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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Haines mit seinen uralten nie von der Art berührten Bäumen stand der
Tempel der Göttin, ein Rundgebäude von mäßigem Umfang, dessen Funda¬
mente das jetzige Winzerhaus tragen. In der Ebene unterhalb des Haines
und, wie es scheint, auf der linken Seite der Feldstraße, aber immer noch
in einiger Entfernung von dem Fluß, finden sich die Ueberreste des Ver¬
sammlungshauses der Brüderschaft, das unter dem Namen Oaesarsum oder
l'kli'g.stFlum*) auftritt; es war ein viereckiges Gebäude mit einer von vier
Säulenreihen eingefaßten Halle in der Mitte, zunächst zum Speisesaal einge¬
richtet, aber zugleich ein Tempel der vergötterten Kaiser, deren Bildsäulen
die Halle schmückten und denen auch wohl vor dem Tempel geopfert ward.
Endlich wieder auf den Hügeln neben dem Hain sind die- Trümmer
eines anderen Neubaues zum Vorschein gekommen, in welchem man mit
großer Wahrscheinlichkeit die Rennbahn der Urvater erkannt hat. -- Man
sieht schon hier, daß nichts gespart war, um die fromme Landpartie den
Theilnehmern wo nicht erbaulich, doch erfreulich zu machen; und auch in an¬
deren Dingen erscheint dieselbe Fürsorge. -- Es war aber auch eine glän¬
zende Gesellschaft,-- wenigstens seit Augustus in seiner restaurirten Republik
die alten schlichten Gebräuche mit dem Prunk des Hosluxus zu verschlingen
gewußt hatte, -- welche an diesem Maifest auf das Feld zog und die göttliche
Göttin anrief um Verleihung des täglichen Brotes. Beispielsweise am
22. Mai des I. 39 n. Chr. waren im Haine anwesend der Kaiser Gaius, der
sogenannte Caligula, der in diesem Jahre den Vorsitz in dem Collegium zu
führen übernommen hatte; war er auch nicht früh genug aufgestanden um
das erste Opfer selber darzubringen, so hatte er doch für die Mahlzeit und
die Rennspiele sich rechtzeitig eingefunden. Neben ihm opferten, speisten und
schauten die Träger zweier seit einem halben Jahrtausend mit Roms Ge¬
schichte verknüpften Geschlechter, M. Furius Camillus, der letzte Sprößling
des Siegers von Veji, des Triumphators mit den Sonnenrossen; und Paullus
Fabius Persicus, ein Nachkomme des Befiegers des Königs Perseus und so
vieler anderen gefeierten Helden des erlauchten fabischen Geschlechts; ferner die
Vertreter der plebejischen, aber kaum weniger adelichen Häuser der Junii Silani,
der Domitit Ahenobarbi und der Calpurnii Pisones, alle oftmals die Träger



*) Die Identität beider Gebäude ist bisher verkannt, aber meiner Meinung nach unzweifel-
haft. Das Caesareum wird zuerst in den Acten des I. 81 genannt, das Tetraflylum zuerst
in denen des I, öl. Beide stehen nie neben, aber offenbar für einander, indem die Mahlzeit
bald in Caesareum, bald im Tetrastylum eingenommen wird. Es kann auch nicht auffallen,
daß das Gebäude eine doppelte Bezeichnung trug, einmal nach seiner religiösen Zwcckbestim.
mung -- es findet sich auch aeclos Laesarsi -- und sodann nach seiner architectonischen An¬
lage. Der Ruinenhaufen, in dem Pellegrini die Trümmer des Caesareum hat erkennen wollen,
muß zu dem Tempel oder den dazu gehörigen Baulichkeiten, insbesondere der Ära am Ein¬
gang des Hains gehören; diese war im Boden fest und vielleicht von bedeutendem Umfang.

Haines mit seinen uralten nie von der Art berührten Bäumen stand der
Tempel der Göttin, ein Rundgebäude von mäßigem Umfang, dessen Funda¬
mente das jetzige Winzerhaus tragen. In der Ebene unterhalb des Haines
und, wie es scheint, auf der linken Seite der Feldstraße, aber immer noch
in einiger Entfernung von dem Fluß, finden sich die Ueberreste des Ver¬
sammlungshauses der Brüderschaft, das unter dem Namen Oaesarsum oder
l'kli'g.stFlum*) auftritt; es war ein viereckiges Gebäude mit einer von vier
Säulenreihen eingefaßten Halle in der Mitte, zunächst zum Speisesaal einge¬
richtet, aber zugleich ein Tempel der vergötterten Kaiser, deren Bildsäulen
die Halle schmückten und denen auch wohl vor dem Tempel geopfert ward.
Endlich wieder auf den Hügeln neben dem Hain sind die- Trümmer
eines anderen Neubaues zum Vorschein gekommen, in welchem man mit
großer Wahrscheinlichkeit die Rennbahn der Urvater erkannt hat. — Man
sieht schon hier, daß nichts gespart war, um die fromme Landpartie den
Theilnehmern wo nicht erbaulich, doch erfreulich zu machen; und auch in an¬
deren Dingen erscheint dieselbe Fürsorge. — Es war aber auch eine glän¬
zende Gesellschaft,— wenigstens seit Augustus in seiner restaurirten Republik
die alten schlichten Gebräuche mit dem Prunk des Hosluxus zu verschlingen
gewußt hatte, — welche an diesem Maifest auf das Feld zog und die göttliche
Göttin anrief um Verleihung des täglichen Brotes. Beispielsweise am
22. Mai des I. 39 n. Chr. waren im Haine anwesend der Kaiser Gaius, der
sogenannte Caligula, der in diesem Jahre den Vorsitz in dem Collegium zu
führen übernommen hatte; war er auch nicht früh genug aufgestanden um
das erste Opfer selber darzubringen, so hatte er doch für die Mahlzeit und
die Rennspiele sich rechtzeitig eingefunden. Neben ihm opferten, speisten und
schauten die Träger zweier seit einem halben Jahrtausend mit Roms Ge¬
schichte verknüpften Geschlechter, M. Furius Camillus, der letzte Sprößling
des Siegers von Veji, des Triumphators mit den Sonnenrossen; und Paullus
Fabius Persicus, ein Nachkomme des Befiegers des Königs Perseus und so
vieler anderen gefeierten Helden des erlauchten fabischen Geschlechts; ferner die
Vertreter der plebejischen, aber kaum weniger adelichen Häuser der Junii Silani,
der Domitit Ahenobarbi und der Calpurnii Pisones, alle oftmals die Träger



