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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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rechnet und daher geräumig und geschmückt, an letzteren aber war man bei
der Einfachheit der Bedürfnisse im antiken Leben gewöhnt, weniger große
Ansprüche zu machen. Es findet sich daher zwischen beiden oft ein gewisser
Contrast. In dem hier zu beschreibenden Hause aber ist dieser Gegensatz
ganz auffallend. Denn die Räume, welche wir jetzt betreten, sind insgesammt
klein und höchst dürftig ausgestattet. Selbst der gewöhnliche weiße Stuck
ist selten an den Wänden und ebenso sind die Fußböden meist von der ärm¬
lichsten Art. Es bleibt freilich eine Möglichkeit, den Widerspruch einigermaßen
zu lösen, doch betrachte man zunächst kurz die einzelnen Theile dieser partis
Konteuse. Die Treppe mündet auf einen Corridor, welcher sich in gerader
Linie von Westen nach Osten bis an das Ende des Hauses hindurchzieht.
Südlich von demselben liegen acht Zimmer neben einander. Das erste scheint
eine Communication mit der an der Südseite des Hauses vorbeiführenden
Straße gewährt zu haben, sodaß die Dienerschaft nicht durch den vorderen
Theil zu gehen brauchte; zwei andere, welche keine Thür auf den Corridor
haben, waren wohl als Läden vermiethet. Unter den übrigen sind zwei be-
achtenswerth, indem sie, worauf schon ihr tiefer liegender Fußboden hinweist,
für ein Bad eingerichtet waren. Da ein Heizapparat erst spater hineingebaut
ist, gehörte der ursprüngliche Besitzer zu den Freunden des kalten Wassers,
die erst in der Kaiserzeit seltener wurden. Die Gewölbe, welche sich hier er¬
halten haben, ließen kaum Licht einfallen und so sind die beiden Kammern in
ähnlicher Weise eng und dunkel, wie Seneca das Bad des großen Scipio
Africanus im Gegensatze zu den prächtigen Badeeinrichtungen seiner eigenen
Zeitgenossen beschreibt.

Nördlich vom Corridor gelangte man in den hinter ^den drei Haupt¬
zimmern des Hauses liegenden Theil. Er ist von regelmäßiger, durch später
zwischengebaute Mauern freilich sehr gestörter Anlage und gruppirt sich um
einen kleinen Hofraum, dessen vier Seiten von zahlreichen Kämmerchen um¬
geben sind. So liegen in der Breitseite, die, wie bemerkt, eine Ausdehnung
von circa vierzig Fuß hat, nicht weniger als fünf und, da jede Zwischen¬
wand mehr als einen Fuß dick ist, so bleiben Räume, die vielleicht für ein
Zellengefängniß passen, im Uebrigen aber im Sommer wie im Winter zum
Wohnen und Schlafen höchst unbehaglich gewesen sein müssen. Doch scheint
es in der That, als dürfe man das Ganze als eine Art Mezzanin bezeichnen,
da in der Mitte des Hosraums in einer übrigens ganz ungewöhnlichen Weise
eine ziemlich breite Treppe angelegt ist. Leider ist sie das einzige, was ein
oberes Stockwerk bestimmt tndieirt, und es muß der Phantasie überlasse
bleiben, zu sagen, wie weit sich dieses ausgedehnt und wie der Hausherr
Sorge getragen hat, hier passende Räume für seine Familie herzustellen.
Luxus scheint auch hier nicht geherrscht zu haben, wenn anders man das


rechnet und daher geräumig und geschmückt, an letzteren aber war man bei
der Einfachheit der Bedürfnisse im antiken Leben gewöhnt, weniger große
Ansprüche zu machen. Es findet sich daher zwischen beiden oft ein gewisser
Contrast. In dem hier zu beschreibenden Hause aber ist dieser Gegensatz
ganz auffallend. Denn die Räume, welche wir jetzt betreten, sind insgesammt
klein und höchst dürftig ausgestattet. Selbst der gewöhnliche weiße Stuck
ist selten an den Wänden und ebenso sind die Fußböden meist von der ärm¬
lichsten Art. Es bleibt freilich eine Möglichkeit, den Widerspruch einigermaßen
zu lösen, doch betrachte man zunächst kurz die einzelnen Theile dieser partis
Konteuse. Die Treppe mündet auf einen Corridor, welcher sich in gerader
Linie von Westen nach Osten bis an das Ende des Hauses hindurchzieht.
Südlich von demselben liegen acht Zimmer neben einander. Das erste scheint
eine Communication mit der an der Südseite des Hauses vorbeiführenden
Straße gewährt zu haben, sodaß die Dienerschaft nicht durch den vorderen
Theil zu gehen brauchte; zwei andere, welche keine Thür auf den Corridor
haben, waren wohl als Läden vermiethet. Unter den übrigen sind zwei be-
achtenswerth, indem sie, worauf schon ihr tiefer liegender Fußboden hinweist,
für ein Bad eingerichtet waren. Da ein Heizapparat erst spater hineingebaut
ist, gehörte der ursprüngliche Besitzer zu den Freunden des kalten Wassers,
die erst in der Kaiserzeit seltener wurden. Die Gewölbe, welche sich hier er¬
halten haben, ließen kaum Licht einfallen und so sind die beiden Kammern in
ähnlicher Weise eng und dunkel, wie Seneca das Bad des großen Scipio
Africanus im Gegensatze zu den prächtigen Badeeinrichtungen seiner eigenen
Zeitgenossen beschreibt.

Nördlich vom Corridor gelangte man in den hinter ^den drei Haupt¬
zimmern des Hauses liegenden Theil. Er ist von regelmäßiger, durch später
zwischengebaute Mauern freilich sehr gestörter Anlage und gruppirt sich um
einen kleinen Hofraum, dessen vier Seiten von zahlreichen Kämmerchen um¬
geben sind. So liegen in der Breitseite, die, wie bemerkt, eine Ausdehnung
von circa vierzig Fuß hat, nicht weniger als fünf und, da jede Zwischen¬
wand mehr als einen Fuß dick ist, so bleiben Räume, die vielleicht für ein
Zellengefängniß passen, im Uebrigen aber im Sommer wie im Winter zum
Wohnen und Schlafen höchst unbehaglich gewesen sein müssen. Doch scheint
es in der That, als dürfe man das Ganze als eine Art Mezzanin bezeichnen,
da in der Mitte des Hosraums in einer übrigens ganz ungewöhnlichen Weise
eine ziemlich breite Treppe angelegt ist. Leider ist sie das einzige, was ein
oberes Stockwerk bestimmt tndieirt, und es muß der Phantasie überlasse
bleiben, zu sagen, wie weit sich dieses ausgedehnt und wie der Hausherr
Sorge getragen hat, hier passende Räume für seine Familie herzustellen.
Luxus scheint auch hier nicht geherrscht zu haben, wenn anders man das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/256>, abgerufen am 29.06.2024.