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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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des Purpurs und des Lorbeers der stolzen Republik; endlich zwei Männer von
den unter Augustus emporgekommenen Familien: Taurus Statilius Corvinus,
der Enkel des berühmten Feldherrn August's, der während der actischen Schlacht
das Landheer commandirte, und L. Anilins Vinicianus, der einzige unter allen
diesen, der nicht durch Geburt zu dem höchsten Adel der Zeit zählte, aber ohne
Frage auch einer der angesehensten Männer Roms, da bald darauf nach Cali-
gula's Tode nicht wenige daran dachten, ihn auf den erledigten Kaiserthron zu
heben. Es war ein erlauchter Kreis, der an jenem Tage mit dem Kaiser das
Lamm schlachtete für das Gedeihen der Saaten ; aber er war weder ehrwürdig,
noch ehrbar, noch geboren unter glücklichen Sternen. Nicht ehrwürdig: denn wie
der Kaiser selbst, so hatten auch die meisten seiner Collegen noch das dreißigste
Jahr nicht erreicht oder kaum überschritten, und nur ein einziger unter den
Achten war ein angehender Vierziger. Aber noch weniger waren diese hoch¬
adeligen Herren ehrbar. Zwei derselben, Gnaeus Domitius und Fabius Per-
sicus, sind namhaft wegen beispielloser Lasterhaftigkeit in einer beispiellos laster¬
haften Zeit; und auch von den übrigen ist keiner, der durch kriegerische
oder staatsmännische Tüchtigkeit sich irgend hervor gethan hätte, -- selbst den
besten Mann darunter, den Gaius Piso, der späterhin als Führer der be¬
rühmten Verschwörung unter Nero sein Ende fand, nennt Tacitus einen von
Sittenstrenge weit entfernten, dem müßigen Luxus ergebenen Mann. Die
Kaiser ernannten jetzt zu diesen Priesterlhümern; und wenn außer der Ahnen¬
probe von diesen geistlichen Herren noch etwas gefordert ward, so kann es
höchstens eine Trinkprobe gewesen sein.*) Der ganze priesterliche Kreis
war des tollen kaiserlichen Buben würdig, um den er an diesem Tag
als um seinen Obern und Meister sich schaarte; und fast alle Glieder des¬
selben haben ähnlich wie ihr Meister geendet. Unter den sieben Priestern,
die außer ihm an jenem Tage an dem glänzenden Landfeste theilnahmen,
finden wir zwei Gatten von Urenkelinnen August's, also verschwägert
mit dem regierenden Hause, finden wir den Vater des Kaisers Nero und
den der Kaiserin Messallina, und nicht weniger als drei Männer, die
unter den folgenden Regierungen auf den Thron erhoben zu werden Aus¬
sicht hatten, -- aber wir finden auch, daß fünf von diesen sieben durch
Henkershand endigten oder, um dem Henker zu entgehen, Hand an sich selber
legten. Silanus und Taurus wurden auf Befehl des Kaisers Claudius
wegen Hochverraths oder auch nur wegen ihrer Reichthümer hingerichtet.
Camillus und Vinicianus versuchten gegen denselben die dalmatinischen Le¬
gionen unter die Waffen zu bringen und endigten in gleicher Weise, als diese



") Es ist bemeikknswerlh, daß namentlich im ersten Jahrhundert im Arvalencollegium
die namhaftesten Wüstlinge der Aristokratie sich fast vollzählig finden, dagegen nur wenige
der Besseren.

des Purpurs und des Lorbeers der stolzen Republik; endlich zwei Männer von
den unter Augustus emporgekommenen Familien: Taurus Statilius Corvinus,
der Enkel des berühmten Feldherrn August's, der während der actischen Schlacht
das Landheer commandirte, und L. Anilins Vinicianus, der einzige unter allen
diesen, der nicht durch Geburt zu dem höchsten Adel der Zeit zählte, aber ohne
Frage auch einer der angesehensten Männer Roms, da bald darauf nach Cali-
gula's Tode nicht wenige daran dachten, ihn auf den erledigten Kaiserthron zu
heben. Es war ein erlauchter Kreis, der an jenem Tage mit dem Kaiser das
Lamm schlachtete für das Gedeihen der Saaten ; aber er war weder ehrwürdig,
noch ehrbar, noch geboren unter glücklichen Sternen. Nicht ehrwürdig: denn wie
der Kaiser selbst, so hatten auch die meisten seiner Collegen noch das dreißigste
Jahr nicht erreicht oder kaum überschritten, und nur ein einziger unter den
Achten war ein angehender Vierziger. Aber noch weniger waren diese hoch¬
adeligen Herren ehrbar. Zwei derselben, Gnaeus Domitius und Fabius Per-
sicus, sind namhaft wegen beispielloser Lasterhaftigkeit in einer beispiellos laster¬
haften Zeit; und auch von den übrigen ist keiner, der durch kriegerische
oder staatsmännische Tüchtigkeit sich irgend hervor gethan hätte, — selbst den
besten Mann darunter, den Gaius Piso, der späterhin als Führer der be¬
rühmten Verschwörung unter Nero sein Ende fand, nennt Tacitus einen von
Sittenstrenge weit entfernten, dem müßigen Luxus ergebenen Mann. Die
Kaiser ernannten jetzt zu diesen Priesterlhümern; und wenn außer der Ahnen¬
probe von diesen geistlichen Herren noch etwas gefordert ward, so kann es
höchstens eine Trinkprobe gewesen sein.*) Der ganze priesterliche Kreis
war des tollen kaiserlichen Buben würdig, um den er an diesem Tag
als um seinen Obern und Meister sich schaarte; und fast alle Glieder des¬
selben haben ähnlich wie ihr Meister geendet. Unter den sieben Priestern,
die außer ihm an jenem Tage an dem glänzenden Landfeste theilnahmen,
finden wir zwei Gatten von Urenkelinnen August's, also verschwägert
mit dem regierenden Hause, finden wir den Vater des Kaisers Nero und
den der Kaiserin Messallina, und nicht weniger als drei Männer, die
unter den folgenden Regierungen auf den Thron erhoben zu werden Aus¬
sicht hatten, — aber wir finden auch, daß fünf von diesen sieben durch
Henkershand endigten oder, um dem Henker zu entgehen, Hand an sich selber
legten. Silanus und Taurus wurden auf Befehl des Kaisers Claudius
wegen Hochverraths oder auch nur wegen ihrer Reichthümer hingerichtet.
Camillus und Vinicianus versuchten gegen denselben die dalmatinischen Le¬
gionen unter die Waffen zu bringen und endigten in gleicher Weise, als diese



