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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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ging er aus dem Schooße jenes Comite's , hervor, das man in Folge des
Dietl'schen Antrags gebildet hatte, thatsächlich entsprang derselbe der Initia¬
tive des Baron Ignatius Giovanelli. Man übergab die Anträge am 19. Oct-;
sie lauteten wie folgt:

"Der hohe Landtag wolle beschließen zu erklären:

1) Die Verfassungsgesetze vom 21. December 1867 find unvereinbar
mit dem öffentlichen Rechte und der staatsrechtlichen Stellung Tirols und
führen in ihrer weiteren Entwickelung zur Vernichtung der politischen Existenz
des Landes.

2) Der Landtag spricht seine Ueberzeugung aus, daß der Reichsrath
nicht berechtigt war über die Landesrechte Tirols, über seine Stellung zur
Gesammtmonarchie, über seine Selbständigkeit und staatsrechtliche Bedeutung
endgiltig zu entscheiden. '

3) Der Landtag hat in der an Se. k. k. apostolische Majestät am 1. März
1867 gerichteten Adresse die Verwahrung der Landesrechte ausgesprochen; er
wiederholt heute diese Verwahrung gegenüber den seither erschienenen Ge¬
setzen und will die öffentlichen Gerechtsamen Tirols als eines selbständigen
Theiles der Gesammtmonarchie aufrecht erhalten wissen.

4) Der Landtag nimmt in Unterordnung unter Se. Majestät den Landes¬
fürsten und Kaiser das Recht der Gesetzgebung in allen Angelegenheiten in
Anspruch, deren gemeinsame Behandlung zur Erhaltung der Einheit und
Macht der Gesammtmonarchie nicht nothwendig ist.

5) Das Land Tirol fordert insbesondere als sein Recht, daß die Gesetze
in Schul- und Ehesachen mit den Gesetzen der katholischen Kirche nicht im
Widerspruche stehen.

6) Tirol ist bereit zur Regelung der staatsrechtlichen Verhältnisse der
Monarchie auf Grundlage des mit dem kaiserlichen Diplome vom 20. October
1860 erlassenen Staatsgrundgesetzes mittelst gemeinsamer Berathung mit¬
zuwirken."

Die Verwerfung aller neuen Reichsgesetze seit dem Octoberdiplom und
die Wiederherstellung der Rechtszustände nach der zugleich mit ihm erschiene¬
nen Landesordnung von Tirol war also das Ziel das Antragstellers: in den
alten vier Ständen und der privilegirten Stellung des immatriculirten Adels
sah derselbe das alte Landesrecht. Die alte Sländegliederung war Dank
der Nachhilfe des Erzherzogs Karl Ludwig in der Landesordnung vom
26. Februar 1861 zwar nur theilweise der Interessenvertretung Schmerlings
gewichen, sie sollte aber wieder erstehen "unbesudelt vom Pesthauche einer
schlechten Zeit", "denn Interessen habe auch der gemeinste Charakter."

Ehe wir jedoch auf die Verhandlung über die Rückkehr zum alten tiroli¬
schen Staatsrecht eintreten, müssen wir noch ein paar Zwischenfälle berühren,


ging er aus dem Schooße jenes Comite's , hervor, das man in Folge des
Dietl'schen Antrags gebildet hatte, thatsächlich entsprang derselbe der Initia¬
tive des Baron Ignatius Giovanelli. Man übergab die Anträge am 19. Oct-;
sie lauteten wie folgt:

„Der hohe Landtag wolle beschließen zu erklären:

1) Die Verfassungsgesetze vom 21. December 1867 find unvereinbar
mit dem öffentlichen Rechte und der staatsrechtlichen Stellung Tirols und
führen in ihrer weiteren Entwickelung zur Vernichtung der politischen Existenz
des Landes.

2) Der Landtag spricht seine Ueberzeugung aus, daß der Reichsrath
nicht berechtigt war über die Landesrechte Tirols, über seine Stellung zur
Gesammtmonarchie, über seine Selbständigkeit und staatsrechtliche Bedeutung
endgiltig zu entscheiden. '

3) Der Landtag hat in der an Se. k. k. apostolische Majestät am 1. März
1867 gerichteten Adresse die Verwahrung der Landesrechte ausgesprochen; er
wiederholt heute diese Verwahrung gegenüber den seither erschienenen Ge¬
setzen und will die öffentlichen Gerechtsamen Tirols als eines selbständigen
Theiles der Gesammtmonarchie aufrecht erhalten wissen.

4) Der Landtag nimmt in Unterordnung unter Se. Majestät den Landes¬
fürsten und Kaiser das Recht der Gesetzgebung in allen Angelegenheiten in
Anspruch, deren gemeinsame Behandlung zur Erhaltung der Einheit und
Macht der Gesammtmonarchie nicht nothwendig ist.

5) Das Land Tirol fordert insbesondere als sein Recht, daß die Gesetze
in Schul- und Ehesachen mit den Gesetzen der katholischen Kirche nicht im
Widerspruche stehen.

6) Tirol ist bereit zur Regelung der staatsrechtlichen Verhältnisse der
Monarchie auf Grundlage des mit dem kaiserlichen Diplome vom 20. October
1860 erlassenen Staatsgrundgesetzes mittelst gemeinsamer Berathung mit¬
zuwirken."

Die Verwerfung aller neuen Reichsgesetze seit dem Octoberdiplom und
die Wiederherstellung der Rechtszustände nach der zugleich mit ihm erschiene¬
nen Landesordnung von Tirol war also das Ziel das Antragstellers: in den
alten vier Ständen und der privilegirten Stellung des immatriculirten Adels
sah derselbe das alte Landesrecht. Die alte Sländegliederung war Dank
der Nachhilfe des Erzherzogs Karl Ludwig in der Landesordnung vom
26. Februar 1861 zwar nur theilweise der Interessenvertretung Schmerlings
gewichen, sie sollte aber wieder erstehen „unbesudelt vom Pesthauche einer
schlechten Zeit", „denn Interessen habe auch der gemeinste Charakter."

Ehe wir jedoch auf die Verhandlung über die Rückkehr zum alten tiroli¬
schen Staatsrecht eintreten, müssen wir noch ein paar Zwischenfälle berühren,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/232>, abgerufen am 26.06.2024.