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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Gutsbesitzer sich nicht bestrebten eine Classe kleiner Eigenthümer zu schaffen,
die erfahrungsmäßig scharf conservativ seien und helfen würden, die Rechte
des Grundeigenthums gegen socialistische Angriffe zu vertheidigen. Wir
wollen hier von dem Principienstreit über den Werth des kleinen oder' großen
Grundeigenthums. welcher sich nach unserer Ansicht überhaupt nicht allgemein
nach der einen oder anderen Seite entscheiden läßt, absehen, können uns
aber, was Irland betrifft, nicht enthalten' auf einige Voraussetzungen auf¬
merksam zu machen, welche erfüllt sein müssen, wenn die Cultur im Kleinen
gewinnreich sein soll. Diese Voraussetzungen sind, daß einmal das Land nicht
nur fruchtbar, sondern daß es nicht übervölkert sei und seine Bevölkerung sich
nicht rasch vermehre und endlich, daß es hinreichende Industrie besitze', welche
den Ueberschuß der Bevölkerung absorbiren kann. Alle diese Bedingungen
treffen Mehr oder weniger in Frankreich , Belgien, der Schweiz und Südwest¬
deutschland zu, wo die kleine Cultur überwiegt. Alle vier Länder sind frucht¬
bar, der Boden eignet sich meist zu intensiver Bewirthschaftung, alle haben
große Fabriken, ein Drittel der belgischen Bevölkerung lebt in den Städten.
Die Zunahme der Bevölkerung in Frankreich ist bei dem Zweikindersystem
sprichwörtlich langsam, in Belgien etwas stärker, aber auch nur 21"/g in
33 Jahren, während in England das Verhältniß 46-/<> war; außerdem ist
in Belgien nicht das kleine Eigenthum sondern das kleine Pachtgut über¬
wiegend, 7/lo des ganzen Bodens ist verpachtet und die schlechteste Cultur
herrscht in den Provinzen, wo die kleinen Bauerngüter von den Eigen¬
thümern bewirthschaftet werden, nämlich in Luxemburg, Limburg und Namur.
In Süddeutschland und der Schweiz sind die Ehen kinderreicher, aber trotz
der großen Fabriken auch die Auswanderung sehr stark.

Irland nun erfüllt keine dieser Bedingungen; es ist nicht fruchtbar, son¬
dern ein großer Theil des Landes besteht aus Haide und Sumpf, das Cltma
ist feucht und unsicher, man ist daher in erster Linie auf Viehzucht hinge¬
gewiesen, die großen Betrieb erfordert; ein armer Boden braucht doppelte
Düngung und sorgfältige Fruchtfolge. Irland hat eine verhältnißmäßig ge¬
ringe Industrie und wenig bedeutende Städte, seine Bevölkerung dagegen
nimmt so rasch zu, wie die keines anderen Landes, ihm fehlen also die natür¬
lichen Voraussetzungen einer gewinnreichen kleinen Cultur. Es ist daher
falsch, zu sagen, daß die großen Besitzungen des englischen Adels und der
Korporationen an sich Schuld an dem Elend der Bevölkerung seien, denn
nur Capitalisten können die nöthigen Fonds zur Verbesserung des Bodens
gewähren. Für nassen Boden, wie Irland ihn hat, ist Drainirung die Haupt¬
sache und sie ist dort besonders kostspielig, weil das Land meist flach ist, es
daher Schwierigkeiten macht, einen Abzug für die Röhren zu bewerkstelligen.
Die neuen Eigenthümer, welche in Folge der Lueumberöä Lstates ^et klei-


Grenzbotm 1.1870. 28

Gutsbesitzer sich nicht bestrebten eine Classe kleiner Eigenthümer zu schaffen,
die erfahrungsmäßig scharf conservativ seien und helfen würden, die Rechte
des Grundeigenthums gegen socialistische Angriffe zu vertheidigen. Wir
wollen hier von dem Principienstreit über den Werth des kleinen oder' großen
Grundeigenthums. welcher sich nach unserer Ansicht überhaupt nicht allgemein
nach der einen oder anderen Seite entscheiden läßt, absehen, können uns
aber, was Irland betrifft, nicht enthalten' auf einige Voraussetzungen auf¬
merksam zu machen, welche erfüllt sein müssen, wenn die Cultur im Kleinen
gewinnreich sein soll. Diese Voraussetzungen sind, daß einmal das Land nicht
nur fruchtbar, sondern daß es nicht übervölkert sei und seine Bevölkerung sich
nicht rasch vermehre und endlich, daß es hinreichende Industrie besitze', welche
den Ueberschuß der Bevölkerung absorbiren kann. Alle diese Bedingungen
treffen Mehr oder weniger in Frankreich , Belgien, der Schweiz und Südwest¬
deutschland zu, wo die kleine Cultur überwiegt. Alle vier Länder sind frucht¬
bar, der Boden eignet sich meist zu intensiver Bewirthschaftung, alle haben
große Fabriken, ein Drittel der belgischen Bevölkerung lebt in den Städten.
Die Zunahme der Bevölkerung in Frankreich ist bei dem Zweikindersystem
sprichwörtlich langsam, in Belgien etwas stärker, aber auch nur 21"/g in
33 Jahren, während in England das Verhältniß 46-/<> war; außerdem ist
in Belgien nicht das kleine Eigenthum sondern das kleine Pachtgut über¬
wiegend, 7/lo des ganzen Bodens ist verpachtet und die schlechteste Cultur
herrscht in den Provinzen, wo die kleinen Bauerngüter von den Eigen¬
thümern bewirthschaftet werden, nämlich in Luxemburg, Limburg und Namur.
In Süddeutschland und der Schweiz sind die Ehen kinderreicher, aber trotz
der großen Fabriken auch die Auswanderung sehr stark.

