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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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werden, also um diesen Betrag die Activa im Verhältniß zu den Passivis
steigen, so ergibt sich für das Staatsvermögen abzüglich der Schulden und
Lasten an Renten und Kosten ein jährlicher Ertrag von ca. Mill.
Thaler und ein Capitalbetrag von ca. 368 Mill., als reiner Activwerth,
ein Resultat, um welches wohl jeder Staat Preußen beneiden könnte. Aber
so vortrefflich diese Lage an sich ist, so könnte sie wirthschaftlich doch noch
weit besser verwerthet werden. Der Fiscus ist in Preußen noch in viel zu
hohem Grade selbständiger volkswirtschaftlicher Unternehmer, der seinen eige¬
nen Angehörigen Concurrenz macht. Der Staat soll aber grundsätzlich sich
nicht in gewerbliche Unternehmungen einlassen, sondern nur die Zwecke er¬
füllen, welche die einzelnen Bürger oder Corporationen nicht erreichen können;
er kräftigt sich durch die Wohlhabenheit seiner Angehörigen mehr als durch
Ansammlung eines eigenen großen Vermögens, mag dasselbe auch an sich
noch so procenttragend sein. Eine Ausnahme erleidet diese Regel nur in
solchen Fällen, wo die Staatsverwaltung dem Volke Vortheile bietet, welche
durch Privatindustne nicht zu erreichen sind und wo die Einheitlichkeit der
Verwaltung durchaus nothwendig ist. Also einmal da, wo sich ohne ein
Monopol kein Einzelner finden würde, welcher die Aufgabe so gut erfüllte,
als es der Staat vermag: so beim Post-, Telegraphie- und Münzwesen, an¬
dererseits da, wo ein überwiegendes nationales Interesse gebietet, den Finanz¬
punkt hintenanzusetzen, wie es bei der Forstverwaltung der Fall ist. So
lange die Bedenken, welche sich mit Rücksicht auf Klima und Bodenbeschaffen¬
heit gegen die Entwaldung erhoben, nicht widerlegt sind, werden die
Staatswaldungen zu erhalten sein. Eine bloße staatliche Oberaufsicht
über alle Waldungen, kraft deren nur eine rationelle Ausrodung zu¬
gelassen würde, könnte dem fortschreitenden Verschwinden des Waldes
schwerlich steuern, abgesehen von den mannigfachen Nachtheilen, welche eine
staatliche Bevormundung der Privatwaldwirthschaft mit sich führt. Von
solchen Fällen abgesehen, gilt von allem Staatsbetriebe, daß derselbe

1) theurer und schwerfälliger ist. als der der Privaten,

2) daß dadurch in der Regierung künstlich widersprechende Interessen
geschaffen werden, indem sie einerseits die Pflicht hat, für alle ihre Anhöri¬
gen gleichmäßig zu sorgen und andererseits doch wieder aus ihrer eigenen
gewerblichen Thätigkeit möglichst hohen Gewinn ziehen will, also den eigenen
Bürgern Concurrenz macht,

3) daß dadurch die schädliche Vielregiererei und Einmischung in Privat¬
verhältnisse befördert und die Zahl der von der Regierung abhängigen Men¬
schen vermehrt wird.

Gegen diese durchgreifenden Gründe verschlagen diejenigen wenig oder
nichts, welche für die einzelnen Zweige der Staatsthätigkeit angeführt werden.


werden, also um diesen Betrag die Activa im Verhältniß zu den Passivis
steigen, so ergibt sich für das Staatsvermögen abzüglich der Schulden und
Lasten an Renten und Kosten ein jährlicher Ertrag von ca. Mill.
Thaler und ein Capitalbetrag von ca. 368 Mill., als reiner Activwerth,
ein Resultat, um welches wohl jeder Staat Preußen beneiden könnte. Aber
so vortrefflich diese Lage an sich ist, so könnte sie wirthschaftlich doch noch
weit besser verwerthet werden. Der Fiscus ist in Preußen noch in viel zu
hohem Grade selbständiger volkswirtschaftlicher Unternehmer, der seinen eige¬
nen Angehörigen Concurrenz macht. Der Staat soll aber grundsätzlich sich
nicht in gewerbliche Unternehmungen einlassen, sondern nur die Zwecke er¬
füllen, welche die einzelnen Bürger oder Corporationen nicht erreichen können;
er kräftigt sich durch die Wohlhabenheit seiner Angehörigen mehr als durch
Ansammlung eines eigenen großen Vermögens, mag dasselbe auch an sich
noch so procenttragend sein. Eine Ausnahme erleidet diese Regel nur in
solchen Fällen, wo die Staatsverwaltung dem Volke Vortheile bietet, welche
durch Privatindustne nicht zu erreichen sind und wo die Einheitlichkeit der
Verwaltung durchaus nothwendig ist. Also einmal da, wo sich ohne ein
Monopol kein Einzelner finden würde, welcher die Aufgabe so gut erfüllte,
als es der Staat vermag: so beim Post-, Telegraphie- und Münzwesen, an¬
dererseits da, wo ein überwiegendes nationales Interesse gebietet, den Finanz¬
punkt hintenanzusetzen, wie es bei der Forstverwaltung der Fall ist. So
lange die Bedenken, welche sich mit Rücksicht auf Klima und Bodenbeschaffen¬
heit gegen die Entwaldung erhoben, nicht widerlegt sind, werden die
Staatswaldungen zu erhalten sein. Eine bloße staatliche Oberaufsicht
über alle Waldungen, kraft deren nur eine rationelle Ausrodung zu¬
gelassen würde, könnte dem fortschreitenden Verschwinden des Waldes
schwerlich steuern, abgesehen von den mannigfachen Nachtheilen, welche eine
staatliche Bevormundung der Privatwaldwirthschaft mit sich führt. Von
solchen Fällen abgesehen, gilt von allem Staatsbetriebe, daß derselbe

1) theurer und schwerfälliger ist. als der der Privaten,

2) daß dadurch in der Regierung künstlich widersprechende Interessen
geschaffen werden, indem sie einerseits die Pflicht hat, für alle ihre Anhöri¬
gen gleichmäßig zu sorgen und andererseits doch wieder aus ihrer eigenen
gewerblichen Thätigkeit möglichst hohen Gewinn ziehen will, also den eigenen
Bürgern Concurrenz macht,

3) daß dadurch die schädliche Vielregiererei und Einmischung in Privat¬
verhältnisse befördert und die Zahl der von der Regierung abhängigen Men¬
schen vermehrt wird.

Gegen diese durchgreifenden Gründe verschlagen diejenigen wenig oder
nichts, welche für die einzelnen Zweige der Staatsthätigkeit angeführt werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/212>, abgerufen am 26.06.2024.