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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Damit ist die Hainfeier zu Ende, aber noch nicht das Fest. Die fromme
Gesellschaft begibt sich zurück nach Rom und hier folgt nun, nachdem das
Bad eingenommen ist/) im Hause des Vorstehers auf jenes gründliche Früh¬
stück ein wirkliches Diner, von dem unsere Acten nicht viel zu melden wissen,
was mit den göttlichen Dingen in Zusammenhang stände; daß für die mensch¬
lichen in genügender Weise gesorgt worden ist, läßt sich um so eher erwar¬
ten. Wie aber bei dem Hainopfer durch all die Sitte und Unsitte späteren
Luxus und griechischen Ursprungs noch ein Kern uralter einfältiger Ge¬
bräuche durchscheint, so ist auch hier noch manches von ursprünglicher Weise
zu erkennen. Vor allem der alte römische Gebrauch, daß die heranwachsenden
Knaben den Vater überall hin begleiten, in den Rathsaal sowohl, wie wo er
eingeladen wird als Tischgast, und daß also bei jedem Männergastmahl auch
die Söhne des Hauses wie die der Gäste mitspeisen, nicht zu Tisch liegend
wie die Väter, sondern am untersten Ende des Speisesophas sitzend, und nicht
an allen Gängen und Gerichten theilnehmend. -- dieser alte Gebrauch er¬
scheint noch bei den Arvalenmahlzeiten festgehalten im Ritual. Für jeden
der vier Sophas, auf denen die zwölf Brüder sich vertheilen, wird ein Knabe
erfordert, wo möglich der Sohn eines der Anwesenden, aber auf jeden Fall
ein Sohn lebender Aeltern von senatorischen Rang. Es sind dies nicht
Opferknaben, wie man wohl gesagt hat, denn wie würden diese bei der hei¬
ligen Handlung selber fehlen und erst zur Tafel erscheinen? sondern es sind
die mit den Vätern Speisenden Söhne oder deren Stellvertreter, die denn
freilich auch bei dem Tischopfer Dienst thun, insbesondere nach vollendeter
Mahlzeit die Schalen mit den heiligen Aehren, mit denen die Tafel geschmückt
ist, zu dem im Speisezimmer aufgestellten Altar hintragen und der Göttin
zum Opfer darbringen. Auf diese heilige Handlung folgt der festliche Beschluß
des Mahles: die Gäste werden mit Salben übergössen und mit Kränzen ge¬
schmückt, Confect und anderer Nachtisch und ungebundene Rosen unter sie
vertheilt, bevor sie mit abermaligem Glückauf von dem Gastgeber sich ver¬
abschieden.

Ueberhaupt, die auch sonst vielfältig bezeugte innige Wahlverwandt¬
schaft der römischen Kirche und der römischen Küche erscheint in unseren Ur¬
kunden aufs Neue actenmäßig bestätigt; es ist ein Vorzug derselben, daß sie



-) Die in einiger Entfernung von dem Arvalenhain gefundenen Bäder (Bullettino
1858, 4) können nicht, wie Pellcgrini annimmt, als zu dem Arvalenlocal gehörig betrachtet
werden. Des Bades gedenken unsere Urkunden nur in der Schilderung des ersten in der
Stadt gefeierten Festtags und zwar, wie immer (Becker Gallus 3, 111) als unmittelbar der
Cena vorausgehend; man geht " lialnso zu Tisch. Auch am zweiten Festtag, in Beziehung
auf welchen vom Bade nicht die Rede ist, kann dasselbe nur nach der Rückkehr der Urvater
aus dem Hain vor die Cena gesetzt werden. Jene Badeeinrichtung wird demnach zu irgend
einer benachbarten Villa gehört haben.

Damit ist die Hainfeier zu Ende, aber noch nicht das Fest. Die fromme
Gesellschaft begibt sich zurück nach Rom und hier folgt nun, nachdem das
Bad eingenommen ist/) im Hause des Vorstehers auf jenes gründliche Früh¬
stück ein wirkliches Diner, von dem unsere Acten nicht viel zu melden wissen,
was mit den göttlichen Dingen in Zusammenhang stände; daß für die mensch¬
lichen in genügender Weise gesorgt worden ist, läßt sich um so eher erwar¬
ten. Wie aber bei dem Hainopfer durch all die Sitte und Unsitte späteren
Luxus und griechischen Ursprungs noch ein Kern uralter einfältiger Ge¬
bräuche durchscheint, so ist auch hier noch manches von ursprünglicher Weise
zu erkennen. Vor allem der alte römische Gebrauch, daß die heranwachsenden
Knaben den Vater überall hin begleiten, in den Rathsaal sowohl, wie wo er
eingeladen wird als Tischgast, und daß also bei jedem Männergastmahl auch
die Söhne des Hauses wie die der Gäste mitspeisen, nicht zu Tisch liegend
wie die Väter, sondern am untersten Ende des Speisesophas sitzend, und nicht
an allen Gängen und Gerichten theilnehmend. — dieser alte Gebrauch er¬
scheint noch bei den Arvalenmahlzeiten festgehalten im Ritual. Für jeden
der vier Sophas, auf denen die zwölf Brüder sich vertheilen, wird ein Knabe
erfordert, wo möglich der Sohn eines der Anwesenden, aber auf jeden Fall
ein Sohn lebender Aeltern von senatorischen Rang. Es sind dies nicht
Opferknaben, wie man wohl gesagt hat, denn wie würden diese bei der hei¬
ligen Handlung selber fehlen und erst zur Tafel erscheinen? sondern es sind
die mit den Vätern Speisenden Söhne oder deren Stellvertreter, die denn
freilich auch bei dem Tischopfer Dienst thun, insbesondere nach vollendeter
Mahlzeit die Schalen mit den heiligen Aehren, mit denen die Tafel geschmückt
ist, zu dem im Speisezimmer aufgestellten Altar hintragen und der Göttin
zum Opfer darbringen. Auf diese heilige Handlung folgt der festliche Beschluß
des Mahles: die Gäste werden mit Salben übergössen und mit Kränzen ge¬
schmückt, Confect und anderer Nachtisch und ungebundene Rosen unter sie
vertheilt, bevor sie mit abermaligem Glückauf von dem Gastgeber sich ver¬
abschieden.

