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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Thaler der Berliner Gelehrten würden für die, wenn auch verhältnißmäßig
geringen Kosten des Unternehmens weitaus nicht zugereicht haben, wenn
nicht I. M. die Königin von dem Unternehmen verrrvmmen und unauf¬
gefordert demselben ihre thätige Theilnahme gewidmet hätte. Sie sowohl
wie demnächst des Königs Majestät haben die letzten vier Jahre hindurch
diesen Ausgrabungen eine stetige und den Erfordernissen entsprechend gestei¬
gerte Förderung zugewandt; und preußisches Geld und preußisches Glück
haben also dem lateinischen Jnschriftenschatz eine Bereicherung zugeführt,
wie sie bisher noch nie durch eine planmäßig unternommene Grabung erreicht
worden ist. Gegen dreißig mehr oder minder vollständige Jahrproto-
colle, außerdem wichtige und beträchtliche Reste des von den Urvater unter
Augustus aufgestellten Kalenders, der Monats- wie der Jahrtafel, sind zum
Vorschein gekommen, die bisherige Masse der Arvalacten ist ungefähr auf
das Doppelte vermehrt. Die beschwerliche Arbeit des Zusammensetzens dieser
meist in unzähligen Stücken und Stückchen zum Vorschein kommenden Tafeln
fiel insbesondere den Herren Professor Herzen und Bormann zu. Wenn
dieses mühsamste und schwierigste aller Geduldsspiele durch ihre emsige Ge¬
wissenhaftigkeit und ihren gelehrten Scharfsinn glücklich durchgeführt worden
ist, so darf dabei nicht vergessen werden, daß, wenn dieselben Trümmer ver¬
einzelt und allmählich durch den Zufall an's Licht gekommen wären, ohne
Frage die meisten derselben als unbrauchbar und werthlos unerkannt zu
Grunde gegangen sein würden. Jetzt sammelten wir die Brocken, auf daß
nichts umkäme; und was aus diesen Brocken geworden ist, zeigt insbesondere
der von Herrn Herzen im Herbst des I. 1868 veröffentlichte große Gesammt-
bericht, wenn gleich auch in diesem die jüngsten Funde noch fehlen. Ob viel
mehr als bisher zu Tage gekommen ist, sich wird entdecken lassen, muß die
Zeit lehren; die Grabungen dieses Winters sind bis jetzt nicht vom Glücke
begünstigt gewesen. Indeß die Hoffnung haben wir, daß diese Grabungen
aufhören werden, nicht, wie gewöhnlich, wenn das Geld zu Ende ist, sondern
wenn verständiger Weise keine Hoffnung mehr bleibt auf weitere namhafte
Funde.

Das Collegium der Urvater ist gleich dem der Luperker den Römern
erschienen als so alt, ja älter als Rom; wie dies die Ueberlieferung in ihrer
Weise ausdrückt, indem sie als die ersten Urvater die Kinder der Ziehmutter
des Romulus bezeichnet und bereits den Romulus in die damals also schon
bestehende Körperschaft eintreten läßt. Das unvordenkliche Alter derselben
beweist bestimmter noch jenes uralte Gedicht, das die Urvater am Haupttage
ihres großen Festes in ihrem 'Tempel sangen und tanzten, und das auf uns
gekommen ist als Bestandtheil eines unter dem Kaiser Elagabalus im I. 218
aufgenommenen Protokolls; das einzige zusammenhängende Stück, das wir


Thaler der Berliner Gelehrten würden für die, wenn auch verhältnißmäßig
geringen Kosten des Unternehmens weitaus nicht zugereicht haben, wenn
nicht I. M. die Königin von dem Unternehmen verrrvmmen und unauf¬
gefordert demselben ihre thätige Theilnahme gewidmet hätte. Sie sowohl
wie demnächst des Königs Majestät haben die letzten vier Jahre hindurch
diesen Ausgrabungen eine stetige und den Erfordernissen entsprechend gestei¬
gerte Förderung zugewandt; und preußisches Geld und preußisches Glück
haben also dem lateinischen Jnschriftenschatz eine Bereicherung zugeführt,
wie sie bisher noch nie durch eine planmäßig unternommene Grabung erreicht
worden ist. Gegen dreißig mehr oder minder vollständige Jahrproto-
colle, außerdem wichtige und beträchtliche Reste des von den Urvater unter
Augustus aufgestellten Kalenders, der Monats- wie der Jahrtafel, sind zum
Vorschein gekommen, die bisherige Masse der Arvalacten ist ungefähr auf
das Doppelte vermehrt. Die beschwerliche Arbeit des Zusammensetzens dieser
meist in unzähligen Stücken und Stückchen zum Vorschein kommenden Tafeln
fiel insbesondere den Herren Professor Herzen und Bormann zu. Wenn
dieses mühsamste und schwierigste aller Geduldsspiele durch ihre emsige Ge¬
wissenhaftigkeit und ihren gelehrten Scharfsinn glücklich durchgeführt worden
ist, so darf dabei nicht vergessen werden, daß, wenn dieselben Trümmer ver¬
einzelt und allmählich durch den Zufall an's Licht gekommen wären, ohne
Frage die meisten derselben als unbrauchbar und werthlos unerkannt zu
Grunde gegangen sein würden. Jetzt sammelten wir die Brocken, auf daß
nichts umkäme; und was aus diesen Brocken geworden ist, zeigt insbesondere
der von Herrn Herzen im Herbst des I. 1868 veröffentlichte große Gesammt-
bericht, wenn gleich auch in diesem die jüngsten Funde noch fehlen. Ob viel
mehr als bisher zu Tage gekommen ist, sich wird entdecken lassen, muß die
Zeit lehren; die Grabungen dieses Winters sind bis jetzt nicht vom Glücke
begünstigt gewesen. Indeß die Hoffnung haben wir, daß diese Grabungen
aufhören werden, nicht, wie gewöhnlich, wenn das Geld zu Ende ist, sondern
wenn verständiger Weise keine Hoffnung mehr bleibt auf weitere namhafte
Funde.