*) Die Identität beider Gebäude ist bisher verkannt, aber meiner Meinung nach unzweifel-
haft. Das Caesareum wird zuerst in den Acten des I. 81 genannt, das Tetraflylum zuerst
in denen des I, öl. Beide stehen nie neben, aber offenbar für einander, indem die Mahlzeit
bald in Caesareum, bald im Tetrastylum eingenommen wird. Es kann auch nicht auffallen,
daß das Gebäude eine doppelte Bezeichnung trug, einmal nach seiner religiösen Zwcckbestim.
mung — es findet sich auch aeclos Laesarsi — und sodann nach seiner architectonischen An¬
lage. Der Ruinenhaufen, in dem Pellegrini die Trümmer des Caesareum hat erkennen wollen,
muß zu dem Tempel oder den dazu gehörigen Baulichkeiten, insbesondere der Ära am Ein¬
gang des Hains gehören; diese war im Boden fest und vielleicht von bedeutendem Umfang.
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[0173] Haines mit seinen uralten nie von der Art berührten Bäumen stand der Tempel der Göttin, ein Rundgebäude von mäßigem Umfang, dessen Funda¬ mente das jetzige Winzerhaus tragen. In der Ebene unterhalb des Haines und, wie es scheint, auf der linken Seite der Feldstraße, aber immer noch in einiger Entfernung von dem Fluß, finden sich die Ueberreste des Ver¬ sammlungshauses der Brüderschaft, das unter dem Namen Oaesarsum oder l'kli'g.stFlum*) auftritt; es war ein viereckiges Gebäude mit einer von vier Säulenreihen eingefaßten Halle in der Mitte, zunächst zum Speisesaal einge¬ richtet, aber zugleich ein Tempel der vergötterten Kaiser, deren Bildsäulen die Halle schmückten und denen auch wohl vor dem Tempel geopfert ward. Endlich wieder auf den Hügeln neben dem Hain sind die- Trümmer eines anderen Neubaues zum Vorschein gekommen, in welchem man mit großer Wahrscheinlichkeit die Rennbahn der Urvater erkannt hat. — Man sieht schon hier, daß nichts gespart war, um die fromme Landpartie den Theilnehmern wo nicht erbaulich, doch erfreulich zu machen; und auch in an¬ deren Dingen erscheint dieselbe Fürsorge. — Es war aber auch eine glän¬ zende Gesellschaft,— wenigstens seit Augustus in seiner restaurirten Republik die alten schlichten Gebräuche mit dem Prunk des Hosluxus zu verschlingen gewußt hatte, — welche an diesem Maifest auf das Feld zog und die göttliche Göttin anrief um Verleihung des täglichen Brotes. Beispielsweise am 22. Mai des I. 39 n. Chr. waren im Haine anwesend der Kaiser Gaius, der sogenannte Caligula, der in diesem Jahre den Vorsitz in dem Collegium zu führen übernommen hatte; war er auch nicht früh genug aufgestanden um das erste Opfer selber darzubringen, so hatte er doch für die Mahlzeit und die Rennspiele sich rechtzeitig eingefunden. Neben ihm opferten, speisten und schauten die Träger zweier seit einem halben Jahrtausend mit Roms Ge¬ schichte verknüpften Geschlechter, M. Furius Camillus, der letzte Sprößling des Siegers von Veji, des Triumphators mit den Sonnenrossen; und Paullus Fabius Persicus, ein Nachkomme des Befiegers des Königs Perseus und so vieler anderen gefeierten Helden des erlauchten fabischen Geschlechts; ferner die Vertreter der plebejischen, aber kaum weniger adelichen Häuser der Junii Silani, der Domitit Ahenobarbi und der Calpurnii Pisones, alle oftmals die Träger *) Die Identität beider Gebäude ist bisher verkannt, aber meiner Meinung nach unzweifel- haft. Das Caesareum wird zuerst in den Acten des I. 81 genannt, das Tetraflylum zuerst in denen des I, öl. Beide stehen nie neben, aber offenbar für einander, indem die Mahlzeit bald in Caesareum, bald im Tetrastylum eingenommen wird. Es kann auch nicht auffallen, daß das Gebäude eine doppelte Bezeichnung trug, einmal nach seiner religiösen Zwcckbestim. mung — es findet sich auch aeclos Laesarsi — und sodann nach seiner architectonischen An¬ lage. Der Ruinenhaufen, in dem Pellegrini die Trümmer des Caesareum hat erkennen wollen, muß zu dem Tempel oder den dazu gehörigen Baulichkeiten, insbesondere der Ära am Ein¬ gang des Hains gehören; diese war im Boden fest und vielleicht von bedeutendem Umfang.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/173>, abgerufen am 26.06.2024.