Ueberhaupt, die auch sonst vielfältig bezeugte innige Wahlverwandt¬
schaft der römischen Kirche und der römischen Küche erscheint in unseren Ur¬
kunden aufs Neue actenmäßig bestätigt; es ist ein Vorzug derselben, daß sie



-) Die in einiger Entfernung von dem Arvalenhain gefundenen Bäder (Bullettino
1858, 4) können nicht, wie Pellcgrini annimmt, als zu dem Arvalenlocal gehörig betrachtet
werden. Des Bades gedenken unsere Urkunden nur in der Schilderung des ersten in der
Stadt gefeierten Festtags und zwar, wie immer (Becker Gallus 3, 111) als unmittelbar der
Cena vorausgehend; man geht » lialnso zu Tisch. Auch am zweiten Festtag, in Beziehung
auf welchen vom Bade nicht die Rede ist, kann dasselbe nur nach der Rückkehr der Urvater
aus dem Hain vor die Cena gesetzt werden. Jene Badeeinrichtung wird demnach zu irgend
einer benachbarten Villa gehört haben.
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[0178] Damit ist die Hainfeier zu Ende, aber noch nicht das Fest. Die fromme Gesellschaft begibt sich zurück nach Rom und hier folgt nun, nachdem das Bad eingenommen ist/) im Hause des Vorstehers auf jenes gründliche Früh¬ stück ein wirkliches Diner, von dem unsere Acten nicht viel zu melden wissen, was mit den göttlichen Dingen in Zusammenhang stände; daß für die mensch¬ lichen in genügender Weise gesorgt worden ist, läßt sich um so eher erwar¬ ten. Wie aber bei dem Hainopfer durch all die Sitte und Unsitte späteren Luxus und griechischen Ursprungs noch ein Kern uralter einfältiger Ge¬ bräuche durchscheint, so ist auch hier noch manches von ursprünglicher Weise zu erkennen. Vor allem der alte römische Gebrauch, daß die heranwachsenden Knaben den Vater überall hin begleiten, in den Rathsaal sowohl, wie wo er eingeladen wird als Tischgast, und daß also bei jedem Männergastmahl auch die Söhne des Hauses wie die der Gäste mitspeisen, nicht zu Tisch liegend wie die Väter, sondern am untersten Ende des Speisesophas sitzend, und nicht an allen Gängen und Gerichten theilnehmend. — dieser alte Gebrauch er¬ scheint noch bei den Arvalenmahlzeiten festgehalten im Ritual. Für jeden der vier Sophas, auf denen die zwölf Brüder sich vertheilen, wird ein Knabe erfordert, wo möglich der Sohn eines der Anwesenden, aber auf jeden Fall ein Sohn lebender Aeltern von senatorischen Rang. Es sind dies nicht Opferknaben, wie man wohl gesagt hat, denn wie würden diese bei der hei¬ ligen Handlung selber fehlen und erst zur Tafel erscheinen? sondern es sind die mit den Vätern Speisenden Söhne oder deren Stellvertreter, die denn freilich auch bei dem Tischopfer Dienst thun, insbesondere nach vollendeter Mahlzeit die Schalen mit den heiligen Aehren, mit denen die Tafel geschmückt ist, zu dem im Speisezimmer aufgestellten Altar hintragen und der Göttin zum Opfer darbringen. Auf diese heilige Handlung folgt der festliche Beschluß des Mahles: die Gäste werden mit Salben übergössen und mit Kränzen ge¬ schmückt, Confect und anderer Nachtisch und ungebundene Rosen unter sie vertheilt, bevor sie mit abermaligem Glückauf von dem Gastgeber sich ver¬ abschieden. Ueberhaupt, die auch sonst vielfältig bezeugte innige Wahlverwandt¬ schaft der römischen Kirche und der römischen Küche erscheint in unseren Ur¬ kunden aufs Neue actenmäßig bestätigt; es ist ein Vorzug derselben, daß sie -) Die in einiger Entfernung von dem Arvalenhain gefundenen Bäder (Bullettino 1858, 4) können nicht, wie Pellcgrini annimmt, als zu dem Arvalenlocal gehörig betrachtet werden. Des Bades gedenken unsere Urkunden nur in der Schilderung des ersten in der Stadt gefeierten Festtags und zwar, wie immer (Becker Gallus 3, 111) als unmittelbar der Cena vorausgehend; man geht » lialnso zu Tisch. Auch am zweiten Festtag, in Beziehung auf welchen vom Bade nicht die Rede ist, kann dasselbe nur nach der Rückkehr der Urvater aus dem Hain vor die Cena gesetzt werden. Jene Badeeinrichtung wird demnach zu irgend einer benachbarten Villa gehört haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/178>, abgerufen am 26.06.2024.