Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Canon zahlte. Ebendeshalb würde diese Sicherheit im Besitz dem Pächter
jeden Antrieb zur Verbesserung der Cultur nehmen; der Jrländer braucht
Aufsicht und den Stachel einer möglichen Kündigung, um sein Land nur
nicht geradezu zu vernachlässigen; das vorgeschlagene Mittel aber, welches
diese Momente ganz beseitigt, könnte nur dazu führen, das Uebel zu ver¬
schlimmern.

Diejenigen nun, die nicht ganz so weit gehen wollen, fordern wenig¬
stens zwangsweise Einführung längerer Zeitpachten von 21--31 oder gar
63 Jahren (eomxulsoi'7 leases), welche allen gegenwärtigen Pächtern ge-
geben werden sollten, während das Gesetz die jetzt meist bestehende tantae^
at pill, welche dem Grundherrn das Recht gibt, jederzeit zu kündigen, nicht
mehr anerkennen, im Gegentheil präsumiren solle, daß überall eine feste Zeit¬
pacht bestehe.

Gegen diesen Vorschlag spricht nun, abgesehen von dem bedenklichen Ein¬
griff in die Dispositionsfreiheit beider Theile, zunächst der Umstand, daß da
wo Zeitpachten bestehen, die Cultur meist auf sehr tiefer Stufe steht und daß
Eigenthümer wie Pächter sie nicht lieben. Ersterer nicht, weil er sich damit
die Hände bindet und einen Pächter behalten muß, solange derselbe nur seine
Pacht zahlt, dabei aber das Land ruinirt, letzterer nicht, weil bei Gewährung
von Zeitpachten die Pachtsumme unfehlbar sehr gesteigert werden würde, eben
weil der Eigenthümer sich für die Dauer des Termins seines Rechtes be¬
gibt, den Beirag zu erhöhen. Außerdem aber würden solche Zeltpachten
nie den Pächter vor Eviction schützen können, wenn er seinen Verbindlich¬
keiten nicht nachkommt. Jede Zeitpacht aber muß außer der Zahlung der Pacht
stipuliren, daß das Land in gutem Zustand erhalten und eine richtige Frucht¬
folge beobachtet werde, daß keine Afterpacht und Theilung der Farm statt¬
finde. Denn nichts ist empfindlicher, als der Boden. Schlechte Wirthschaft kann
ihn in wenigen Jahren so ruiniren, daß man ein Drittheil seines Werthes
aufwenden muß, um ihm seine frühere Fruchtbarkeit wiederzugeben. Zu
einer solchen nachhaltig guten Wirthschaft aber ist die Mehrzahl der irischen
Pächter unfähig, weil sie arm, verschuldet und unwissend sind und deshalb
nicht an Verbesserungen denken können, für die vielmehr jetzt fast ausschlie߬
lich die Grundherren das Capital hergeben. Wo diese Regel nicht zutrifft,
wo der Eigenthümer nur irgend Grund hat, anzunehmen, daß der Pächter
vernünftig wirthschaften wird, da gibt er schon jetzt gern Zeitpachte, sowie
auch ohne solche Niemand daran denkt, einem ordentlichen Pächter zu kün¬
digen aus dem einfachen Grunde, weil die Chancen 10 gegen 1 stehen, daß
er einen schlechteren wiederbekommt. Aber wir vermögen nicht einzusehen,
wie der jetzige Zustand schlechter Cultur dadurch gebessert werden soll, daß
man dem irischen Pächter Privilegien gibt, die in keinem anderen Lande


Canon zahlte. Ebendeshalb würde diese Sicherheit im Besitz dem Pächter
jeden Antrieb zur Verbesserung der Cultur nehmen; der Jrländer braucht
Aufsicht und den Stachel einer möglichen Kündigung, um sein Land nur
nicht geradezu zu vernachlässigen; das vorgeschlagene Mittel aber, welches
diese Momente ganz beseitigt, könnte nur dazu führen, das Uebel zu ver¬
schlimmern.

Diejenigen nun, die nicht ganz so weit gehen wollen, fordern wenig¬
stens zwangsweise Einführung längerer Zeitpachten von 21—31 oder gar
63 Jahren (eomxulsoi'7 leases), welche allen gegenwärtigen Pächtern ge-
geben werden sollten, während das Gesetz die jetzt meist bestehende tantae^
at pill, welche dem Grundherrn das Recht gibt, jederzeit zu kündigen, nicht
mehr anerkennen, im Gegentheil präsumiren solle, daß überall eine feste Zeit¬
pacht bestehe.

