdiplome und in weiterer Ausführung auf dem Februar¬
patente, betreffs deren es keiner Anerkennung seitens des tiroler Landtags
bedürfe, da sie der Monarch kraft seiner eigenen Machtvollkommenheit ertheilt
hatte. Mit allerhöchster Entschließung vom 4. Februar 1867 sei dann der
„verfassungsmäßige" Reichsrath zur Annahme des Ausgleichs mit Ungarn
und Behandlung mehrerer anderer Verfassungsfragen berufen, die Rechts-
Verwahrung vom 1. März 1867 als unbegründet zurückzuweisen und die am
21. December 1867 sanctionirte Aenderung der Verfassung auch unter Mit¬
wirkung der tirolischen Abgeordneten beschlossen worden. Ob so zu Stande
gekommenen Gesetzen alle oder einige oder gar kein Abgeordneter von Tirol
beigestimmt, sei für den Rechtsbestand des Gesetzes gleichgiltig, das liberum
veto des Einzelnen habe nur der altpolnische Landtag gekannt. Das öffent¬
liche Recht Tirols sei dadurch nicht verkürzt worden, und wäre dies auch
der Fall, den ungarischen Ausgleich hätte der Antrag des Abgeordneten
Dietl und das dazu eingesetzte Comite' doch nicht rückgängig gemacht.

Der Statthalter ging dann auf alle einzelnen Punkte des Elaborats
ein und zeigte, daß die beiden ersten unerwiesen und unbegründet seien
Die Verwahrung gegen die seit dem 1. März 1667 erlassenen Gesetze,
die keine öffentliche Gerechtsame Tirols Schmälerten, sei gegenstandslos,
ein Recht der Gesetzgebung in allen nicht gemeinsamen Angelegenheiten
behufs der Herstellung des „Trialismus einer östreichisch-ungarisch-tirolischen
Monarchie" bestehe nicht, da der tiroler Landtag weder eine Constituante noch
einen Convent vorstelle. Ferner seien Ehe- und Schulsachen stets gemeinsam
behandelt und entschieden worden, und die Feststellung der staatsrechtlichen
Verhältnisse Tirols auf Grund des Octoberdiploms längst erfolgt. Eine
Landesverfassung, wie sie die Antragsteller für die Zukunft ersehnten, habe
weder früher noch jetzt zu Recht bestanden. Das dem Landtage im § 19, 1 a
der Landesordnung vom Jahre 1861 gewährte Recht „über kundgemachte
allgemeine Gesetze bezüglich ihrer besonderen Rückwirkung auf das Wohl des
Landes zu berathen und Anträge zu stellen", schließe nicht das Recht ein,
die Unbilligkeit, Nichtberechtigung und Gesetzwidrigkeit eines allgemei¬
nen Gesetzes auszusprechen. Da den Erklärungen Berechtigung und Durch-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0269" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123357"/>
          <p xml:id="ID_743" prev="#ID_742"> habe er in der ständischen Verfassung Tirols im vorigen Jahrhundert nicht<lb/>
gefunden, dessen Stellung zum Landesfürsten dieselbe wie in den übrigen<lb/>
Provinzen, aber nie wie die von Ungarn gewesen sei. Das Verfassungs¬<lb/>
patent vom Jahre 1816 änderte daran gar nichts, da sich der Monarch das<lb/>
Besteuerungsrecht und die Ordnung der Landesvertheidigung daselbst aus¬<lb/>
drücklich vorbehalten und dem ständischen Ausschuß nur Vorstellungen und<lb/>
Bitten gestattet habe. Zum Beweise dessen las Herr v. Lasser dann die ein¬<lb/>
schlägigen Stellen vor, Das heutige Verfassungs- und Landesrecht beruhe<lb/>
auf dem Octoberdiplome und in weiterer Ausführung auf dem Februar¬<lb/>
patente, betreffs deren es keiner Anerkennung seitens des tiroler Landtags<lb/>
bedürfe, da sie der Monarch kraft seiner eigenen Machtvollkommenheit ertheilt<lb/>
hatte. Mit allerhöchster Entschließung vom 4. Februar 1867 sei dann der<lb/>
&#x201E;verfassungsmäßige" Reichsrath zur Annahme des Ausgleichs mit Ungarn<lb/>
und Behandlung mehrerer anderer Verfassungsfragen berufen, die Rechts-<lb/>
Verwahrung vom 1. März 1867 als unbegründet zurückzuweisen und die am<lb/>
21. December 1867 sanctionirte Aenderung der Verfassung auch unter Mit¬<lb/>
wirkung der tirolischen Abgeordneten beschlossen worden. Ob so zu Stande<lb/>
gekommenen Gesetzen alle oder einige oder gar kein Abgeordneter von Tirol<lb/>
beigestimmt, sei für den Rechtsbestand des Gesetzes gleichgiltig, das liberum<lb/>
veto des Einzelnen habe nur der altpolnische Landtag gekannt. Das öffent¬<lb/>
liche Recht Tirols sei dadurch nicht verkürzt worden, und wäre dies auch<lb/>
der Fall, den ungarischen Ausgleich hätte der Antrag des Abgeordneten<lb/>
Dietl und das dazu eingesetzte Comite' doch nicht rückgängig gemacht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_744" next="#ID_745"> Der Statthalter ging dann auf alle einzelnen Punkte des Elaborats<lb/>
