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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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die die Gönner des alten Rechts vorsichtiger Weise zur nähern Darlegung
ihres Standpunktes benutzten.

Einer derselben betraf die Regierungsvorlage über das Institut der
Landesvertheidigung. Tirol hatte nach dem allgemeinen Wehrgesetze vom
S. December 1868 zum Reichsheer nur das Kaiserjägerregiment zu stellen,
das in der Hälfte seines Contingents bestand. Die andere Hälfte sollten
die Landesschützen und der Landsturm ersetzen, weshalb der Artikel III der
Einführungsverordnung die Bestimmungen über die Organisirung und Ver¬
wendung der übrigen wehrpflichtigen Mannschaft und die Erfüllung der
Wehrpflicht in der Landwehr, der Landesgesetzgebung vorbehielt. Daraus
ergab sich von selbst, daß, falls Tirol seine Schützen nicht auch zur Ver¬
theidigung des Reiches stellen würde, das ganze Contingent gefordert werden
konnte. Die Leistung dieser Kriegshilfe erschien um so billiger, als auch die
Landwehr anderer Kronländer zur Vertheidigung Tirols verpflichtet, den
Tiroler Landesschützen aber die Begünstigung zugestanden war, nur wenn
der Feind das Land selbst nicht bedrohte, außerhalb desselben verwendet zu
werden. Dagegen beriefen sich Giovanelli und seine Knappen auf das Land-
libell von 1S11, wonach das bewaffnete Aufgebot nie aus dem Lande zu ziehen
verpflichtet ist, ein Privilegium, das selbst in der jüngsten Landesvertheidigung
Berücksichtigung gefunden habe. Der Antrag der Regierung rührte also
an ein altes ständisches Recht, das, wie der Bischof von Brixen den bäuer¬
lichen Abgeordneten erläuterte, in inniger Verbindung stand mit der Wieder¬
herstellung alles dessen, was das ewige und zeitliche Heil der Tiroler ver¬
bürgte. Indessen beantragten die Herren Prälaten und Ritter zum Beweise
ihrer äußersten Nachgiebigkeit die Verwendung der Schützen außerhalb des
Landes mit jedesmaliger Zustimmung des Landtags. In der That hing die
Stellung der Schützen in den letzten Kriegen hauptsächlich von der Bewilligung
und Mitwirkung des Clerus ab, und derselbe leistete sie freudig, so lange
unter allen Umständen "die Religion in Gefahr war" d. h. die Herrschaft
ihrer Diener nirgend eine so eifrige Stütze fand als eben in Oestreich. Es
konnte daher kein Zweifel obwalten, daß das kostbare Privilegium aufrecht
erhalten werden mußte und die wenigen verblendeten Neuerer, die es wagten
eine entgegengesetzte Meinung zu äußern, mußten sich nach dem bei ihrem
Eintritt in den eleriealen Club gegebenen Worte dem Ausspruch der Majo¬
rität fügen. Als nun am 21. October die Debatte über das neue Gesetz
zur verhängnißvollen Stelle vorgerückt war, die vom Dienste außerhalb
Landes handelte, ersuchte der schon durch das Comite' von der Sachlage
unterrichtete Statthalter Freiherr von Lasser, die Berathung darüber vorerst
aufzuschieben, da er sich vom Ministerium weitere Weisungen erbeten habe.
Dem stimmte auch der Berichterstatter bei und trotz der Einsprache der


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die die Gönner des alten Rechts vorsichtiger Weise zur nähern Darlegung
ihres Standpunktes benutzten.