Gegen diesen Vorschlag spricht nun, abgesehen von dem bedenklichen Ein¬
griff in die Dispositionsfreiheit beider Theile, zunächst der Umstand, daß da
wo Zeitpachten bestehen, die Cultur meist auf sehr tiefer Stufe steht und daß
Eigenthümer wie Pächter sie nicht lieben. Ersterer nicht, weil er sich damit
die Hände bindet und einen Pächter behalten muß, solange derselbe nur seine
Pacht zahlt, dabei aber das Land ruinirt, letzterer nicht, weil bei Gewährung
von Zeitpachten die Pachtsumme unfehlbar sehr gesteigert werden würde, eben
weil der Eigenthümer sich für die Dauer des Termins seines Rechtes be¬
gibt, den Beirag zu erhöhen. Außerdem aber würden solche Zeltpachten
nie den Pächter vor Eviction schützen können, wenn er seinen Verbindlich¬
keiten nicht nachkommt. Jede Zeitpacht aber muß außer der Zahlung der Pacht
stipuliren, daß das Land in gutem Zustand erhalten und eine richtige Frucht¬
folge beobachtet werde, daß keine Afterpacht und Theilung der Farm statt¬
finde. Denn nichts ist empfindlicher, als der Boden. Schlechte Wirthschaft kann
ihn in wenigen Jahren so ruiniren, daß man ein Drittheil seines Werthes
aufwenden muß, um ihm seine frühere Fruchtbarkeit wiederzugeben. Zu
einer solchen nachhaltig guten Wirthschaft aber ist die Mehrzahl der irischen
Pächter unfähig, weil sie arm, verschuldet und unwissend sind und deshalb
nicht an Verbesserungen denken können, für die vielmehr jetzt fast ausschlie߬
lich die Grundherren das Capital hergeben. Wo diese Regel nicht zutrifft,
wo der Eigenthümer nur irgend Grund hat, anzunehmen, daß der Pächter
vernünftig wirthschaften wird, da gibt er schon jetzt gern Zeitpachte, sowie
auch ohne solche Niemand daran denkt, einem ordentlichen Pächter zu kün¬
digen aus dem einfachen Grunde, weil die Chancen 10 gegen 1 stehen, daß
er einen schlechteren wiederbekommt. Aber wir vermögen nicht einzusehen,
wie der jetzige Zustand schlechter Cultur dadurch gebessert werden soll, daß
man dem irischen Pächter Privilegien gibt, die in keinem anderen Lande