ein und zeigte, daß die beiden ersten unerwiesen und unbegründet seien<lb/>
Die Verwahrung gegen die seit dem 1. März 1667 erlassenen Gesetze,<lb/>
die keine öffentliche Gerechtsame Tirols Schmälerten, sei gegenstandslos,<lb/>
ein Recht der Gesetzgebung in allen nicht gemeinsamen Angelegenheiten<lb/>
behufs der Herstellung des &#x201E;Trialismus einer östreichisch-ungarisch-tirolischen<lb/>
Monarchie" bestehe nicht, da der tiroler Landtag weder eine Constituante noch<lb/>
einen Convent vorstelle. Ferner seien Ehe- und Schulsachen stets gemeinsam<lb/>
behandelt und entschieden worden, und die Feststellung der staatsrechtlichen<lb/>
Verhältnisse Tirols auf Grund des Octoberdiploms längst erfolgt. Eine<lb/>
Landesverfassung, wie sie die Antragsteller für die Zukunft ersehnten, habe<lb/>
weder früher noch jetzt zu Recht bestanden. Das dem Landtage im § 19, 1 a<lb/>
der Landesordnung vom Jahre 1861 gewährte Recht &#x201E;über kundgemachte<lb/>
allgemeine Gesetze bezüglich ihrer besonderen Rückwirkung auf das Wohl des<lb/>
Landes zu berathen und Anträge zu stellen", schließe nicht das Recht ein,<lb/>
die Unbilligkeit, Nichtberechtigung und Gesetzwidrigkeit eines allgemei¬<lb/>
nen Gesetzes auszusprechen. Da den Erklärungen Berechtigung und Durch-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0269] habe er in der ständischen Verfassung Tirols im vorigen Jahrhundert nicht gefunden, dessen Stellung zum Landesfürsten dieselbe wie in den übrigen Provinzen, aber nie wie die von Ungarn gewesen sei. Das Verfassungs¬ patent vom Jahre 1816 änderte daran gar nichts, da sich der Monarch das Besteuerungsrecht und die Ordnung der Landesvertheidigung daselbst aus¬ drücklich vorbehalten und dem ständischen Ausschuß nur Vorstellungen und Bitten gestattet habe. Zum Beweise dessen las Herr v. Lasser dann die ein¬ schlägigen Stellen vor, Das heutige Verfassungs- und Landesrecht beruhe auf dem Octoberdiplome und in weiterer Ausführung auf dem Februar¬ patente, betreffs deren es keiner Anerkennung seitens des tiroler Landtags bedürfe, da sie der Monarch kraft seiner eigenen Machtvollkommenheit ertheilt hatte. Mit allerhöchster Entschließung vom 4. Februar 1867 sei dann der „verfassungsmäßige" Reichsrath zur Annahme des Ausgleichs mit Ungarn und Behandlung mehrerer anderer Verfassungsfragen berufen, die Rechts- Verwahrung vom 1. März 1867 als unbegründet zurückzuweisen und die am 21. December 1867 sanctionirte Aenderung der Verfassung auch unter Mit¬ wirkung der tirolischen Abgeordneten beschlossen worden. Ob so zu Stande gekommenen Gesetzen alle oder einige oder gar kein Abgeordneter von Tirol beigestimmt, sei für den Rechtsbestand des Gesetzes gleichgiltig, das liberum veto des Einzelnen habe nur der altpolnische Landtag gekannt. Das öffent¬ liche Recht Tirols sei dadurch nicht verkürzt worden, und wäre dies auch der Fall, den ungarischen Ausgleich hätte der Antrag des Abgeordneten Dietl und das dazu eingesetzte Comite' doch nicht rückgängig gemacht. Der Statthalter ging dann auf alle einzelnen Punkte des Elaborats ein und zeigte, daß die beiden ersten unerwiesen und unbegründet seien Die Verwahrung gegen die seit dem 1. März 1667 erlassenen Gesetze, die keine öffentliche Gerechtsame Tirols Schmälerten, sei gegenstandslos, ein Recht der Gesetzgebung in allen nicht gemeinsamen Angelegenheiten behufs der Herstellung des „Trialismus einer östreichisch-ungarisch-tirolischen Monarchie" bestehe nicht, da der tiroler Landtag weder eine Constituante noch einen Convent vorstelle. Ferner seien Ehe- und Schulsachen stets gemeinsam behandelt und entschieden worden, und die Feststellung der staatsrechtlichen Verhältnisse Tirols auf Grund des Octoberdiploms längst erfolgt. Eine Landesverfassung, wie sie die Antragsteller für die Zukunft ersehnten, habe weder früher noch jetzt zu Recht bestanden. Das dem Landtage im § 19, 1 a der Landesordnung vom Jahre 1861 gewährte Recht „über kundgemachte allgemeine Gesetze bezüglich ihrer besonderen Rückwirkung auf das Wohl des Landes zu berathen und Anträge zu stellen", schließe nicht das Recht ein, die Unbilligkeit, Nichtberechtigung und Gesetzwidrigkeit eines allgemei¬ nen Gesetzes auszusprechen. Da den Erklärungen Berechtigung und Durch-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/269
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/269>, abgerufen am 28.09.2024.