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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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nere Güter kauften, haben sichZals die allerhärtesten und geizigsten gezeigt,
die am wenigsten für Verbesserungen thaten, sondern nur bedacht waren, die
höchstmögliche Pacht zu erpressen, während fast alle Meliorationen den großen
Grundherren zuzuschreiben sind.

Aber, erwidert man, nach Brights Plan soll ja der größte Capitalist,
der Staat, eintreten und das Geld vorschießen. Regierungslandbanken z. B.
würden Darlehen zu S Proc. gewähren, von denen 3'/z Proc. als Ver¬
zinsung, 1^/2 als Amortisationsfonds zu rechnen wären, wodurch denn nach
einer gewissen Zeit die Käufer zu freien Eigenthümern würden. Allein wie
würde sich die Ausführung des Planes praktisch gestalten? Nehmen wir an,
die Regierung kaufte einen großen Complex und theilte ihn in Gütchen von
23 Acres, als das Minimum, welches eine Familie leidlich ernähren kann.
Das Angebot solcher kleinen Bauergüter würde bei einem Volk, welches auf
Landbesitz ebenso versessen ist wie der französische Bauer, eine gewaltige Nach¬
frage hervorrufen, welche die Preise weit über den wahren Werth des Landes
hinaustreiben würde. Wahrscheinlich würden Speculanten und kleine Gewerbs-
treibende die bisherigen Pächter weit überbieten; alle Concurrenz auszuschließen
aber wäre unmöglich, denn die Bevorzugung Einzelner würde die höchste Er¬
bitterung hervorrufen. Ist es da nun wahrscheinlich, daß der neue freie
Eigenthümer, selbst wenn er ein Muster von Fleiß und Intelligenz wäre, so
viel Ertrag erzielte, daß er 5 Proc. von einer zu hohen Kaufsumme zahlen
könnte und außerdem Unterhalt für seine Familie gewänne? Dabei ist zu be¬
rücksichtigen, daß er nicht blos den Kaufpreis als Vorschuß brauchte, sondern
auch Geld zum Betrieb der Wirthschaft. Man kann mit 800 Pfd. Sterl. ein
trefflicher Pächter von 30 Acres werden, aber nur ein armer Eigenthümer
von 20. Die Folge würde sein, daß alle Jahr eine Anzahl der eben ge¬
schaffenen Gütchen wegen Schulden unter den Hammer kämen, Capitalien
würden sie auslaufen und wieder consolidiren, so daß die ganze Arbeit ver¬
geblich gewesen wäre. Dazu kommt nun noch der irische Nationalcharakter
in Betracht. Der kleine Eigenthümer würde nicht mit einem Male ein Muster¬
wirth werden, er würde in erhöhtem Maßstabe das fortsetzen, was er als
Pächter gethan, er würde, wenn man ihm Verpachtung untersagte, auf das
Grundstück seine zahlreichen Söhne und Schwiegersöhne nehmen, was man
ihm nicht verbieten kann, wenn er wirklich Eigenthümer sein soll; alle wür¬
den davon leben wollen, so daß es schließlich doch wieder auf dürftigen Kar¬
toffelbau hinauskommen würde.

Und was soll geschehen, wenn der Eigenthümer stirbt? Soll das Güt¬
chen unter die Kinder vertheilt werden, wie in Frankreich, oder soll der
älteste Sohn erben, wie in England? Das Letztere wäre bei Jrländern mo¬
ralisch unmöglich, das Erstere materiell unthunlich, weil 4--3 Acres keine


nere Güter kauften, haben sichZals die allerhärtesten und geizigsten gezeigt,
die am wenigsten für Verbesserungen thaten, sondern nur bedacht waren, die
höchstmögliche Pacht zu erpressen, während fast alle Meliorationen den großen
Grundherren zuzuschreiben sind.

Aber, erwidert man, nach Brights Plan soll ja der größte Capitalist,
der Staat, eintreten und das Geld vorschießen. Regierungslandbanken z. B.
würden Darlehen zu S Proc. gewähren, von denen 3'/z Proc. als Ver¬
zinsung, 1^/2 als Amortisationsfonds zu rechnen wären, wodurch denn nach
einer gewissen Zeit die Käufer zu freien Eigenthümern würden. Allein wie
würde sich die Ausführung des Planes praktisch gestalten? Nehmen wir an,
die Regierung kaufte einen großen Complex und theilte ihn in Gütchen von
23 Acres, als das Minimum, welches eine Familie leidlich ernähren kann.
Das Angebot solcher kleinen Bauergüter würde bei einem Volk, welches auf
Landbesitz ebenso versessen ist wie der französische Bauer, eine gewaltige Nach¬
frage hervorrufen, welche die Preise weit über den wahren Werth des Landes
hinaustreiben würde. Wahrscheinlich würden Speculanten und kleine Gewerbs-
treibende die bisherigen Pächter weit überbieten; alle Concurrenz auszuschließen
aber wäre unmöglich, denn die Bevorzugung Einzelner würde die höchste Er¬
bitterung hervorrufen. Ist es da nun wahrscheinlich, daß der neue freie
Eigenthümer, selbst wenn er ein Muster von Fleiß und Intelligenz wäre, so
viel Ertrag erzielte, daß er 5 Proc. von einer zu hohen Kaufsumme zahlen
könnte und außerdem Unterhalt für seine Familie gewänne? Dabei ist zu be¬
rücksichtigen, daß er nicht blos den Kaufpreis als Vorschuß brauchte, sondern
auch Geld zum Betrieb der Wirthschaft. Man kann mit 800 Pfd. Sterl. ein
trefflicher Pächter von 30 Acres werden, aber nur ein armer Eigenthümer
von 20. Die Folge würde sein, daß alle Jahr eine Anzahl der eben ge¬
schaffenen Gütchen wegen Schulden unter den Hammer kämen, Capitalien
würden sie auslaufen und wieder consolidiren, so daß die ganze Arbeit ver¬
geblich gewesen wäre. Dazu kommt nun noch der irische Nationalcharakter
in Betracht. Der kleine Eigenthümer würde nicht mit einem Male ein Muster¬
wirth werden, er würde in erhöhtem Maßstabe das fortsetzen, was er als
Pächter gethan, er würde, wenn man ihm Verpachtung untersagte, auf das
Grundstück seine zahlreichen Söhne und Schwiegersöhne nehmen, was man
ihm nicht verbieten kann, wenn er wirklich Eigenthümer sein soll; alle wür¬
den davon leben wollen, so daß es schließlich doch wieder auf dürftigen Kar¬
toffelbau hinauskommen würde.