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0221" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123309"/>
          <p xml:id="ID_597" prev="#ID_596"> Canon zahlte. Ebendeshalb würde diese Sicherheit im Besitz dem Pächter<lb/>
jeden Antrieb zur Verbesserung der Cultur nehmen; der Jrländer braucht<lb/>
Aufsicht und den Stachel einer möglichen Kündigung, um sein Land nur<lb/>
nicht geradezu zu vernachlässigen; das vorgeschlagene Mittel aber, welches<lb/>
diese Momente ganz beseitigt, könnte nur dazu führen, das Uebel zu ver¬<lb/>
schlimmern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_598"> Diejenigen nun, die nicht ganz so weit gehen wollen, fordern wenig¬<lb/>
stens zwangsweise Einführung längerer Zeitpachten von 21&#x2014;31 oder gar<lb/>
63 Jahren (eomxulsoi'7 leases), welche allen gegenwärtigen Pächtern ge-<lb/>
geben werden sollten, während das Gesetz die jetzt meist bestehende tantae^<lb/>
at pill, welche dem Grundherrn das Recht gibt, jederzeit zu kündigen, nicht<lb/>
mehr anerkennen, im Gegentheil präsumiren solle, daß überall eine feste Zeit¬<lb/>
pacht bestehe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_599" next="#ID_600"> Gegen diesen Vorschlag spricht nun, abgesehen von dem bedenklichen Ein¬<lb/>
griff in die Dispositionsfreiheit beider Theile, zunächst der Umstand, daß da<lb/>
wo Zeitpachten bestehen, die Cultur meist auf sehr tiefer Stufe steht und daß<lb/>
Eigenthümer wie Pächter sie nicht lieben.  Ersterer nicht, weil er sich damit<lb/>
die Hände bindet und einen Pächter behalten muß, solange derselbe nur seine<lb/>
Pacht zahlt, dabei aber das Land ruinirt, letzterer nicht, weil bei Gewährung<lb/>
von Zeitpachten die Pachtsumme unfehlbar sehr gesteigert werden würde, eben<lb/>
weil der Eigenthümer sich für die Dauer des Termins seines Rechtes be¬<lb/>
gibt, den Beirag zu erhöhen.  Außerdem aber würden solche Zeltpachten<lb/>
nie den Pächter vor Eviction schützen können, wenn er seinen Verbindlich¬<lb/>
keiten nicht nachkommt. Jede Zeitpacht aber muß außer der Zahlung der Pacht<lb/>
stipuliren, daß das Land in gutem Zustand erhalten und eine richtige Frucht¬<lb/>
folge beobachtet werde, daß keine Afterpacht und Theilung der Farm statt¬<lb/>
finde. Denn nichts ist empfindlicher, als der Boden. Schlechte Wirthschaft kann<lb/>
ihn in wenigen Jahren so ruiniren, daß man ein Drittheil seines Werthes<lb/>
aufwenden muß, um ihm seine frühere Fruchtbarkeit wiederzugeben. Zu<lb/>
einer solchen nachhaltig guten Wirthschaft aber ist die Mehrzahl der irischen<lb/>
Pächter unfähig, weil sie arm, verschuldet und unwissend sind und deshalb<lb/>
nicht an Verbesserungen denken können, für die vielmehr jetzt fast ausschlie߬<lb/>
lich die Grundherren das Capital hergeben.  Wo diese Regel nicht zutrifft,<lb/>
wo der Eigenthümer nur irgend Grund hat, anzunehmen, daß der Pächter<lb/>
vernünftig wirthschaften wird, da gibt er schon jetzt gern Zeitpachte, sowie<lb/>
auch ohne solche Niemand daran denkt, einem ordentlichen Pächter zu kün¬<lb/>
digen aus dem einfachen Grunde, weil die Chancen 10 gegen 1 stehen, daß<lb/>
er einen schlechteren wiederbekommt.  Aber wir vermögen nicht einzusehen,<lb/>
wie der jetzige Zustand schlechter Cultur dadurch gebessert werden soll, daß<lb/>
man dem irischen Pächter Privilegien gibt, die in keinem anderen Lande</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0221] Canon zahlte. Ebendeshalb würde diese Sicherheit im Besitz dem Pächter jeden Antrieb zur Verbesserung der Cultur nehmen; der Jrländer braucht Aufsicht und den Stachel einer möglichen Kündigung, um sein Land nur nicht geradezu zu vernachlässigen; das vorgeschlagene Mittel aber, welches diese Momente ganz beseitigt, könnte nur dazu führen, das Uebel zu ver¬ schlimmern. Diejenigen nun, die nicht ganz so weit gehen wollen, fordern wenig¬ stens zwangsweise Einführung längerer Zeitpachten von 21—31 oder gar 63 Jahren (eomxulsoi'7 leases), welche allen gegenwärtigen Pächtern ge- geben werden sollten, während das Gesetz die jetzt meist bestehende tantae^ at pill, welche dem Grundherrn das Recht gibt, jederzeit zu kündigen, nicht mehr anerkennen, im Gegentheil präsumiren solle, daß überall eine feste Zeit¬ pacht bestehe. Gegen diesen Vorschlag spricht nun, abgesehen von dem bedenklichen Ein¬ griff in die Dispositionsfreiheit beider Theile, zunächst der Umstand, daß da wo Zeitpachten bestehen, die Cultur meist auf sehr tiefer Stufe steht und daß Eigenthümer wie Pächter sie nicht lieben. Ersterer nicht, weil er sich damit die Hände bindet und einen Pächter behalten muß, solange derselbe nur seine Pacht zahlt, dabei aber das Land ruinirt, letzterer nicht, weil bei Gewährung von Zeitpachten die Pachtsumme unfehlbar sehr gesteigert werden würde, eben weil der Eigenthümer sich für die Dauer des Termins seines Rechtes be¬ gibt, den Beirag zu erhöhen. Außerdem aber würden solche Zeltpachten nie den Pächter vor Eviction schützen können, wenn er seinen Verbindlich¬ keiten nicht nachkommt. Jede Zeitpacht aber muß außer der Zahlung der Pacht stipuliren, daß das Land in gutem Zustand erhalten und eine richtige Frucht¬ folge beobachtet werde, daß keine Afterpacht und Theilung der Farm statt¬ finde. Denn nichts ist empfindlicher, als der Boden. Schlechte Wirthschaft kann ihn in wenigen Jahren so ruiniren, daß man ein Drittheil seines Werthes aufwenden muß, um ihm seine frühere Fruchtbarkeit wiederzugeben. Zu einer solchen nachhaltig guten Wirthschaft aber ist die Mehrzahl der irischen Pächter unfähig, weil sie arm, verschuldet und unwissend sind und deshalb nicht an Verbesserungen denken können, für die vielmehr jetzt fast ausschlie߬ lich die Grundherren das Capital hergeben. Wo diese Regel nicht zutrifft, wo der Eigenthümer nur irgend Grund hat, anzunehmen, daß der Pächter vernünftig wirthschaften wird, da gibt er schon jetzt gern Zeitpachte, sowie auch ohne solche Niemand daran denkt, einem ordentlichen Pächter zu kün¬ digen aus dem einfachen Grunde, weil die Chancen 10 gegen 1 stehen, daß er einen schlechteren wiederbekommt. Aber wir vermögen nicht einzusehen, wie der jetzige Zustand schlechter Cultur dadurch gebessert werden soll, daß man dem irischen Pächter Privilegien gibt, die in keinem anderen Lande

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/221
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/221>, abgerufen am 26.06.2024.