Irland nun erfüllt keine dieser Bedingungen; es ist nicht fruchtbar, son¬
dern ein großer Theil des Landes besteht aus Haide und Sumpf, das Cltma
ist feucht und unsicher, man ist daher in erster Linie auf Viehzucht hinge¬
gewiesen, die großen Betrieb erfordert; ein armer Boden braucht doppelte
Düngung und sorgfältige Fruchtfolge. Irland hat eine verhältnißmäßig ge¬
ringe Industrie und wenig bedeutende Städte, seine Bevölkerung dagegen
nimmt so rasch zu, wie die keines anderen Landes, ihm fehlen also die natür¬
lichen Voraussetzungen einer gewinnreichen kleinen Cultur. Es ist daher
falsch, zu sagen, daß die großen Besitzungen des englischen Adels und der
Korporationen an sich Schuld an dem Elend der Bevölkerung seien, denn
nur Capitalisten können die nöthigen Fonds zur Verbesserung des Bodens
gewähren. Für nassen Boden, wie Irland ihn hat, ist Drainirung die Haupt¬
sache und sie ist dort besonders kostspielig, weil das Land meist flach ist, es
daher Schwierigkeiten macht, einen Abzug für die Röhren zu bewerkstelligen.
Die neuen Eigenthümer, welche in Folge der Lueumberöä Lstates ^et klei-


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[0223] Gutsbesitzer sich nicht bestrebten eine Classe kleiner Eigenthümer zu schaffen, die erfahrungsmäßig scharf conservativ seien und helfen würden, die Rechte des Grundeigenthums gegen socialistische Angriffe zu vertheidigen. Wir wollen hier von dem Principienstreit über den Werth des kleinen oder' großen Grundeigenthums. welcher sich nach unserer Ansicht überhaupt nicht allgemein nach der einen oder anderen Seite entscheiden läßt, absehen, können uns aber, was Irland betrifft, nicht enthalten' auf einige Voraussetzungen auf¬ merksam zu machen, welche erfüllt sein müssen, wenn die Cultur im Kleinen gewinnreich sein soll. Diese Voraussetzungen sind, daß einmal das Land nicht nur fruchtbar, sondern daß es nicht übervölkert sei und seine Bevölkerung sich nicht rasch vermehre und endlich, daß es hinreichende Industrie besitze', welche den Ueberschuß der Bevölkerung absorbiren kann. Alle diese Bedingungen treffen Mehr oder weniger in Frankreich , Belgien, der Schweiz und Südwest¬ deutschland zu, wo die kleine Cultur überwiegt. Alle vier Länder sind frucht¬ bar, der Boden eignet sich meist zu intensiver Bewirthschaftung, alle haben große Fabriken, ein Drittel der belgischen Bevölkerung lebt in den Städten. Die Zunahme der Bevölkerung in Frankreich ist bei dem Zweikindersystem sprichwörtlich langsam, in Belgien etwas stärker, aber auch nur 21"/g in 33 Jahren, während in England das Verhältniß 46-/<> war; außerdem ist in Belgien nicht das kleine Eigenthum sondern das kleine Pachtgut über¬ wiegend, 7/lo des ganzen Bodens ist verpachtet und die schlechteste Cultur herrscht in den Provinzen, wo die kleinen Bauerngüter von den Eigen¬ thümern bewirthschaftet werden, nämlich in Luxemburg, Limburg und Namur. In Süddeutschland und der Schweiz sind die Ehen kinderreicher, aber trotz der großen Fabriken auch die Auswanderung sehr stark. Irland nun erfüllt keine dieser Bedingungen; es ist nicht fruchtbar, son¬ dern ein großer Theil des Landes besteht aus Haide und Sumpf, das Cltma ist feucht und unsicher, man ist daher in erster Linie auf Viehzucht hinge¬ gewiesen, die großen Betrieb erfordert; ein armer Boden braucht doppelte Düngung und sorgfältige Fruchtfolge. Irland hat eine verhältnißmäßig ge¬ ringe Industrie und wenig bedeutende Städte, seine Bevölkerung dagegen nimmt so rasch zu, wie die keines anderen Landes, ihm fehlen also die natür¬ lichen Voraussetzungen einer gewinnreichen kleinen Cultur. Es ist daher falsch, zu sagen, daß die großen Besitzungen des englischen Adels und der Korporationen an sich Schuld an dem Elend der Bevölkerung seien, denn nur Capitalisten können die nöthigen Fonds zur Verbesserung des Bodens gewähren. Für nassen Boden, wie Irland ihn hat, ist Drainirung die Haupt¬ sache und sie ist dort besonders kostspielig, weil das Land meist flach ist, es daher Schwierigkeiten macht, einen Abzug für die Röhren zu bewerkstelligen. Die neuen Eigenthümer, welche in Folge der Lueumberöä Lstates ^et klei- Grenzbotm 1.1870. 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/223>, abgerufen am 26.06.2024.