Das Collegium der Urvater ist gleich dem der Luperker den Römern
erschienen als so alt, ja älter als Rom; wie dies die Ueberlieferung in ihrer
Weise ausdrückt, indem sie als die ersten Urvater die Kinder der Ziehmutter
des Romulus bezeichnet und bereits den Romulus in die damals also schon
bestehende Körperschaft eintreten läßt. Das unvordenkliche Alter derselben
beweist bestimmter noch jenes uralte Gedicht, das die Urvater am Haupttage
ihres großen Festes in ihrem 'Tempel sangen und tanzten, und das auf uns
gekommen ist als Bestandtheil eines unter dem Kaiser Elagabalus im I. 218
aufgenommenen Protokolls; das einzige zusammenhängende Stück, das wir


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[0170] Thaler der Berliner Gelehrten würden für die, wenn auch verhältnißmäßig geringen Kosten des Unternehmens weitaus nicht zugereicht haben, wenn nicht I. M. die Königin von dem Unternehmen verrrvmmen und unauf¬ gefordert demselben ihre thätige Theilnahme gewidmet hätte. Sie sowohl wie demnächst des Königs Majestät haben die letzten vier Jahre hindurch diesen Ausgrabungen eine stetige und den Erfordernissen entsprechend gestei¬ gerte Förderung zugewandt; und preußisches Geld und preußisches Glück haben also dem lateinischen Jnschriftenschatz eine Bereicherung zugeführt, wie sie bisher noch nie durch eine planmäßig unternommene Grabung erreicht worden ist. Gegen dreißig mehr oder minder vollständige Jahrproto- colle, außerdem wichtige und beträchtliche Reste des von den Urvater unter Augustus aufgestellten Kalenders, der Monats- wie der Jahrtafel, sind zum Vorschein gekommen, die bisherige Masse der Arvalacten ist ungefähr auf das Doppelte vermehrt. Die beschwerliche Arbeit des Zusammensetzens dieser meist in unzähligen Stücken und Stückchen zum Vorschein kommenden Tafeln fiel insbesondere den Herren Professor Herzen und Bormann zu. Wenn dieses mühsamste und schwierigste aller Geduldsspiele durch ihre emsige Ge¬ wissenhaftigkeit und ihren gelehrten Scharfsinn glücklich durchgeführt worden ist, so darf dabei nicht vergessen werden, daß, wenn dieselben Trümmer ver¬ einzelt und allmählich durch den Zufall an's Licht gekommen wären, ohne Frage die meisten derselben als unbrauchbar und werthlos unerkannt zu Grunde gegangen sein würden. Jetzt sammelten wir die Brocken, auf daß nichts umkäme; und was aus diesen Brocken geworden ist, zeigt insbesondere der von Herrn Herzen im Herbst des I. 1868 veröffentlichte große Gesammt- bericht, wenn gleich auch in diesem die jüngsten Funde noch fehlen. Ob viel mehr als bisher zu Tage gekommen ist, sich wird entdecken lassen, muß die Zeit lehren; die Grabungen dieses Winters sind bis jetzt nicht vom Glücke begünstigt gewesen. Indeß die Hoffnung haben wir, daß diese Grabungen aufhören werden, nicht, wie gewöhnlich, wenn das Geld zu Ende ist, sondern wenn verständiger Weise keine Hoffnung mehr bleibt auf weitere namhafte Funde. Das Collegium der Urvater ist gleich dem der Luperker den Römern erschienen als so alt, ja älter als Rom; wie dies die Ueberlieferung in ihrer Weise ausdrückt, indem sie als die ersten Urvater die Kinder der Ziehmutter des Romulus bezeichnet und bereits den Romulus in die damals also schon bestehende Körperschaft eintreten läßt. Das unvordenkliche Alter derselben beweist bestimmter noch jenes uralte Gedicht, das die Urvater am Haupttage ihres großen Festes in ihrem 'Tempel sangen und tanzten, und das auf uns gekommen ist als Bestandtheil eines unter dem Kaiser Elagabalus im I. 218 aufgenommenen Protokolls; das einzige zusammenhängende Stück, das wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/170>, abgerufen am 26.06.2024.