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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Wenn man z. B. behauptet, daß die Erhaltung der Domänen für die Siche¬
rung des Staatscredits nothwendig sei, so ist darauf zu erwidern, daß die
Einkünfte aus denselben jetzt fast überall nur einen sehr geringen Theil der
Staatseinnahmen bilden (in Preußen 1869: 7.700,000 Thlr. bei einem Bud¬
get von 167 Mill.) und durch Mißwachs, Krieg:c. eben solchen Schwankungen
unterliegen, wie andere Einnahmequellen. England, welches so gut wie gar
keine Domänen mehr hat, erfreut sich des sichersten Credites, der Oestreichs
oder Spaniens, die große Staatsgüter haben, steht auf tiefer Stufe. Auf den
fernern Einwand, daß die Einkünfte der Domänen stetig steigen (was übrigens
nicht einmal der Fall ist, namentlich nicht in schlechten Zeiten), ist zu ent¬
gegnen, daß einestheils der Ertrag, den der Staat daraus zieht, notorisch sehr
viel geringer ist als der, den Privatleute durch Verpachtung erzielen, daß man
aber, wenn dies auch nicht der Fall wäre, durch Abzahlung von Schulden mit
dem Verkaufserlös jedenfalls eine weit größere Summe an Zinsen ersparen
würde. Außerdem erhält die Regierung bei dem Verkauf neue Steuerobjecte,
welche den Ertrag der Grundsteuer und anderer Abgaben steigern müssen. Die
Meinung endlich, welche in der Erhaltung der Domänen eine besondere
Sicherung der Fürstenwürde sieht, verdient wohl kaum eine Widerlegung
für Länder in denen das Kroneinkommen von dem Staatsvermögen geschie¬
den ist, und was ersteres betrifft, so kann dasselbe ja gerne wie es in Preußen
der Fall ist, auf Domänen reducirt bleiben. Dagegen spricht noch besonders
gegen die Beibehaltung der Domänen, daß diese Einnahmen unabhängig von
jeder Einwirkung der Volksvertretung sind und daß diese niemals genau con-
troliren kann, wie es mit den Erträgen derselben steht. Allerdings dürfte der
Verkauf nur langsam vor sich gehen, weil durch ein plötzliches Massenan¬
gebot der Preis der Güter zum Schaden des Staates wie der Privaten ge¬
drückt werden würde und außerdem wäre gesetzlich festzusetzen, daß der Erlös
n.ur zur Schuldentilgung zu verwenden wäre, während gegenwärtig in
Preußen das tadelnswerthe Verfahren eingerissen ist, den Ertrag von Do¬
mänenverkäufen unter den jährlichen Einnahmen im Budget aufzuführen.

Ganz dieselben Gründe gelten für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen,
bei welchem außerdem noch in Betracht kommt, daß der Bergbau größere
Beweglichkeit und aufmerksameren Betrieb verlangt als die Landwirthschaft.
Der Reinertrag war bei einer Bruttoeinnahme von ca. 23 Mill. Thlr. nur
etwas über 4 Mill. im I. 1869, wonach also das Capitalvermögen nur ca.
100 Mill. Thlr. wäre, während, als 1866--1866 der Verkauf des Saar¬
brückener Kohlenlagers in Frage war, hierfür allein als Kaufsumme 60 Mill.
Thlr. genannt ward. Auch auf diesem Gebiet empfiehlt es sich dringend
mit Verkäufen vorzugehen, wobei die Regierung es in der Hand hat die


Wenn man z. B. behauptet, daß die Erhaltung der Domänen für die Siche¬
rung des Staatscredits nothwendig sei, so ist darauf zu erwidern, daß die
Einkünfte aus denselben jetzt fast überall nur einen sehr geringen Theil der
Staatseinnahmen bilden (in Preußen 1869: 7.700,000 Thlr. bei einem Bud¬
get von 167 Mill.) und durch Mißwachs, Krieg:c. eben solchen Schwankungen
unterliegen, wie andere Einnahmequellen. England, welches so gut wie gar
keine Domänen mehr hat, erfreut sich des sichersten Credites, der Oestreichs
oder Spaniens, die große Staatsgüter haben, steht auf tiefer Stufe. Auf den
fernern Einwand, daß die Einkünfte der Domänen stetig steigen (was übrigens
nicht einmal der Fall ist, namentlich nicht in schlechten Zeiten), ist zu ent¬
gegnen, daß einestheils der Ertrag, den der Staat daraus zieht, notorisch sehr
viel geringer ist als der, den Privatleute durch Verpachtung erzielen, daß man
aber, wenn dies auch nicht der Fall wäre, durch Abzahlung von Schulden mit
dem Verkaufserlös jedenfalls eine weit größere Summe an Zinsen ersparen
würde. Außerdem erhält die Regierung bei dem Verkauf neue Steuerobjecte,
welche den Ertrag der Grundsteuer und anderer Abgaben steigern müssen. Die
Meinung endlich, welche in der Erhaltung der Domänen eine besondere
Sicherung der Fürstenwürde sieht, verdient wohl kaum eine Widerlegung
für Länder in denen das Kroneinkommen von dem Staatsvermögen geschie¬
den ist, und was ersteres betrifft, so kann dasselbe ja gerne wie es in Preußen
der Fall ist, auf Domänen reducirt bleiben. Dagegen spricht noch besonders
gegen die Beibehaltung der Domänen, daß diese Einnahmen unabhängig von
jeder Einwirkung der Volksvertretung sind und daß diese niemals genau con-
troliren kann, wie es mit den Erträgen derselben steht. Allerdings dürfte der
Verkauf nur langsam vor sich gehen, weil durch ein plötzliches Massenan¬
gebot der Preis der Güter zum Schaden des Staates wie der Privaten ge¬
drückt werden würde und außerdem wäre gesetzlich festzusetzen, daß der Erlös
n.ur zur Schuldentilgung zu verwenden wäre, während gegenwärtig in
Preußen das tadelnswerthe Verfahren eingerissen ist, den Ertrag von Do¬
mänenverkäufen unter den jährlichen Einnahmen im Budget aufzuführen.

