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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Vor der Mauer, die nur auf kurzer Strecke zu verfolgen ist, breitet sich
ein Platz aus, auf dem die Ruinen des Tempels des Jupiter Stator stehen.
Sind sie auch äußerst verfallen, so bleibt es doch nicht ohne Reiz, angesichts
ihrer der prächtigen Schilderung bei Livius zu gedenken, wie Romulus, als
sein Volk im ersten harten Kampfe von den Sabinern bis hierher, also bis
zum Eingang der palatinischen Burg zurückgedrängt war, zum Jupiter
betet: "Du Vater der Menschen und Götter, halte die Feinde wenigstens
hier zurück, nimm den Römern den Schrecken und hemme ihre schmähliche
Flucht. Ich gelobe Dir an dieser Stelle, Jupiter Stator einen Tempel,
der den Nachkommen ein Denkmal sein soll, daß durch Deine gegenwärtige
Hilfe die Stadt gerettet ist."

Wie beachtenswert!) das alte Heiligthum und die Straßen, welche zu
ihm führen, in topographischer Hinsicht sind, indem sie zur Fixirung anderer
Localitäten der Sage und Geschichte dienen, kann hier nicht im Einzelnen
ausgeführt werden. Aber wendet man sich vom Tempel aus nach Westen,
so sieht man sogleich vor sich den zweiten Palast, der, wie bemerkt, Tiberius
und Caligula zugeschrieben wird und den ganzen nordwestlichen Theil der
Gärten ausfüllt. Selbst die Abhänge des Palatin sind hier, besonders im
Norden mit colossalen Unterbauten bedeckt. Für ihre nähere Bestimmung ist
von Bedeutung, daß Sueton erzählt, Caligula habe den Palast bis zum
Forum vorgeschoben und über das den Palatin vom Capital trennende Thal
weg im Westen eine Brücke zu letzterem Hügel hin geschlagen. Die Bau¬
pläne eines dem Kaiserwahnsinne in so hohem Grad verfallenen Mannes
zu studiren, kann seltsam erscheinen, aber die abnorme Art der nach Westen
und Norden von ihm ausgeschickten Erweiterungen läßt doch die Grenzen,
an welche er sich auf den übrigen Seiten für gebunden hielt, als besonders
wichtig erscheinen. Wie ihn nun offenbar die Rücksicht auf das Heiligthum
des Jupiter Stator, den er anerkennen mußte, im Osten eingeschränkt hat,
so wurde andererseits im Süden der Palast seines Vorgängers Tiberius be¬
reits limitirt durch die Gebäude, welche in der südwestlichen Ecke der Gärten
ihre alte Stätte haben. Zu ihnen gehört der schon erwähnte Tempel des
Jupiter Victor; näher noch als dieser liegen zwei andere Heiligthümer,
das eine noch wenig erforscht, das andere von Cav. Rosa als das Gebäude
für die Augurien aufgefaßt, weil seine Stelle derjenigen entspräche, wo Ro¬
mulus der Tradition zufolge die Augurien für die Gründung seiner Stadt
angestellt hatte. Außerdem hat man aber unmittelbar vor der Südfronte
des Palastes kürzlich ein Gebäude ausgegraben, welches allerdings nur ein
Privathaus ist, aber nicht ohne bestimmte Veranlassung von den Kaisern ge¬
schont worden zu sein scheint.

Der hiermit versuchten Orientirung über die französischen Ausgrabungen


Vor der Mauer, die nur auf kurzer Strecke zu verfolgen ist, breitet sich
ein Platz aus, auf dem die Ruinen des Tempels des Jupiter Stator stehen.
Sind sie auch äußerst verfallen, so bleibt es doch nicht ohne Reiz, angesichts
ihrer der prächtigen Schilderung bei Livius zu gedenken, wie Romulus, als
sein Volk im ersten harten Kampfe von den Sabinern bis hierher, also bis
zum Eingang der palatinischen Burg zurückgedrängt war, zum Jupiter
betet: „Du Vater der Menschen und Götter, halte die Feinde wenigstens
hier zurück, nimm den Römern den Schrecken und hemme ihre schmähliche
Flucht. Ich gelobe Dir an dieser Stelle, Jupiter Stator einen Tempel,
der den Nachkommen ein Denkmal sein soll, daß durch Deine gegenwärtige
Hilfe die Stadt gerettet ist."

