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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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politischen Rücksichten zu wahren, also z. B. das Saarbrückener Revier nicht in
französische Hände gelangen zu lassen.

Aber auch in die Privatindustrie der Geldwirthschaft greift der Staat
mit Bank und Seehandlung über. Wir wollen erstere ebenso wie die Eisen¬
bahnen einer speciellen Erörterung vorbehalten und hier nur die Seehand¬
lung betrachten, gegen deren Aufhebung Herr Camphausen sich bestimmt aus¬
gesprochen hat. Diese Handelsgesellschaft ward von Friedrich dem Großen
durch Patent vom 14. October 1772 errichtet; es ward ihr ein Import-
Monopol für fremdes Seesalz und polnisches Wachs gegeben, für andere
Artikel wie Holz wurde sie bevorzugt und erhielt unentgeltlich vom Staate be¬
deutende Plätze zu Schiffswerften. Sie ward zwar in der Form einer Actien-
gesellschaft reconsNtuirt, aber der Staat reservirte sich 2100 Actien von dem
Gesammtbetrcig von 2400, sie stand ferner vollständig unter Staatsleitung
und ward bald das Hauptorgan, um für Deckung außergewöhnlicher Aus¬
gaben Capital zu beschaffen, sie vermittelte den Abschluß von Staatsanlehen,
deren Verzinsung und Amortisation. 1811 wurden auch die in Privatbesitz
befindlichen Actien gegen Staatsschuldscheine ausgetauscht, sodaß die Seehand¬
lung nunmehr reines Staatsinstitut wurde.

Jemehr sich die Privatindustrie entwickelte, um so drückender mußte die
Concurrenz einer solchen bevorzugten Anstalt werden. Dabei waren ihre Re¬
sultate keineswegs glänzend und sie mußte in schwierigen Zeiten wie 1843
und 1848 Anlehen von je 1 Mill. bei dem Staatsschatz machen; ihre Acten
in den zwanziger und dreißiger Jahren würden übrigens manche bedenkliche
Nachweise liefern, wie auf Befehl des Königs die Seehandlung verschuldeten
Privaten hat beispringen müssen. Das wird allerdings seit der Cabinets-
ordre von 1845, welche ihren Wirkungskreis neu regulirte und namentlich
seit die Verfassung ins Leben getreten, nicht mehr vorgekommen sein, aber
einestheils waren selbst unter Camphausens umsichtiger Leitung die Resul¬
tate nicht sehr glänzend, 700,000 Thlr. sind bei einem auf 11 Mill. ver¬
anschlagten Capitalvermögen für Bank- und Jndustriegeschäfte kein hoher
Ertrag, wenn man veranschlagt, daß solide Institute der Art, wie z. B.
die Berliner Handelsgesellschaft, 8--10 Proc. geben und daß die Seehand¬
lung bei ihren Operationen den Credit des Staates einzusetzen hat. Ein
anderer Gesichtspunkt, der gegen ihre Fortdauer ins Gewicht fällt, ist der
konstitutionelle, daß nach der Verfassung die Ausnahme von Anleihen für
die Staatscasse nur auf Grund eines Gesetzes stattfindet. Der Chef und die
Mitglieder der Staatsschuldenverwaltung haben außer ihrem Eid auf die
Verfassung noch einen besonderen Eid zu leisten, daß sie kein Staatsschulden-
document über den in den bestehenden oder in Zukunft zu erlassenden Ge-


politischen Rücksichten zu wahren, also z. B. das Saarbrückener Revier nicht in
französische Hände gelangen zu lassen.

Aber auch in die Privatindustrie der Geldwirthschaft greift der Staat
mit Bank und Seehandlung über. Wir wollen erstere ebenso wie die Eisen¬
bahnen einer speciellen Erörterung vorbehalten und hier nur die Seehand¬
lung betrachten, gegen deren Aufhebung Herr Camphausen sich bestimmt aus¬
gesprochen hat. Diese Handelsgesellschaft ward von Friedrich dem Großen
durch Patent vom 14. October 1772 errichtet; es ward ihr ein Import-
Monopol für fremdes Seesalz und polnisches Wachs gegeben, für andere
Artikel wie Holz wurde sie bevorzugt und erhielt unentgeltlich vom Staate be¬
deutende Plätze zu Schiffswerften. Sie ward zwar in der Form einer Actien-
gesellschaft reconsNtuirt, aber der Staat reservirte sich 2100 Actien von dem
Gesammtbetrcig von 2400, sie stand ferner vollständig unter Staatsleitung
und ward bald das Hauptorgan, um für Deckung außergewöhnlicher Aus¬
gaben Capital zu beschaffen, sie vermittelte den Abschluß von Staatsanlehen,
deren Verzinsung und Amortisation. 1811 wurden auch die in Privatbesitz
befindlichen Actien gegen Staatsschuldscheine ausgetauscht, sodaß die Seehand¬
lung nunmehr reines Staatsinstitut wurde.

