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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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einstmals auf der harten Erde schlief und der später allgemein übliche Schlaf-
sopha, der Lenens, gleichfalls als üble und weichliche Sitte bei den damaligen
Lobrednern der guten alten Zeit verfehmt war.

In diesen Kreis zunächst führt unsere heutige Betrachtung. Es hat
unter vielen anderen geistlichen Genossenschaften in Rom auch eine gegeben,
die, wie die Wolfsgilde dem Hirten-, so recht eigentlich dem Bauernleben an¬
gehört, die Ackerbrüder oder die tratres ^rv^Iss. Politische Bedeutung hat
dieselbe nie gehabt und darum ist in der geschichtlichen Ueberlieferung kaum
jemals von ihr die Rede, obwohl sie uralt ist und nachweislich mindestens
ein Jahrtausend hindurch bestanden und in ihrer Art etwas bedeutet
hat. Der Umstand, der sie für uns in hervorragender Weise merkwürdig
macht, ist zufälliger Art: es ist die einzige römische Corporation, von deren
Acten wir umfassende Ueberreste besitzen. Dies beruht theils darauf, daß
die übrigen Genossenschaften wohl das Verzeichniß ihrer Mitglieder in ihrem
Versammlungslokal in Stein eingehauen aufstellten, ihre übrigen Acten aber
in gewöhnlicher Buchform führten; die Urvater dagegen nicht in älterer
Zeit, aber seit ihrer Reorganisation unter Augustus die geführten Protokolle
am Schlüsse jeden Jahres in die Tempelmauern oder sonstigen Steinwände
in ihrem Amtslocal eingraben ließen. Theils hat auch der Umstand ein¬
gewirkt, daß das Amtslocal nicht in Rom sich befand, sondern, wie es für
die Priester der Flur sich schickt, vor den Thoren von Rom, in der Cam-
pagna, fünf Miglien von der Hauptstadt, in der heutigen Vigna Ceccarelli.
Das Winzerhäuschen in dieser ist aufgeführt auf den noch wohl erhaltenen
Fundamenten des Rundtempels der Urvater. Obwohl begreiflicher Weise
die Marmorblöcke und Marmortafeln von dort großentheils nach Rom ge¬
führt worden sind, um dort für bauliche Zwecke zu dienen -- man hat Trüm-
mer davon an vielen Stellen gefunden, die größte und, merkwürdigste aller
Arvaleninschriften ward im Jahre 1778 bei der Grundlegung einer Capelle
der Peterskirche entdeckt -- so wurden doch schon im Jahre 1570 neunzehn Pro¬
tokollfragmente und sieben Basen von Statuen kaiserlicher Mitglieder des
Collegiums in jener Vigna ausgegraben, und seitdem sind eben daselbst ähn¬
liche, wenn auch minder bedeutende Funde wieder und wieder gemacht wor¬
den. Seit langem war es der lebhafte Wunsch aller auf unserem Gebiet thä¬
tigen Forscher in diesem engbegrenzten und von Gebäuden freien Raum eine
planmäßige Durchforschung vorgenommen zu sehen. Ein neuer Fund im
Jahre 1866, der eine große Tafel aus Caligulas Zeit in derselben Vigna
zum Vorschein brachte, bewog das archäologische Institut in Roman einer solchen
Ausgrabung den Anfang zu machen, woran sich denn auch die meisten Mit¬
glieder der hiesigen archäologischen Gesellschaft durch Privatbeiträge betheilig¬
ten. Aber die beschränkten Mittel des römischen Instituts und die sparsamen


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einstmals auf der harten Erde schlief und der später allgemein übliche Schlaf-
sopha, der Lenens, gleichfalls als üble und weichliche Sitte bei den damaligen
Lobrednern der guten alten Zeit verfehmt war.

