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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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existiren, indem man den Eigenthümer nöthigen will, sich da die Hände zu
binden, wo es in seinem klaren Nachtheil ist.

Andere Reformer befürworten die gesetzliche allgemeine Einführung des
in der Provinz Ulster bestehenden Gewohnheits-Pachtrechtes, Das Ulster-
töngnt-riANt ist ein Herkommen, kraft dessen der abziehende Pächter sein
Pachtverhältniß (oeeuMnez?) für eine gewisse Summe verkaufen kann, wenn
der Grundherr nicht gegen den Nachfolger begründete Einwendungen zu machen
hat. Das Geld wird also nicht etwa als Vergütung für die von dem ab¬
ziehenden Pächter gemachten Aufwendungen gezahlt, sondern für das Recht
in das bestehende Pachtverhältniß einzutreten; es gibt dem Nachfolger leine
Sicherheit für eine bestimmte Dauer der Pacht oder gegen die Steigerung
der Pachtsumme. Die Bedenken gegen ein solches System liegen auf der
Hand: der Käufer muß die nicht unbeträchtliche Summe, die er zu zahlen
hat, aufbringen, was meist durch Borgen geschieht, er tritt also die Pacht
mit Schulden an. Der Eigenthümer andererseits ist nicht geneigt Capital zu
Verbesserungen herauszugeben, Weiler weiß, daß er schließlich seine Pacht
immer bekommen kann, indem er den Pächter nöthigt zu verkaufen, denn
von der Kaufsumme wird zunächst die etwa schuldig gebliebene Pachtsumme
abgezogen. Es ist einfach das System des Ossitierkaufs, das in der eng¬
lischen Armee herrscht, auf das Pachtverhältniß übertragen, und so wenig
günstig wirkt es, daß menschenfreundliche und einsichtige Grundherren sich
bestreben, es abzuschaffen, wie z. B. Lord Dufferin große Summen dafür aus
eigenen Mitteln hergegeben hat, um es auf seinen Besitzungen in Ulster zu
beseitigen. Um so weniger kann man daher empfehlen, eine solche Gewohn¬
heit in den anderen Provinzen'einzuführen, wo die gegenwärtigen Pächter
nichts für ihren Eintritt in die Pacht gezahlt haben. Wenn in Ulster
weniger Unzufriedenheit herrscht als im Süden, so rührt das hauptsächlich
daher, daß dort nicht die Verschiedenheit von Race und Religion besteht wie
im übrigen Lande; die Pächter sind meistenteils protestantische Engländer
und Schotten.

Weit eher, so scheint es, läßt sich der Vorschlag hören, den Bnght ge¬
macht, ehe er ins Ministerium trat. Er wünscht, daß der Staat eine be¬
stimmte Summe aussetzt, von welcher durch eine Regierungscommission Län¬
dereien in Irland angekauft werden sollen, die dann wieder in Parcellen
zu verkaufen wären. Auf diese Weise hofft er allmälig einen Stand loyaler
kleiner Eigenthümer zu schaffen und seine Anhänger berufen sich auf Frank¬
reich. Belgien, Deutschland und die Schweiz, um zu beweisen, daß kleine
Bauerngüter die höchste Cultur sichern und eine zufrieden conservative Be¬
völkerung schaffen. Man hat namentlich Laveleye's Bemerkung in seinem Buch
über den belgischen Ackerbau citirt; er begreife nicht, warum die englischen


existiren, indem man den Eigenthümer nöthigen will, sich da die Hände zu
binden, wo es in seinem klaren Nachtheil ist.

Andere Reformer befürworten die gesetzliche allgemeine Einführung des
in der Provinz Ulster bestehenden Gewohnheits-Pachtrechtes, Das Ulster-
töngnt-riANt ist ein Herkommen, kraft dessen der abziehende Pächter sein
Pachtverhältniß (oeeuMnez?) für eine gewisse Summe verkaufen kann, wenn
der Grundherr nicht gegen den Nachfolger begründete Einwendungen zu machen
hat. Das Geld wird also nicht etwa als Vergütung für die von dem ab¬
ziehenden Pächter gemachten Aufwendungen gezahlt, sondern für das Recht
in das bestehende Pachtverhältniß einzutreten; es gibt dem Nachfolger leine
Sicherheit für eine bestimmte Dauer der Pacht oder gegen die Steigerung
der Pachtsumme. Die Bedenken gegen ein solches System liegen auf der
Hand: der Käufer muß die nicht unbeträchtliche Summe, die er zu zahlen
hat, aufbringen, was meist durch Borgen geschieht, er tritt also die Pacht
mit Schulden an. Der Eigenthümer andererseits ist nicht geneigt Capital zu
Verbesserungen herauszugeben, Weiler weiß, daß er schließlich seine Pacht
immer bekommen kann, indem er den Pächter nöthigt zu verkaufen, denn
von der Kaufsumme wird zunächst die etwa schuldig gebliebene Pachtsumme
abgezogen. Es ist einfach das System des Ossitierkaufs, das in der eng¬
lischen Armee herrscht, auf das Pachtverhältniß übertragen, und so wenig
günstig wirkt es, daß menschenfreundliche und einsichtige Grundherren sich
bestreben, es abzuschaffen, wie z. B. Lord Dufferin große Summen dafür aus
eigenen Mitteln hergegeben hat, um es auf seinen Besitzungen in Ulster zu
beseitigen. Um so weniger kann man daher empfehlen, eine solche Gewohn¬
heit in den anderen Provinzen'einzuführen, wo die gegenwärtigen Pächter
nichts für ihren Eintritt in die Pacht gezahlt haben. Wenn in Ulster
weniger Unzufriedenheit herrscht als im Süden, so rührt das hauptsächlich
daher, daß dort nicht die Verschiedenheit von Race und Religion besteht wie
im übrigen Lande; die Pächter sind meistenteils protestantische Engländer
und Schotten.

Weit eher, so scheint es, läßt sich der Vorschlag hören, den Bnght ge¬
macht, ehe er ins Ministerium trat. Er wünscht, daß der Staat eine be¬
stimmte Summe aussetzt, von welcher durch eine Regierungscommission Län¬
dereien in Irland angekauft werden sollen, die dann wieder in Parcellen
zu verkaufen wären. Auf diese Weise hofft er allmälig einen Stand loyaler
kleiner Eigenthümer zu schaffen und seine Anhänger berufen sich auf Frank¬
reich. Belgien, Deutschland und die Schweiz, um zu beweisen, daß kleine
Bauerngüter die höchste Cultur sichern und eine zufrieden conservative Be¬
völkerung schaffen. Man hat namentlich Laveleye's Bemerkung in seinem Buch
über den belgischen Ackerbau citirt; er begreife nicht, warum die englischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/222>, abgerufen am 26.06.2024.