Und was soll geschehen, wenn der Eigenthümer stirbt? Soll das Güt¬
chen unter die Kinder vertheilt werden, wie in Frankreich, oder soll der
älteste Sohn erben, wie in England? Das Letztere wäre bei Jrländern mo¬
ralisch unmöglich, das Erstere materiell unthunlich, weil 4—3 Acres keine


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[0224] nere Güter kauften, haben sichZals die allerhärtesten und geizigsten gezeigt, die am wenigsten für Verbesserungen thaten, sondern nur bedacht waren, die höchstmögliche Pacht zu erpressen, während fast alle Meliorationen den großen Grundherren zuzuschreiben sind. Aber, erwidert man, nach Brights Plan soll ja der größte Capitalist, der Staat, eintreten und das Geld vorschießen. Regierungslandbanken z. B. würden Darlehen zu S Proc. gewähren, von denen 3'/z Proc. als Ver¬ zinsung, 1^/2 als Amortisationsfonds zu rechnen wären, wodurch denn nach einer gewissen Zeit die Käufer zu freien Eigenthümern würden. Allein wie würde sich die Ausführung des Planes praktisch gestalten? Nehmen wir an, die Regierung kaufte einen großen Complex und theilte ihn in Gütchen von 23 Acres, als das Minimum, welches eine Familie leidlich ernähren kann. Das Angebot solcher kleinen Bauergüter würde bei einem Volk, welches auf Landbesitz ebenso versessen ist wie der französische Bauer, eine gewaltige Nach¬ frage hervorrufen, welche die Preise weit über den wahren Werth des Landes hinaustreiben würde. Wahrscheinlich würden Speculanten und kleine Gewerbs- treibende die bisherigen Pächter weit überbieten; alle Concurrenz auszuschließen aber wäre unmöglich, denn die Bevorzugung Einzelner würde die höchste Er¬ bitterung hervorrufen. Ist es da nun wahrscheinlich, daß der neue freie Eigenthümer, selbst wenn er ein Muster von Fleiß und Intelligenz wäre, so viel Ertrag erzielte, daß er 5 Proc. von einer zu hohen Kaufsumme zahlen könnte und außerdem Unterhalt für seine Familie gewänne? Dabei ist zu be¬ rücksichtigen, daß er nicht blos den Kaufpreis als Vorschuß brauchte, sondern auch Geld zum Betrieb der Wirthschaft. Man kann mit 800 Pfd. Sterl. ein trefflicher Pächter von 30 Acres werden, aber nur ein armer Eigenthümer von 20. Die Folge würde sein, daß alle Jahr eine Anzahl der eben ge¬ schaffenen Gütchen wegen Schulden unter den Hammer kämen, Capitalien würden sie auslaufen und wieder consolidiren, so daß die ganze Arbeit ver¬ geblich gewesen wäre. Dazu kommt nun noch der irische Nationalcharakter in Betracht. Der kleine Eigenthümer würde nicht mit einem Male ein Muster¬ wirth werden, er würde in erhöhtem Maßstabe das fortsetzen, was er als Pächter gethan, er würde, wenn man ihm Verpachtung untersagte, auf das Grundstück seine zahlreichen Söhne und Schwiegersöhne nehmen, was man ihm nicht verbieten kann, wenn er wirklich Eigenthümer sein soll; alle wür¬ den davon leben wollen, so daß es schließlich doch wieder auf dürftigen Kar¬ toffelbau hinauskommen würde. Und was soll geschehen, wenn der Eigenthümer stirbt? Soll das Güt¬ chen unter die Kinder vertheilt werden, wie in Frankreich, oder soll der älteste Sohn erben, wie in England? Das Letztere wäre bei Jrländern mo¬ ralisch unmöglich, das Erstere materiell unthunlich, weil 4—3 Acres keine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/224>, abgerufen am 26.06.2024.