") Es ist bemeikknswerlh, daß namentlich im ersten Jahrhundert im Arvalencollegium
die namhaftesten Wüstlinge der Aristokratie sich fast vollzählig finden, dagegen nur wenige
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[0174] des Purpurs und des Lorbeers der stolzen Republik; endlich zwei Männer von den unter Augustus emporgekommenen Familien: Taurus Statilius Corvinus, der Enkel des berühmten Feldherrn August's, der während der actischen Schlacht das Landheer commandirte, und L. Anilins Vinicianus, der einzige unter allen diesen, der nicht durch Geburt zu dem höchsten Adel der Zeit zählte, aber ohne Frage auch einer der angesehensten Männer Roms, da bald darauf nach Cali- gula's Tode nicht wenige daran dachten, ihn auf den erledigten Kaiserthron zu heben. Es war ein erlauchter Kreis, der an jenem Tage mit dem Kaiser das Lamm schlachtete für das Gedeihen der Saaten ; aber er war weder ehrwürdig, noch ehrbar, noch geboren unter glücklichen Sternen. Nicht ehrwürdig: denn wie der Kaiser selbst, so hatten auch die meisten seiner Collegen noch das dreißigste Jahr nicht erreicht oder kaum überschritten, und nur ein einziger unter den Achten war ein angehender Vierziger. Aber noch weniger waren diese hoch¬ adeligen Herren ehrbar. Zwei derselben, Gnaeus Domitius und Fabius Per- sicus, sind namhaft wegen beispielloser Lasterhaftigkeit in einer beispiellos laster¬ haften Zeit; und auch von den übrigen ist keiner, der durch kriegerische oder staatsmännische Tüchtigkeit sich irgend hervor gethan hätte, — selbst den besten Mann darunter, den Gaius Piso, der späterhin als Führer der be¬ rühmten Verschwörung unter Nero sein Ende fand, nennt Tacitus einen von Sittenstrenge weit entfernten, dem müßigen Luxus ergebenen Mann. Die Kaiser ernannten jetzt zu diesen Priesterlhümern; und wenn außer der Ahnen¬ probe von diesen geistlichen Herren noch etwas gefordert ward, so kann es höchstens eine Trinkprobe gewesen sein.*) Der ganze priesterliche Kreis war des tollen kaiserlichen Buben würdig, um den er an diesem Tag als um seinen Obern und Meister sich schaarte; und fast alle Glieder des¬ selben haben ähnlich wie ihr Meister geendet. Unter den sieben Priestern, die außer ihm an jenem Tage an dem glänzenden Landfeste theilnahmen, finden wir zwei Gatten von Urenkelinnen August's, also verschwägert mit dem regierenden Hause, finden wir den Vater des Kaisers Nero und den der Kaiserin Messallina, und nicht weniger als drei Männer, die unter den folgenden Regierungen auf den Thron erhoben zu werden Aus¬ sicht hatten, — aber wir finden auch, daß fünf von diesen sieben durch Henkershand endigten oder, um dem Henker zu entgehen, Hand an sich selber legten. Silanus und Taurus wurden auf Befehl des Kaisers Claudius wegen Hochverraths oder auch nur wegen ihrer Reichthümer hingerichtet. Camillus und Vinicianus versuchten gegen denselben die dalmatinischen Le¬ gionen unter die Waffen zu bringen und endigten in gleicher Weise, als diese ") Es ist bemeikknswerlh, daß namentlich im ersten Jahrhundert im Arvalencollegium die namhaftesten Wüstlinge der Aristokratie sich fast vollzählig finden, dagegen nur wenige der Besseren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/174>, abgerufen am 26.06.2024.