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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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den nach dem adoptirten Bennigsen'schen Amendement die etatsmäßig sich
ergebenden Ueberschüsse der Einnahmen zur Tilgung der neuen consolidutm
Anleihe verwandt, soweit nicht anderweitig im Staatshaushaltsgesetz darüber
verfügt wird. Man hat wohl empfohlen, bei der Conversion eine Zprocentige
Rente zu schaffen und für jede 4'/>-procentige jetzige Schuldobligation eine
Zprocentige Rente auf 160 Thlr. zu geben, da dieser Zinsfuß durch die eng¬
lischen Consols und die -französische Rente eine Art internationaler Bedeu¬
tung habe. Aber es ist klar, daß die Zprocentige Rente nur Vortheile bietet,
wenn sie, wie in England, verhältnißmäßig höher steht als der durchschnittliche
Zinsfuß vom Hundert ist. Auch in Frankreich war dies der Fall, als Villele
die Zprocentige Rente schuf. Außerdem aber kommen, wie Camphausen
richtig bemerkte und aus dem verhältnißmäßig niedrigen Stand der 4pro-
centigen Papiere nachwies, die öconomischen Gewohnheiten des Publicums
in Betracht und in Deutschland gilt eben 4^2 Proc. als der Normalsatz eines
soliden Staatspapiers. Von der Opposition der Börse hört man nichts mehr
und da der Minister im Stande ist, sofort nach Annahme des Gesetzes den
unbegebenen Theil der Eisenbahnanleihe von 1868 als Rente auszugeben,
sowie an 80 Mill. 4 und 4^procentiger Papiere, welche als Capital der
Pensions- und anderen Cassen seinem Einfluß unterliegen, zu convertiren, so
darf man auch wohl materiell die Operation schon jetzt als gelungen betrach¬
ten und annehmen, daß die Gläubiger sich gern mit einer Prämie von
1 Proc. begnügen. Es hätte unserer Ansicht nach sogar kaum etwas im
Wege gestanden, die Konversion auf solche Bedingungen hin obligatorisch zu
machen; freilich wäre ein derartiger Zwang gegen die Regierung ausgebeutet
worden, während die Freiwilligkeit der Maßregel jeden Einwand der Gläubiger
abschneidet. Wir sehen also in dem so zu Stande gekommenen Gesetze einen
großen Fortschritt gesunder finanzieller Principien und die Demokratie, welche
dasselbe bekämpfte, that dies zum wesentlichen Theile deshalb, weil sie keine
Beseitigung des Deficits wollte, welches die Regierung verwundbar machte.
Nur in einem Punkte müssen wir ihrem befähigtsten Vertreter in diesen Fragen,
dem Abg. Richter, beitreten, nämlich darin, daß es wünschenswert) sei, das
Activvermögen des Staates successive theilweise zu realisiren und damit Schulden
abzubezahlen. Jenes active Staatsvermögen, wie es durch Domänen, Forsten,
Bergwerke, Salinen, Eisenbahnen, Bank, Seehandlung und eine Reihe klei¬
nerer Posten repräsentirt wird, ergab für das Jahr 1869 nach Abzug der
Kosten und Veräußerungen von Activis einen Reinertrag von 38,126,167 Thlr.,
dem ein Betrag von nur 26.704,630 Thlr. an Verzinsung und Tilgung der
Schulden gegenübersteht, welche durch das neue Conversionsgesetz auf 22,271,776
Thaler herabgemindert wird. Nimmt man nun in Betracht, daß auch in
Zukunft noch regelmäßig 6,200,000 Thlr. zur Schuldentilgung verwandt


den nach dem adoptirten Bennigsen'schen Amendement die etatsmäßig sich
ergebenden Ueberschüsse der Einnahmen zur Tilgung der neuen consolidutm
Anleihe verwandt, soweit nicht anderweitig im Staatshaushaltsgesetz darüber
verfügt wird. Man hat wohl empfohlen, bei der Conversion eine Zprocentige
Rente zu schaffen und für jede 4'/>-procentige jetzige Schuldobligation eine
Zprocentige Rente auf 160 Thlr. zu geben, da dieser Zinsfuß durch die eng¬
lischen Consols und die -französische Rente eine Art internationaler Bedeu¬
tung habe. Aber es ist klar, daß die Zprocentige Rente nur Vortheile bietet,
wenn sie, wie in England, verhältnißmäßig höher steht als der durchschnittliche
Zinsfuß vom Hundert ist. Auch in Frankreich war dies der Fall, als Villele
die Zprocentige Rente schuf. Außerdem aber kommen, wie Camphausen
richtig bemerkte und aus dem verhältnißmäßig niedrigen Stand der 4pro-
centigen Papiere nachwies, die öconomischen Gewohnheiten des Publicums
in Betracht und in Deutschland gilt eben 4^2 Proc. als der Normalsatz eines
soliden Staatspapiers. Von der Opposition der Börse hört man nichts mehr
und da der Minister im Stande ist, sofort nach Annahme des Gesetzes den
unbegebenen Theil der Eisenbahnanleihe von 1868 als Rente auszugeben,
sowie an 80 Mill. 4 und 4^procentiger Papiere, welche als Capital der
Pensions- und anderen Cassen seinem Einfluß unterliegen, zu convertiren, so
darf man auch wohl materiell die Operation schon jetzt als gelungen betrach¬
ten und annehmen, daß die Gläubiger sich gern mit einer Prämie von
1 Proc. begnügen. Es hätte unserer Ansicht nach sogar kaum etwas im
Wege gestanden, die Konversion auf solche Bedingungen hin obligatorisch zu
machen; freilich wäre ein derartiger Zwang gegen die Regierung ausgebeutet
worden, während die Freiwilligkeit der Maßregel jeden Einwand der Gläubiger
abschneidet. Wir sehen also in dem so zu Stande gekommenen Gesetze einen
großen Fortschritt gesunder finanzieller Principien und die Demokratie, welche
dasselbe bekämpfte, that dies zum wesentlichen Theile deshalb, weil sie keine
Beseitigung des Deficits wollte, welches die Regierung verwundbar machte.
