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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Caracalla*); alle drei Documente gehören den neuesten Funden an. Sie sind
einmal chronologisch von großer Wichtigkeit, weil sie die vielbestrittenen
Epochen dieser Feldzüge actenmäßig feststellen und die Tage uns kennen leh¬
ren, an welchen die Kaiser aus der Hauptstadt zum Heere abgingen; dann
aber auch, weil sie uns einen eigenthümlichen bisher nicht bekannten Zwölf¬
götterkreis oder vielmehr zwei solcher Kreise kennen lehren derjenigen Mächte,
die als die eigentlichen Kriegsgottheiten von der römischen Gemeinde angerufen
wurden. Bei Traian's erster Abreise aus Rom am 26. März des I. 101 und
wahrscheinlich in gleicher Weise auch bei der zweiten im Anfang Juni 106
gelobte das Collegium für die glückliche und siegreiche Heimkehr des Kaisers aus
den Ländern und Gebieten, die er zu Lande oder zu Wasser betreten würde,
sechs Göttern und sechs Göttinnen je ein großes Opferthier. Die sechs Götter
sind der höchste beste Jovis vom Capitol und der Sieger Jovis, die für
zwei zählen, der Vater Mars und der Sieger Mars, die ebenfalls als ver¬
schiedene Individuen nebeneinander stehen, der Vater Neptunus und der
Hercules Sieger- jedem von ihnen wird ein Stier gelobt, nur den beiden
Jupitern, denen kein Stier geopfert werden darf, statt dessen Ochsen. Die
sechs Göttinnen sind die Königin Juno vom Capitol; die Minerva vom
Capitol, die Salus, die Victoria, die heimführende Fortuna und die Mutter
Vesta; jeder von ihnen geloben die Priester eine Kuh. Diese Opfer wurden
dargebracht für den glücklichen Ausgang derjenigen Kriege, durch welche
Siebenbürgen römisch ward und die den Grund gelegt haben zu der heutigen
Nation der Rumänen. -- In der Hauptsache stimmt damit überein das Opfer,
das ein Jahrhundert später am 11. Aug. 213 gelobt wird, als der Kaiser Cara¬
calla von Rom abgeht um den rätischen Grenzwall zu überschreiten und die
Landesfeinde auszurotten -- jener Grenzwall ist der heute noch vorhandene
Pfahlgraben nördlich von Augsburg, und mit den auszurottenden Landes¬
feinden sind unsere lieben Landsleute am Main gemeint, die damals zuerst
in der Geschichte auftretenden Alemannen. Und als dann dieser Zweck,
wenigstens den kaiserlichen Depeschen zufolge, glücklich erreicht ist und
unsere Vorväter ausgerottet sind, wird den zwölf Göttern das Opfer dar¬
gebracht am 6. October desselben Jahres; es sind dieselben Gottheiten, wie
unter Traian, nur daß statt des einen Mars, des Hercules und des Nep¬
tunus eingetreten sind die beiden Kriegsschutzgeister, die Militärischen Laren
und der Schutzgeist des Kaisers; ferner statt der Mutter Vesta der Schutzgeist



") Auch in Beziehung auf den Suebcnkrieg Domitians im I. 89 erscheinen ähnliche Ge¬
lübde; das Pcrzeichniß der Götter nennt Jupiter, Juno, Minerva, die Salus. die Fortuna,
die heimkehrende Victoria und den Schutzgeist des römischen Volkes. Ist es vollständig, was
zweifelhaft ist. so sind die Zwölfgötter in solchen Fällen im ersten Jahrhundert noch nicht
angerufen worden,

Caracalla*); alle drei Documente gehören den neuesten Funden an. Sie sind
einmal chronologisch von großer Wichtigkeit, weil sie die vielbestrittenen
Epochen dieser Feldzüge actenmäßig feststellen und die Tage uns kennen leh¬
ren, an welchen die Kaiser aus der Hauptstadt zum Heere abgingen; dann
aber auch, weil sie uns einen eigenthümlichen bisher nicht bekannten Zwölf¬
götterkreis oder vielmehr zwei solcher Kreise kennen lehren derjenigen Mächte,
die als die eigentlichen Kriegsgottheiten von der römischen Gemeinde angerufen
wurden. Bei Traian's erster Abreise aus Rom am 26. März des I. 101 und
wahrscheinlich in gleicher Weise auch bei der zweiten im Anfang Juni 106
gelobte das Collegium für die glückliche und siegreiche Heimkehr des Kaisers aus
den Ländern und Gebieten, die er zu Lande oder zu Wasser betreten würde,
sechs Göttern und sechs Göttinnen je ein großes Opferthier. Die sechs Götter
sind der höchste beste Jovis vom Capitol und der Sieger Jovis, die für
zwei zählen, der Vater Mars und der Sieger Mars, die ebenfalls als ver¬
schiedene Individuen nebeneinander stehen, der Vater Neptunus und der
Hercules Sieger- jedem von ihnen wird ein Stier gelobt, nur den beiden
Jupitern, denen kein Stier geopfert werden darf, statt dessen Ochsen. Die
sechs Göttinnen sind die Königin Juno vom Capitol; die Minerva vom
Capitol, die Salus, die Victoria, die heimführende Fortuna und die Mutter
Vesta; jeder von ihnen geloben die Priester eine Kuh. Diese Opfer wurden
dargebracht für den glücklichen Ausgang derjenigen Kriege, durch welche
Siebenbürgen römisch ward und die den Grund gelegt haben zu der heutigen
Nation der Rumänen. — In der Hauptsache stimmt damit überein das Opfer,
das ein Jahrhundert später am 11. Aug. 213 gelobt wird, als der Kaiser Cara¬
calla von Rom abgeht um den rätischen Grenzwall zu überschreiten und die
Landesfeinde auszurotten — jener Grenzwall ist der heute noch vorhandene
Pfahlgraben nördlich von Augsburg, und mit den auszurottenden Landes¬
feinden sind unsere lieben Landsleute am Main gemeint, die damals zuerst
in der Geschichte auftretenden Alemannen. Und als dann dieser Zweck,
wenigstens den kaiserlichen Depeschen zufolge, glücklich erreicht ist und
unsere Vorväter ausgerottet sind, wird den zwölf Göttern das Opfer dar¬
gebracht am 6. October desselben Jahres; es sind dieselben Gottheiten, wie
unter Traian, nur daß statt des einen Mars, des Hercules und des Nep¬
tunus eingetreten sind die beiden Kriegsschutzgeister, die Militärischen Laren
und der Schutzgeist des Kaisers; ferner statt der Mutter Vesta der Schutzgeist



