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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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decken angezogen fühlen durch die Strenge und die stilvolle Behandlung, die
in der Gesammtanlage wie den Einzelheiten der Decoration fast überall herr¬
schen. Auch für die Geschichte der Kunst ist manches Detail von Belang.
So läuft oben an den sonst einfacher gehaltenen Wänden des Atriums ein
zierlicher Bogenfries auf vortretenden Gebälkstücken, welche von candelaber-
artigen. aus einer unteren Reihe von Consolen stehenden Stützen getragen
werden, ein Motiv, welches voraussetzen läßt, daß die Verbindung von Bögen
und Säulen in der römischen Kunst eine frühere und häufigere war, als
man gewöhnlich anzunehmen geneigt ist. Die Zimmer sind im Ganzen gleich-
mäßig decorirt, das mittlere jedoch, wie es offenbar der Hauptraum (tabli-
llum) des ganzen Hauses war, so auch durch größeren Reichthum ausge¬
zeichnet.

Wir betrachten zunächst die beiden Nebenzimmer. Auf einem niedrigen
Sockel erheben sich Eckpfeiler und zwischen ihnen an der Breitseite eine, an
den Langseiten drei Säulen, die Gebälke tragen; leider blieb von letzteren,
wie überhaupt von allen oberen Theilen der Decoration nur sehr wenig er¬
halten. Auf halber Höhe ist ein Zwischengesimse gemalt, die Wand darunter
in Felder eingetheilt. Im linken Nebenzimmer sind diese Felder schwarz, im
rechten weiß und hier zieht sich ringsum eine reiche Guirlande von Blumen
und Früchten, von welcher bacchische Geräthschaften und musikalische Instru¬
mente herabhängen. Die Schönheit dieser Decoration wird gewiß eine große
Anzahl von Copien von Seiten der hiesigen Künstler hervorrufen. Darüber
auf dem Friese des Gesimses sieht man eine ununterbrochene Reihe land¬
schaftlicher Scenen in den kleinsten Dimensionen mit weißlichen Tönen auf
gelbem Grunde ausgeführt. Kaum kann man sie deutlich erkennen, beschrei¬
ben lassen sie sich nicht besser als mit den Worten, welche Plinius braucht,
um die Malereien des Ludius, wiederum eines Zeitgenossen von Augustus
zu schildern: "Er zuerst führte eine höchst anmuthtge Art von Wandmalereien
ein: Villen, Hallen und Gartenanlagen, Haine, Wälder, Hügel, Wasserbe¬
hälter, Gräben, Flüsse, Ufer, wie sie Jemand wünschen mochte; dazu man¬
nigfaltige Figuren von Spazierenden und Schiffenden und Leuten, welche ihre
Landgüter zu Esel oder zu Wagen besuchen, ferner Fischende, Vogelsteller,
Jäger, Leute auf der Weinlese u. s. w." Diese neue Dekorationsmalerei wird
sich in der Hauptstadt gewiß schnell verbreitet haben. Ueber dem Gesimse
sind in gleicher Zahl mit den unteren Feldern auf weißem Grunde Arabesken
gemalt, die sich im linken Nebenzimmer auch gut erhalten haben. Aus
einem Mittelstocke, der in den verschiedensten Formen von Candelabern und
Blumenstengeln in die Höhe steigt, entwickeln sich nach beiden Seiten Ranken,
von denen die untersten meist eine menschliche stehende oder sitzende Figur
tragen. Die Arabesken sind herrlich gezeichnet, eine jede streng symmetrisch


decken angezogen fühlen durch die Strenge und die stilvolle Behandlung, die
in der Gesammtanlage wie den Einzelheiten der Decoration fast überall herr¬
schen. Auch für die Geschichte der Kunst ist manches Detail von Belang.
So läuft oben an den sonst einfacher gehaltenen Wänden des Atriums ein
zierlicher Bogenfries auf vortretenden Gebälkstücken, welche von candelaber-
artigen. aus einer unteren Reihe von Consolen stehenden Stützen getragen
werden, ein Motiv, welches voraussetzen läßt, daß die Verbindung von Bögen
und Säulen in der römischen Kunst eine frühere und häufigere war, als
man gewöhnlich anzunehmen geneigt ist. Die Zimmer sind im Ganzen gleich-
mäßig decorirt, das mittlere jedoch, wie es offenbar der Hauptraum (tabli-
llum) des ganzen Hauses war, so auch durch größeren Reichthum ausge¬
zeichnet.

Wir betrachten zunächst die beiden Nebenzimmer. Auf einem niedrigen
Sockel erheben sich Eckpfeiler und zwischen ihnen an der Breitseite eine, an
den Langseiten drei Säulen, die Gebälke tragen; leider blieb von letzteren,
wie überhaupt von allen oberen Theilen der Decoration nur sehr wenig er¬
halten. Auf halber Höhe ist ein Zwischengesimse gemalt, die Wand darunter
in Felder eingetheilt. Im linken Nebenzimmer sind diese Felder schwarz, im
rechten weiß und hier zieht sich ringsum eine reiche Guirlande von Blumen
und Früchten, von welcher bacchische Geräthschaften und musikalische Instru¬
mente herabhängen. Die Schönheit dieser Decoration wird gewiß eine große
Anzahl von Copien von Seiten der hiesigen Künstler hervorrufen. Darüber
auf dem Friese des Gesimses sieht man eine ununterbrochene Reihe land¬
schaftlicher Scenen in den kleinsten Dimensionen mit weißlichen Tönen auf
gelbem Grunde ausgeführt. Kaum kann man sie deutlich erkennen, beschrei¬
ben lassen sie sich nicht besser als mit den Worten, welche Plinius braucht,
um die Malereien des Ludius, wiederum eines Zeitgenossen von Augustus
zu schildern: „Er zuerst führte eine höchst anmuthtge Art von Wandmalereien
ein: Villen, Hallen und Gartenanlagen, Haine, Wälder, Hügel, Wasserbe¬
hälter, Gräben, Flüsse, Ufer, wie sie Jemand wünschen mochte; dazu man¬
nigfaltige Figuren von Spazierenden und Schiffenden und Leuten, welche ihre
Landgüter zu Esel oder zu Wagen besuchen, ferner Fischende, Vogelsteller,
Jäger, Leute auf der Weinlese u. s. w." Diese neue Dekorationsmalerei wird
sich in der Hauptstadt gewiß schnell verbreitet haben. Ueber dem Gesimse
sind in gleicher Zahl mit den unteren Feldern auf weißem Grunde Arabesken
gemalt, die sich im linken Nebenzimmer auch gut erhalten haben. Aus
einem Mittelstocke, der in den verschiedensten Formen von Candelabern und
Blumenstengeln in die Höhe steigt, entwickeln sich nach beiden Seiten Ranken,
von denen die untersten meist eine menschliche stehende oder sitzende Figur
tragen. Die Arabesken sind herrlich gezeichnet, eine jede streng symmetrisch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/253>, abgerufen am 29.06.2024.