Wie beachtenswert!) das alte Heiligthum und die Straßen, welche zu
ihm führen, in topographischer Hinsicht sind, indem sie zur Fixirung anderer
Localitäten der Sage und Geschichte dienen, kann hier nicht im Einzelnen
ausgeführt werden. Aber wendet man sich vom Tempel aus nach Westen,
so sieht man sogleich vor sich den zweiten Palast, der, wie bemerkt, Tiberius
und Caligula zugeschrieben wird und den ganzen nordwestlichen Theil der
Gärten ausfüllt. Selbst die Abhänge des Palatin sind hier, besonders im
Norden mit colossalen Unterbauten bedeckt. Für ihre nähere Bestimmung ist
von Bedeutung, daß Sueton erzählt, Caligula habe den Palast bis zum
Forum vorgeschoben und über das den Palatin vom Capital trennende Thal
weg im Westen eine Brücke zu letzterem Hügel hin geschlagen. Die Bau¬
pläne eines dem Kaiserwahnsinne in so hohem Grad verfallenen Mannes
zu studiren, kann seltsam erscheinen, aber die abnorme Art der nach Westen
und Norden von ihm ausgeschickten Erweiterungen läßt doch die Grenzen,
an welche er sich auf den übrigen Seiten für gebunden hielt, als besonders
wichtig erscheinen. Wie ihn nun offenbar die Rücksicht auf das Heiligthum
des Jupiter Stator, den er anerkennen mußte, im Osten eingeschränkt hat,
so wurde andererseits im Süden der Palast seines Vorgängers Tiberius be¬
reits limitirt durch die Gebäude, welche in der südwestlichen Ecke der Gärten
ihre alte Stätte haben. Zu ihnen gehört der schon erwähnte Tempel des
Jupiter Victor; näher noch als dieser liegen zwei andere Heiligthümer,
das eine noch wenig erforscht, das andere von Cav. Rosa als das Gebäude
für die Augurien aufgefaßt, weil seine Stelle derjenigen entspräche, wo Ro¬
mulus der Tradition zufolge die Augurien für die Gründung seiner Stadt
angestellt hatte. Außerdem hat man aber unmittelbar vor der Südfronte
des Palastes kürzlich ein Gebäude ausgegraben, welches allerdings nur ein
Privathaus ist, aber nicht ohne bestimmte Veranlassung von den Kaisern ge¬
schont worden zu sein scheint.

Der hiermit versuchten Orientirung über die französischen Ausgrabungen


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[0250] Vor der Mauer, die nur auf kurzer Strecke zu verfolgen ist, breitet sich ein Platz aus, auf dem die Ruinen des Tempels des Jupiter Stator stehen. Sind sie auch äußerst verfallen, so bleibt es doch nicht ohne Reiz, angesichts ihrer der prächtigen Schilderung bei Livius zu gedenken, wie Romulus, als sein Volk im ersten harten Kampfe von den Sabinern bis hierher, also bis zum Eingang der palatinischen Burg zurückgedrängt war, zum Jupiter betet: „Du Vater der Menschen und Götter, halte die Feinde wenigstens hier zurück, nimm den Römern den Schrecken und hemme ihre schmähliche Flucht. Ich gelobe Dir an dieser Stelle, Jupiter Stator einen Tempel, der den Nachkommen ein Denkmal sein soll, daß durch Deine gegenwärtige Hilfe die Stadt gerettet ist." Wie beachtenswert!) das alte Heiligthum und die Straßen, welche zu ihm führen, in topographischer Hinsicht sind, indem sie zur Fixirung anderer Localitäten der Sage und Geschichte dienen, kann hier nicht im Einzelnen ausgeführt werden. Aber wendet man sich vom Tempel aus nach Westen, so sieht man sogleich vor sich den zweiten Palast, der, wie bemerkt, Tiberius und Caligula zugeschrieben wird und den ganzen nordwestlichen Theil der Gärten ausfüllt. Selbst die Abhänge des Palatin sind hier, besonders im Norden mit colossalen Unterbauten bedeckt. Für ihre nähere Bestimmung ist von Bedeutung, daß Sueton erzählt, Caligula habe den Palast bis zum Forum vorgeschoben und über das den Palatin vom Capital trennende Thal weg im Westen eine Brücke zu letzterem Hügel hin geschlagen. Die Bau¬ pläne eines dem Kaiserwahnsinne in so hohem Grad verfallenen Mannes zu studiren, kann seltsam erscheinen, aber die abnorme Art der nach Westen und Norden von ihm ausgeschickten Erweiterungen läßt doch die Grenzen, an welche er sich auf den übrigen Seiten für gebunden hielt, als besonders wichtig erscheinen. Wie ihn nun offenbar die Rücksicht auf das Heiligthum des Jupiter Stator, den er anerkennen mußte, im Osten eingeschränkt hat, so wurde andererseits im Süden der Palast seines Vorgängers Tiberius be¬ reits limitirt durch die Gebäude, welche in der südwestlichen Ecke der Gärten ihre alte Stätte haben. Zu ihnen gehört der schon erwähnte Tempel des Jupiter Victor; näher noch als dieser liegen zwei andere Heiligthümer, das eine noch wenig erforscht, das andere von Cav. Rosa als das Gebäude für die Augurien aufgefaßt, weil seine Stelle derjenigen entspräche, wo Ro¬ mulus der Tradition zufolge die Augurien für die Gründung seiner Stadt angestellt hatte. Außerdem hat man aber unmittelbar vor der Südfronte des Palastes kürzlich ein Gebäude ausgegraben, welches allerdings nur ein Privathaus ist, aber nicht ohne bestimmte Veranlassung von den Kaisern ge¬ schont worden zu sein scheint. Der hiermit versuchten Orientirung über die französischen Ausgrabungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/250>, abgerufen am 26.06.2024.