") Auch in Beziehung auf den Suebcnkrieg Domitians im I. 89 erscheinen ähnliche Ge¬
lübde; das Pcrzeichniß der Götter nennt Jupiter, Juno, Minerva, die Salus. die Fortuna,
die heimkehrende Victoria und den Schutzgeist des römischen Volkes. Ist es vollständig, was
zweifelhaft ist. so sind die Zwölfgötter in solchen Fällen im ersten Jahrhundert noch nicht
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[0180] Caracalla*); alle drei Documente gehören den neuesten Funden an. Sie sind einmal chronologisch von großer Wichtigkeit, weil sie die vielbestrittenen Epochen dieser Feldzüge actenmäßig feststellen und die Tage uns kennen leh¬ ren, an welchen die Kaiser aus der Hauptstadt zum Heere abgingen; dann aber auch, weil sie uns einen eigenthümlichen bisher nicht bekannten Zwölf¬ götterkreis oder vielmehr zwei solcher Kreise kennen lehren derjenigen Mächte, die als die eigentlichen Kriegsgottheiten von der römischen Gemeinde angerufen wurden. Bei Traian's erster Abreise aus Rom am 26. März des I. 101 und wahrscheinlich in gleicher Weise auch bei der zweiten im Anfang Juni 106 gelobte das Collegium für die glückliche und siegreiche Heimkehr des Kaisers aus den Ländern und Gebieten, die er zu Lande oder zu Wasser betreten würde, sechs Göttern und sechs Göttinnen je ein großes Opferthier. Die sechs Götter sind der höchste beste Jovis vom Capitol und der Sieger Jovis, die für zwei zählen, der Vater Mars und der Sieger Mars, die ebenfalls als ver¬ schiedene Individuen nebeneinander stehen, der Vater Neptunus und der Hercules Sieger- jedem von ihnen wird ein Stier gelobt, nur den beiden Jupitern, denen kein Stier geopfert werden darf, statt dessen Ochsen. Die sechs Göttinnen sind die Königin Juno vom Capitol; die Minerva vom Capitol, die Salus, die Victoria, die heimführende Fortuna und die Mutter Vesta; jeder von ihnen geloben die Priester eine Kuh. Diese Opfer wurden dargebracht für den glücklichen Ausgang derjenigen Kriege, durch welche Siebenbürgen römisch ward und die den Grund gelegt haben zu der heutigen Nation der Rumänen. — In der Hauptsache stimmt damit überein das Opfer, das ein Jahrhundert später am 11. Aug. 213 gelobt wird, als der Kaiser Cara¬ calla von Rom abgeht um den rätischen Grenzwall zu überschreiten und die Landesfeinde auszurotten — jener Grenzwall ist der heute noch vorhandene Pfahlgraben nördlich von Augsburg, und mit den auszurottenden Landes¬ feinden sind unsere lieben Landsleute am Main gemeint, die damals zuerst in der Geschichte auftretenden Alemannen. Und als dann dieser Zweck, wenigstens den kaiserlichen Depeschen zufolge, glücklich erreicht ist und unsere Vorväter ausgerottet sind, wird den zwölf Göttern das Opfer dar¬ gebracht am 6. October desselben Jahres; es sind dieselben Gottheiten, wie unter Traian, nur daß statt des einen Mars, des Hercules und des Nep¬ tunus eingetreten sind die beiden Kriegsschutzgeister, die Militärischen Laren und der Schutzgeist des Kaisers; ferner statt der Mutter Vesta der Schutzgeist ") Auch in Beziehung auf den Suebcnkrieg Domitians im I. 89 erscheinen ähnliche Ge¬ lübde; das Pcrzeichniß der Götter nennt Jupiter, Juno, Minerva, die Salus. die Fortuna, die heimkehrende Victoria und den Schutzgeist des römischen Volkes. Ist es vollständig, was zweifelhaft ist. so sind die Zwölfgötter in solchen Fällen im ersten Jahrhundert noch nicht angerufen worden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/180>, abgerufen am 26.06.2024.