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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Recht hat, den einzigen in der Nähe gefundenen architectonischen Schmuck,
einfache ionisirende Capitelle von Kalkstein, die mit Stuck überzogen sind, sich
ursprünglich hier angebracht zu denken. Die schöne Aussicht, welche oben
von der Treppe aus Capitol und Aventin bieten, mag eine Loggia veran¬
laßt haben, zu welcher dieselben gehörten.

Das ganze Haus wäre jetzt durchwandert; doch da es nicht isolirt ge¬
blieben, sondern mit den beiden Kaiserpalästen eng verbunden ist, so bleibt
ein unterirdischer Gang zu erwähnen, welcher die Verbindung bequem ver¬
mittelt. Er geht aus von der Rückseite jenes kleinen Hofraums und führt
unter der g-rsa Mating, durch geradeswegs zu dem Domitianischen Palaste,
oder vielmehr er führte zu den Bauten von Augustus, welche vor Domitian
dort standen. Denn unmittelbar bevor er die Grenze des Palastes erreicht,
ist er durch eine mit den Domitianischen Bauten gleichzeitige Quermauer ab¬
geschlossen, zugleich hat man ihn aber in südlicher Richtung weiter geführt, bis
er einen anderen Gang in den Unterbauten zum Tempel des Jupiter Victor
erreicht. Da letzterer seinerseits mit dem genannten Palaste zusammenhängt,
so ist hierdurch die Communication nicht aufgehoben, sondern nur in einen
anderen Theil des Palastes gelenkt. Aber auch mit dem Tiberischen Bau
tritt das Privathaus in Verbindung und zwar nicht nur, wie oben bemerkt,
am Eingange, sondern auch in seiner zweiten Hälfte, nämlich durch einen
Seitenraum des oben erwähnten unterirdischen Ganges, welcher in den Krypto-
Porticus des Palastes mündet. So war das Haus zwar ursprünglich isolirt
und sicherlich auch älter als beide Paläste, ist dann aber eine Dependenz der¬
selben, besonders des Tiberischen geworden, und indem es sich als solche und
zugleich als Verbindungsglied nützlich erwies, ist es vor gänzlicher Aufräu¬
mung und selbst vor stärkeren Umbauten von Seiten des Kaisers verschont
geblieben.

Da die römische Kaisergeschichte zum großen Theile eine Palastgeschichte
gewesen ist, so kann man sich des Gedankens nicht erwehren, daß die ver¬
steckteren und einzeln stehenden Bauten des Palatins mehr als den klein¬
sten Theil dieser Geschichte gesehen haben, doch sollen die Leser vor weiteren
romantischen Ausführungen bewahrt bleiben. Wünschen sie eine Vermuthung
über den ursprünglichen Besitzer des Hauses zu hören, so soll nicht Über¬
gängen werden, daß der Cav. Rosa als solchen den Vater des Kaisers Ti-
berius bezeichnen zu können glaubt. Sueton erzählt in der That, daß der
Kaiser auf dem Palatin geboren sei. Auch würde eine Anhänglichkeit desselben
an dies Haus dessen Lage und Erhaltung neben dem Palaste gut erklären,
und da Tiberius erst durch Adoption in die Familie des Augustus aufge¬
nommen wurde, so steht der bürgerliche Charakter des Hauses der Annahme
nicht geradezu entgegen. So ansprechend sie aber auch erscheint, kann man


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Recht hat, den einzigen in der Nähe gefundenen architectonischen Schmuck,
einfache ionisirende Capitelle von Kalkstein, die mit Stuck überzogen sind, sich
ursprünglich hier angebracht zu denken. Die schöne Aussicht, welche oben
von der Treppe aus Capitol und Aventin bieten, mag eine Loggia veran¬
laßt haben, zu welcher dieselben gehörten.

Das ganze Haus wäre jetzt durchwandert; doch da es nicht isolirt ge¬
blieben, sondern mit den beiden Kaiserpalästen eng verbunden ist, so bleibt
ein unterirdischer Gang zu erwähnen, welcher die Verbindung bequem ver¬
mittelt. Er geht aus von der Rückseite jenes kleinen Hofraums und führt
unter der g-rsa Mating, durch geradeswegs zu dem Domitianischen Palaste,
oder vielmehr er führte zu den Bauten von Augustus, welche vor Domitian
dort standen. Denn unmittelbar bevor er die Grenze des Palastes erreicht,
ist er durch eine mit den Domitianischen Bauten gleichzeitige Quermauer ab¬
geschlossen, zugleich hat man ihn aber in südlicher Richtung weiter geführt, bis
er einen anderen Gang in den Unterbauten zum Tempel des Jupiter Victor
erreicht. Da letzterer seinerseits mit dem genannten Palaste zusammenhängt,
so ist hierdurch die Communication nicht aufgehoben, sondern nur in einen
anderen Theil des Palastes gelenkt. Aber auch mit dem Tiberischen Bau
tritt das Privathaus in Verbindung und zwar nicht nur, wie oben bemerkt,
am Eingange, sondern auch in seiner zweiten Hälfte, nämlich durch einen
Seitenraum des oben erwähnten unterirdischen Ganges, welcher in den Krypto-
Porticus des Palastes mündet. So war das Haus zwar ursprünglich isolirt
und sicherlich auch älter als beide Paläste, ist dann aber eine Dependenz der¬
selben, besonders des Tiberischen geworden, und indem es sich als solche und
zugleich als Verbindungsglied nützlich erwies, ist es vor gänzlicher Aufräu¬
mung und selbst vor stärkeren Umbauten von Seiten des Kaisers verschont
geblieben.

Da die römische Kaisergeschichte zum großen Theile eine Palastgeschichte
gewesen ist, so kann man sich des Gedankens nicht erwehren, daß die ver¬
steckteren und einzeln stehenden Bauten des Palatins mehr als den klein¬
sten Theil dieser Geschichte gesehen haben, doch sollen die Leser vor weiteren
romantischen Ausführungen bewahrt bleiben. Wünschen sie eine Vermuthung
über den ursprünglichen Besitzer des Hauses zu hören, so soll nicht Über¬
gängen werden, daß der Cav. Rosa als solchen den Vater des Kaisers Ti-
berius bezeichnen zu können glaubt. Sueton erzählt in der That, daß der
Kaiser auf dem Palatin geboren sei. Auch würde eine Anhänglichkeit desselben
an dies Haus dessen Lage und Erhaltung neben dem Palaste gut erklären,
und da Tiberius erst durch Adoption in die Familie des Augustus aufge¬
nommen wurde, so steht der bürgerliche Charakter des Hauses der Annahme
nicht geradezu entgegen. So ansprechend sie aber auch erscheint, kann man


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/257>, abgerufen am 29.06.2024.