Nur in einem Punkte müssen wir ihrem befähigtsten Vertreter in diesen Fragen,
dem Abg. Richter, beitreten, nämlich darin, daß es wünschenswert) sei, das
Activvermögen des Staates successive theilweise zu realisiren und damit Schulden
abzubezahlen. Jenes active Staatsvermögen, wie es durch Domänen, Forsten,
Bergwerke, Salinen, Eisenbahnen, Bank, Seehandlung und eine Reihe klei¬
nerer Posten repräsentirt wird, ergab für das Jahr 1869 nach Abzug der
Kosten und Veräußerungen von Activis einen Reinertrag von 38,126,167 Thlr.,
dem ein Betrag von nur 26.704,630 Thlr. an Verzinsung und Tilgung der
Schulden gegenübersteht, welche durch das neue Conversionsgesetz auf 22,271,776
Thaler herabgemindert wird. Nimmt man nun in Betracht, daß auch in
Zukunft noch regelmäßig 6,200,000 Thlr. zur Schuldentilgung verwandt


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[0211] den nach dem adoptirten Bennigsen'schen Amendement die etatsmäßig sich ergebenden Ueberschüsse der Einnahmen zur Tilgung der neuen consolidutm Anleihe verwandt, soweit nicht anderweitig im Staatshaushaltsgesetz darüber verfügt wird. Man hat wohl empfohlen, bei der Conversion eine Zprocentige Rente zu schaffen und für jede 4'/>-procentige jetzige Schuldobligation eine Zprocentige Rente auf 160 Thlr. zu geben, da dieser Zinsfuß durch die eng¬ lischen Consols und die -französische Rente eine Art internationaler Bedeu¬ tung habe. Aber es ist klar, daß die Zprocentige Rente nur Vortheile bietet, wenn sie, wie in England, verhältnißmäßig höher steht als der durchschnittliche Zinsfuß vom Hundert ist. Auch in Frankreich war dies der Fall, als Villele die Zprocentige Rente schuf. Außerdem aber kommen, wie Camphausen richtig bemerkte und aus dem verhältnißmäßig niedrigen Stand der 4pro- centigen Papiere nachwies, die öconomischen Gewohnheiten des Publicums in Betracht und in Deutschland gilt eben 4^2 Proc. als der Normalsatz eines soliden Staatspapiers. Von der Opposition der Börse hört man nichts mehr und da der Minister im Stande ist, sofort nach Annahme des Gesetzes den unbegebenen Theil der Eisenbahnanleihe von 1868 als Rente auszugeben, sowie an 80 Mill. 4 und 4^procentiger Papiere, welche als Capital der Pensions- und anderen Cassen seinem Einfluß unterliegen, zu convertiren, so darf man auch wohl materiell die Operation schon jetzt als gelungen betrach¬ ten und annehmen, daß die Gläubiger sich gern mit einer Prämie von 1 Proc. begnügen. Es hätte unserer Ansicht nach sogar kaum etwas im Wege gestanden, die Konversion auf solche Bedingungen hin obligatorisch zu machen; freilich wäre ein derartiger Zwang gegen die Regierung ausgebeutet worden, während die Freiwilligkeit der Maßregel jeden Einwand der Gläubiger abschneidet. Wir sehen also in dem so zu Stande gekommenen Gesetze einen großen Fortschritt gesunder finanzieller Principien und die Demokratie, welche dasselbe bekämpfte, that dies zum wesentlichen Theile deshalb, weil sie keine Beseitigung des Deficits wollte, welches die Regierung verwundbar machte. Nur in einem Punkte müssen wir ihrem befähigtsten Vertreter in diesen Fragen, dem Abg. Richter, beitreten, nämlich darin, daß es wünschenswert) sei, das Activvermögen des Staates successive theilweise zu realisiren und damit Schulden abzubezahlen. Jenes active Staatsvermögen, wie es durch Domänen, Forsten, Bergwerke, Salinen, Eisenbahnen, Bank, Seehandlung und eine Reihe klei¬ nerer Posten repräsentirt wird, ergab für das Jahr 1869 nach Abzug der Kosten und Veräußerungen von Activis einen Reinertrag von 38,126,167 Thlr., dem ein Betrag von nur 26.704,630 Thlr. an Verzinsung und Tilgung der Schulden gegenübersteht, welche durch das neue Conversionsgesetz auf 22,271,776 Thaler herabgemindert wird. Nimmt man nun in Betracht, daß auch in Zukunft noch regelmäßig 6,200,000 Thlr. zur Schuldentilgung verwandt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/211>, abgerufen am 26.06.2024.