Einer derselben betraf die Regierungsvorlage über das Institut der
Landesvertheidigung. Tirol hatte nach dem allgemeinen Wehrgesetze vom
S. December 1868 zum Reichsheer nur das Kaiserjägerregiment zu stellen,
das in der Hälfte seines Contingents bestand. Die andere Hälfte sollten
die Landesschützen und der Landsturm ersetzen, weshalb der Artikel III der
Einführungsverordnung die Bestimmungen über die Organisirung und Ver¬
wendung der übrigen wehrpflichtigen Mannschaft und die Erfüllung der
Wehrpflicht in der Landwehr, der Landesgesetzgebung vorbehielt. Daraus
ergab sich von selbst, daß, falls Tirol seine Schützen nicht auch zur Ver¬
theidigung des Reiches stellen würde, das ganze Contingent gefordert werden
konnte. Die Leistung dieser Kriegshilfe erschien um so billiger, als auch die
Landwehr anderer Kronländer zur Vertheidigung Tirols verpflichtet, den
Tiroler Landesschützen aber die Begünstigung zugestanden war, nur wenn
der Feind das Land selbst nicht bedrohte, außerhalb desselben verwendet zu
werden. Dagegen beriefen sich Giovanelli und seine Knappen auf das Land-
libell von 1S11, wonach das bewaffnete Aufgebot nie aus dem Lande zu ziehen
verpflichtet ist, ein Privilegium, das selbst in der jüngsten Landesvertheidigung
Berücksichtigung gefunden habe. Der Antrag der Regierung rührte also
an ein altes ständisches Recht, das, wie der Bischof von Brixen den bäuer¬
lichen Abgeordneten erläuterte, in inniger Verbindung stand mit der Wieder¬
herstellung alles dessen, was das ewige und zeitliche Heil der Tiroler ver¬
bürgte. Indessen beantragten die Herren Prälaten und Ritter zum Beweise
ihrer äußersten Nachgiebigkeit die Verwendung der Schützen außerhalb des
Landes mit jedesmaliger Zustimmung des Landtags. In der That hing die
Stellung der Schützen in den letzten Kriegen hauptsächlich von der Bewilligung
und Mitwirkung des Clerus ab, und derselbe leistete sie freudig, so lange
unter allen Umständen „die Religion in Gefahr war" d. h. die Herrschaft
ihrer Diener nirgend eine so eifrige Stütze fand als eben in Oestreich. Es
konnte daher kein Zweifel obwalten, daß das kostbare Privilegium aufrecht
erhalten werden mußte und die wenigen verblendeten Neuerer, die es wagten
eine entgegengesetzte Meinung zu äußern, mußten sich nach dem bei ihrem
Eintritt in den eleriealen Club gegebenen Worte dem Ausspruch der Majo¬
rität fügen. Als nun am 21. October die Debatte über das neue Gesetz
zur verhängnißvollen Stelle vorgerückt war, die vom Dienste außerhalb
Landes handelte, ersuchte der schon durch das Comite' von der Sachlage
unterrichtete Statthalter Freiherr von Lasser, die Berathung darüber vorerst
aufzuschieben, da er sich vom Ministerium weitere Weisungen erbeten habe.
Dem stimmte auch der Berichterstatter bei und trotz der Einsprache der


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[0233] die die Gönner des alten Rechts vorsichtiger Weise zur nähern Darlegung ihres Standpunktes benutzten. Einer derselben betraf die Regierungsvorlage über das Institut der Landesvertheidigung. Tirol hatte nach dem allgemeinen Wehrgesetze vom S. December 1868 zum Reichsheer nur das Kaiserjägerregiment zu stellen, das in der Hälfte seines Contingents bestand. Die andere Hälfte sollten die Landesschützen und der Landsturm ersetzen, weshalb der Artikel III der Einführungsverordnung die Bestimmungen über die Organisirung und Ver¬ wendung der übrigen wehrpflichtigen Mannschaft und die Erfüllung der Wehrpflicht in der Landwehr, der Landesgesetzgebung vorbehielt. Daraus ergab sich von selbst, daß, falls Tirol seine Schützen nicht auch zur Ver¬ theidigung des Reiches stellen würde, das ganze Contingent gefordert werden konnte. Die Leistung dieser Kriegshilfe erschien um so billiger, als auch die Landwehr anderer Kronländer zur Vertheidigung Tirols verpflichtet, den Tiroler Landesschützen aber die Begünstigung zugestanden war, nur wenn der Feind das Land selbst nicht bedrohte, außerhalb desselben verwendet zu werden. Dagegen beriefen sich Giovanelli und seine Knappen auf das Land- libell von 1S11, wonach das bewaffnete Aufgebot nie aus dem Lande zu ziehen verpflichtet ist, ein Privilegium, das selbst in der jüngsten Landesvertheidigung Berücksichtigung gefunden habe. Der Antrag der Regierung rührte also an ein altes ständisches Recht, das, wie der Bischof von Brixen den bäuer¬ lichen Abgeordneten erläuterte, in inniger Verbindung stand mit der Wieder¬ herstellung alles dessen, was das ewige und zeitliche Heil der Tiroler ver¬ bürgte. Indessen beantragten die Herren Prälaten und Ritter zum Beweise ihrer äußersten Nachgiebigkeit die Verwendung der Schützen außerhalb des Landes mit jedesmaliger Zustimmung des Landtags. In der That hing die Stellung der Schützen in den letzten Kriegen hauptsächlich von der Bewilligung und Mitwirkung des Clerus ab, und derselbe leistete sie freudig, so lange unter allen Umständen „die Religion in Gefahr war" d. h. die Herrschaft ihrer Diener nirgend eine so eifrige Stütze fand als eben in Oestreich. Es konnte daher kein Zweifel obwalten, daß das kostbare Privilegium aufrecht erhalten werden mußte und die wenigen verblendeten Neuerer, die es wagten eine entgegengesetzte Meinung zu äußern, mußten sich nach dem bei ihrem Eintritt in den eleriealen Club gegebenen Worte dem Ausspruch der Majo¬ rität fügen. Als nun am 21. October die Debatte über das neue Gesetz zur verhängnißvollen Stelle vorgerückt war, die vom Dienste außerhalb Landes handelte, ersuchte der schon durch das Comite' von der Sachlage unterrichtete Statthalter Freiherr von Lasser, die Berathung darüber vorerst aufzuschieben, da er sich vom Ministerium weitere Weisungen erbeten habe. Dem stimmte auch der Berichterstatter bei und trotz der Einsprache der 29*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/233>, abgerufen am 26.06.2024.