Jemehr sich die Privatindustrie entwickelte, um so drückender mußte die
Concurrenz einer solchen bevorzugten Anstalt werden. Dabei waren ihre Re¬
sultate keineswegs glänzend und sie mußte in schwierigen Zeiten wie 1843
und 1848 Anlehen von je 1 Mill. bei dem Staatsschatz machen; ihre Acten
in den zwanziger und dreißiger Jahren würden übrigens manche bedenkliche
Nachweise liefern, wie auf Befehl des Königs die Seehandlung verschuldeten
Privaten hat beispringen müssen. Das wird allerdings seit der Cabinets-
ordre von 1845, welche ihren Wirkungskreis neu regulirte und namentlich
seit die Verfassung ins Leben getreten, nicht mehr vorgekommen sein, aber
einestheils waren selbst unter Camphausens umsichtiger Leitung die Resul¬
tate nicht sehr glänzend, 700,000 Thlr. sind bei einem auf 11 Mill. ver¬
anschlagten Capitalvermögen für Bank- und Jndustriegeschäfte kein hoher
Ertrag, wenn man veranschlagt, daß solide Institute der Art, wie z. B.
die Berliner Handelsgesellschaft, 8—10 Proc. geben und daß die Seehand¬
lung bei ihren Operationen den Credit des Staates einzusetzen hat. Ein
anderer Gesichtspunkt, der gegen ihre Fortdauer ins Gewicht fällt, ist der
konstitutionelle, daß nach der Verfassung die Ausnahme von Anleihen für
die Staatscasse nur auf Grund eines Gesetzes stattfindet. Der Chef und die
Mitglieder der Staatsschuldenverwaltung haben außer ihrem Eid auf die
Verfassung noch einen besonderen Eid zu leisten, daß sie kein Staatsschulden-
document über den in den bestehenden oder in Zukunft zu erlassenden Ge-


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[0214] politischen Rücksichten zu wahren, also z. B. das Saarbrückener Revier nicht in französische Hände gelangen zu lassen. Aber auch in die Privatindustrie der Geldwirthschaft greift der Staat mit Bank und Seehandlung über. Wir wollen erstere ebenso wie die Eisen¬ bahnen einer speciellen Erörterung vorbehalten und hier nur die Seehand¬ lung betrachten, gegen deren Aufhebung Herr Camphausen sich bestimmt aus¬ gesprochen hat. Diese Handelsgesellschaft ward von Friedrich dem Großen durch Patent vom 14. October 1772 errichtet; es ward ihr ein Import- Monopol für fremdes Seesalz und polnisches Wachs gegeben, für andere Artikel wie Holz wurde sie bevorzugt und erhielt unentgeltlich vom Staate be¬ deutende Plätze zu Schiffswerften. Sie ward zwar in der Form einer Actien- gesellschaft reconsNtuirt, aber der Staat reservirte sich 2100 Actien von dem Gesammtbetrcig von 2400, sie stand ferner vollständig unter Staatsleitung und ward bald das Hauptorgan, um für Deckung außergewöhnlicher Aus¬ gaben Capital zu beschaffen, sie vermittelte den Abschluß von Staatsanlehen, deren Verzinsung und Amortisation. 1811 wurden auch die in Privatbesitz befindlichen Actien gegen Staatsschuldscheine ausgetauscht, sodaß die Seehand¬ lung nunmehr reines Staatsinstitut wurde. Jemehr sich die Privatindustrie entwickelte, um so drückender mußte die Concurrenz einer solchen bevorzugten Anstalt werden. Dabei waren ihre Re¬ sultate keineswegs glänzend und sie mußte in schwierigen Zeiten wie 1843 und 1848 Anlehen von je 1 Mill. bei dem Staatsschatz machen; ihre Acten in den zwanziger und dreißiger Jahren würden übrigens manche bedenkliche Nachweise liefern, wie auf Befehl des Königs die Seehandlung verschuldeten Privaten hat beispringen müssen. Das wird allerdings seit der Cabinets- ordre von 1845, welche ihren Wirkungskreis neu regulirte und namentlich seit die Verfassung ins Leben getreten, nicht mehr vorgekommen sein, aber einestheils waren selbst unter Camphausens umsichtiger Leitung die Resul¬ tate nicht sehr glänzend, 700,000 Thlr. sind bei einem auf 11 Mill. ver¬ anschlagten Capitalvermögen für Bank- und Jndustriegeschäfte kein hoher Ertrag, wenn man veranschlagt, daß solide Institute der Art, wie z. B. die Berliner Handelsgesellschaft, 8—10 Proc. geben und daß die Seehand¬ lung bei ihren Operationen den Credit des Staates einzusetzen hat. Ein anderer Gesichtspunkt, der gegen ihre Fortdauer ins Gewicht fällt, ist der konstitutionelle, daß nach der Verfassung die Ausnahme von Anleihen für die Staatscasse nur auf Grund eines Gesetzes stattfindet. Der Chef und die Mitglieder der Staatsschuldenverwaltung haben außer ihrem Eid auf die Verfassung noch einen besonderen Eid zu leisten, daß sie kein Staatsschulden- document über den in den bestehenden oder in Zukunft zu erlassenden Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/214>, abgerufen am 26.06.2024.