Ganz dieselben Gründe gelten für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen,
bei welchem außerdem noch in Betracht kommt, daß der Bergbau größere
Beweglichkeit und aufmerksameren Betrieb verlangt als die Landwirthschaft.
Der Reinertrag war bei einer Bruttoeinnahme von ca. 23 Mill. Thlr. nur
etwas über 4 Mill. im I. 1869, wonach also das Capitalvermögen nur ca.
100 Mill. Thlr. wäre, während, als 1866—1866 der Verkauf des Saar¬
brückener Kohlenlagers in Frage war, hierfür allein als Kaufsumme 60 Mill.
Thlr. genannt ward. Auch auf diesem Gebiet empfiehlt es sich dringend
mit Verkäufen vorzugehen, wobei die Regierung es in der Hand hat die


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[0213] Wenn man z. B. behauptet, daß die Erhaltung der Domänen für die Siche¬ rung des Staatscredits nothwendig sei, so ist darauf zu erwidern, daß die Einkünfte aus denselben jetzt fast überall nur einen sehr geringen Theil der Staatseinnahmen bilden (in Preußen 1869: 7.700,000 Thlr. bei einem Bud¬ get von 167 Mill.) und durch Mißwachs, Krieg:c. eben solchen Schwankungen unterliegen, wie andere Einnahmequellen. England, welches so gut wie gar keine Domänen mehr hat, erfreut sich des sichersten Credites, der Oestreichs oder Spaniens, die große Staatsgüter haben, steht auf tiefer Stufe. Auf den fernern Einwand, daß die Einkünfte der Domänen stetig steigen (was übrigens nicht einmal der Fall ist, namentlich nicht in schlechten Zeiten), ist zu ent¬ gegnen, daß einestheils der Ertrag, den der Staat daraus zieht, notorisch sehr viel geringer ist als der, den Privatleute durch Verpachtung erzielen, daß man aber, wenn dies auch nicht der Fall wäre, durch Abzahlung von Schulden mit dem Verkaufserlös jedenfalls eine weit größere Summe an Zinsen ersparen würde. Außerdem erhält die Regierung bei dem Verkauf neue Steuerobjecte, welche den Ertrag der Grundsteuer und anderer Abgaben steigern müssen. Die Meinung endlich, welche in der Erhaltung der Domänen eine besondere Sicherung der Fürstenwürde sieht, verdient wohl kaum eine Widerlegung für Länder in denen das Kroneinkommen von dem Staatsvermögen geschie¬ den ist, und was ersteres betrifft, so kann dasselbe ja gerne wie es in Preußen der Fall ist, auf Domänen reducirt bleiben. Dagegen spricht noch besonders gegen die Beibehaltung der Domänen, daß diese Einnahmen unabhängig von jeder Einwirkung der Volksvertretung sind und daß diese niemals genau con- troliren kann, wie es mit den Erträgen derselben steht. Allerdings dürfte der Verkauf nur langsam vor sich gehen, weil durch ein plötzliches Massenan¬ gebot der Preis der Güter zum Schaden des Staates wie der Privaten ge¬ drückt werden würde und außerdem wäre gesetzlich festzusetzen, daß der Erlös n.ur zur Schuldentilgung zu verwenden wäre, während gegenwärtig in Preußen das tadelnswerthe Verfahren eingerissen ist, den Ertrag von Do¬ mänenverkäufen unter den jährlichen Einnahmen im Budget aufzuführen. Ganz dieselben Gründe gelten für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen, bei welchem außerdem noch in Betracht kommt, daß der Bergbau größere Beweglichkeit und aufmerksameren Betrieb verlangt als die Landwirthschaft. Der Reinertrag war bei einer Bruttoeinnahme von ca. 23 Mill. Thlr. nur etwas über 4 Mill. im I. 1869, wonach also das Capitalvermögen nur ca. 100 Mill. Thlr. wäre, während, als 1866—1866 der Verkauf des Saar¬ brückener Kohlenlagers in Frage war, hierfür allein als Kaufsumme 60 Mill. Thlr. genannt ward. Auch auf diesem Gebiet empfiehlt es sich dringend mit Verkäufen vorzugehen, wobei die Regierung es in der Hand hat die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/213>, abgerufen am 26.06.2024.