In diesen Kreis zunächst führt unsere heutige Betrachtung. Es hat
unter vielen anderen geistlichen Genossenschaften in Rom auch eine gegeben,
die, wie die Wolfsgilde dem Hirten-, so recht eigentlich dem Bauernleben an¬
gehört, die Ackerbrüder oder die tratres ^rv^Iss. Politische Bedeutung hat
dieselbe nie gehabt und darum ist in der geschichtlichen Ueberlieferung kaum
jemals von ihr die Rede, obwohl sie uralt ist und nachweislich mindestens
ein Jahrtausend hindurch bestanden und in ihrer Art etwas bedeutet
hat. Der Umstand, der sie für uns in hervorragender Weise merkwürdig
macht, ist zufälliger Art: es ist die einzige römische Corporation, von deren
Acten wir umfassende Ueberreste besitzen. Dies beruht theils darauf, daß
die übrigen Genossenschaften wohl das Verzeichniß ihrer Mitglieder in ihrem
Versammlungslokal in Stein eingehauen aufstellten, ihre übrigen Acten aber
in gewöhnlicher Buchform führten; die Urvater dagegen nicht in älterer
Zeit, aber seit ihrer Reorganisation unter Augustus die geführten Protokolle
am Schlüsse jeden Jahres in die Tempelmauern oder sonstigen Steinwände
in ihrem Amtslocal eingraben ließen. Theils hat auch der Umstand ein¬
gewirkt, daß das Amtslocal nicht in Rom sich befand, sondern, wie es für
die Priester der Flur sich schickt, vor den Thoren von Rom, in der Cam-
pagna, fünf Miglien von der Hauptstadt, in der heutigen Vigna Ceccarelli.
Das Winzerhäuschen in dieser ist aufgeführt auf den noch wohl erhaltenen
Fundamenten des Rundtempels der Urvater. Obwohl begreiflicher Weise
die Marmorblöcke und Marmortafeln von dort großentheils nach Rom ge¬
führt worden sind, um dort für bauliche Zwecke zu dienen — man hat Trüm-
mer davon an vielen Stellen gefunden, die größte und, merkwürdigste aller
Arvaleninschriften ward im Jahre 1778 bei der Grundlegung einer Capelle
der Peterskirche entdeckt — so wurden doch schon im Jahre 1570 neunzehn Pro¬
tokollfragmente und sieben Basen von Statuen kaiserlicher Mitglieder des
Collegiums in jener Vigna ausgegraben, und seitdem sind eben daselbst ähn¬
liche, wenn auch minder bedeutende Funde wieder und wieder gemacht wor¬
den. Seit langem war es der lebhafte Wunsch aller auf unserem Gebiet thä¬
tigen Forscher in diesem engbegrenzten und von Gebäuden freien Raum eine
planmäßige Durchforschung vorgenommen zu sehen. Ein neuer Fund im
Jahre 1866, der eine große Tafel aus Caligulas Zeit in derselben Vigna
zum Vorschein brachte, bewog das archäologische Institut in Roman einer solchen
Ausgrabung den Anfang zu machen, woran sich denn auch die meisten Mit¬
glieder der hiesigen archäologischen Gesellschaft durch Privatbeiträge betheilig¬
ten. Aber die beschränkten Mittel des römischen Instituts und die sparsamen


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[0169] einstmals auf der harten Erde schlief und der später allgemein übliche Schlaf- sopha, der Lenens, gleichfalls als üble und weichliche Sitte bei den damaligen Lobrednern der guten alten Zeit verfehmt war. In diesen Kreis zunächst führt unsere heutige Betrachtung. Es hat unter vielen anderen geistlichen Genossenschaften in Rom auch eine gegeben, die, wie die Wolfsgilde dem Hirten-, so recht eigentlich dem Bauernleben an¬ gehört, die Ackerbrüder oder die tratres ^rv^Iss. Politische Bedeutung hat dieselbe nie gehabt und darum ist in der geschichtlichen Ueberlieferung kaum jemals von ihr die Rede, obwohl sie uralt ist und nachweislich mindestens ein Jahrtausend hindurch bestanden und in ihrer Art etwas bedeutet hat. Der Umstand, der sie für uns in hervorragender Weise merkwürdig macht, ist zufälliger Art: es ist die einzige römische Corporation, von deren Acten wir umfassende Ueberreste besitzen. Dies beruht theils darauf, daß die übrigen Genossenschaften wohl das Verzeichniß ihrer Mitglieder in ihrem Versammlungslokal in Stein eingehauen aufstellten, ihre übrigen Acten aber in gewöhnlicher Buchform führten; die Urvater dagegen nicht in älterer Zeit, aber seit ihrer Reorganisation unter Augustus die geführten Protokolle am Schlüsse jeden Jahres in die Tempelmauern oder sonstigen Steinwände in ihrem Amtslocal eingraben ließen. Theils hat auch der Umstand ein¬ gewirkt, daß das Amtslocal nicht in Rom sich befand, sondern, wie es für die Priester der Flur sich schickt, vor den Thoren von Rom, in der Cam- pagna, fünf Miglien von der Hauptstadt, in der heutigen Vigna Ceccarelli. Das Winzerhäuschen in dieser ist aufgeführt auf den noch wohl erhaltenen Fundamenten des Rundtempels der Urvater. Obwohl begreiflicher Weise die Marmorblöcke und Marmortafeln von dort großentheils nach Rom ge¬ führt worden sind, um dort für bauliche Zwecke zu dienen — man hat Trüm- mer davon an vielen Stellen gefunden, die größte und, merkwürdigste aller Arvaleninschriften ward im Jahre 1778 bei der Grundlegung einer Capelle der Peterskirche entdeckt — so wurden doch schon im Jahre 1570 neunzehn Pro¬ tokollfragmente und sieben Basen von Statuen kaiserlicher Mitglieder des Collegiums in jener Vigna ausgegraben, und seitdem sind eben daselbst ähn¬ liche, wenn auch minder bedeutende Funde wieder und wieder gemacht wor¬ den. Seit langem war es der lebhafte Wunsch aller auf unserem Gebiet thä¬ tigen Forscher in diesem engbegrenzten und von Gebäuden freien Raum eine planmäßige Durchforschung vorgenommen zu sehen. Ein neuer Fund im Jahre 1866, der eine große Tafel aus Caligulas Zeit in derselben Vigna zum Vorschein brachte, bewog das archäologische Institut in Roman einer solchen Ausgrabung den Anfang zu machen, woran sich denn auch die meisten Mit¬ glieder der hiesigen archäologischen Gesellschaft durch Privatbeiträge betheilig¬ ten. Aber die beschränkten Mittel des römischen Instituts und die sparsamen 21*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/169>, abgerufen am 26.06.2024.