Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und so oft gekrönten Fabrikate auch hierher wandern lassen, es gab also
eine brillante französische Abtheilung, und die einheimischen Compartiments
ließen wenigstens an Zahl und Mannigfaltigkeit der ausgestellten Gegen¬
stände nicht viel zu wünschen übrig. Die schleswigcholsteinsche Industrie, in¬
soweit sie nicht mit den Erzeugnissen der Landwirtschaft in unmittelbarer
Beziehung steht, ist unentwickelt, in solide aber schwerfällige, unbeholfene
Handwerksformen festgebannt, allen feineren Lebensbedürfnissen gegenüber ohne
Erfindungsgabe und künstlerisches Motiv. Sie bedarf reichlich des Ansporns
der eröffneten zollvereinsländischen Concurrenz und der Anregungen wie sie
unsere modernen Ausstellungen darbieten. Diese befruchtende Wirkung wird
der Altonar Ausstellung nicht fehlen, und darin müssen die Unternehmer den
Lohn für ihr gemeinnütziges Bemühen zu finden suchen.

Denn im Uebrigen, wenn dieselben im engeren oder weiteren Sinne auf
unmittelbaren Gewinn wirthschaftlicher oder politischer Art für die Stadt oder
die Provinz gerechnet haben sollten, würden sie nur Enttäuschungen realisirt
haben. Die Betheiligung des großen Publicums blieb zwar bis zum Schluß
der Ausstellung eine recht lebhafte; aber nach der Ausdehnung der noch jetzt
betriebenen Verloosung der Ausstellungsgegenstände zu urtheilen, muß der
Verkauf sich auf ein Minimum reducirt haben. Das Protektorat des Grafen
Bismarck galt den gesinnungstüchtigen Parteien von der Sorte der "Jtzehoer
Nachrichten" als genügender Grund, Enthaltsamkeit von diesem preußen-
sreundlichen Unternehmen zu predigen. "Der ist schwarz und weiß, vor dem,
o treuer Holste, hüte Dich!" -- Dabei war das ganze Protektorat so absolut
harmloser Natur, daß außer dem Namen des gefurchteren Grafen von seiner
sonstigen Erscheinung während der ganzen Dauer der Ausstellung weder
etwas zu sehen, noch zu hören war. Er ließ sich entschuldigen und blieb
seines Gesundheitszustandes wegen in Varzin. Die Enttäuschung darüber war
um so größer, als die Abwendung der Partikularisten von dem Unternehmen
eine Unterstützung von Berlin her besonders wünschenswert!) gemacht hatte.
Diese aber blieb zum Schaden der Sache aus und es verhielt sich das officielle
Preußen dem ganzen, bei einiger Geschicklichkeit so unendlich leicht für die Inte-
ressen des Gesammtstaats zu verwerthenden Unternehmen gegenüber so kühl und
höflich ablehnend, als handele es sich eben nur um die Erledigung conventio-
neller Formen. Der Oberpräsident v. Scheel-Plessen mochte von einer Angelegen¬
heit nicht viel halten, die sich ohne ihn entwickelt hatte und in den Berliner
Ministertalbureaus hält man offenbar von Dingen nichts, die sich nicht
unterbringen lassen unter die herkömmlichen Rubriken der Decernate. Die
übertriebenen Hoffnungen, die man speciell für die Prosperität Altona's an
die Ausstellung geknüpft hat. die vielfachen Wünsche im besonderen Interesse
der verödenden und verkümmernder Stadt, die man bei jener Gelegenheit


19*

und so oft gekrönten Fabrikate auch hierher wandern lassen, es gab also
eine brillante französische Abtheilung, und die einheimischen Compartiments
ließen wenigstens an Zahl und Mannigfaltigkeit der ausgestellten Gegen¬
stände nicht viel zu wünschen übrig. Die schleswigcholsteinsche Industrie, in¬
soweit sie nicht mit den Erzeugnissen der Landwirtschaft in unmittelbarer
Beziehung steht, ist unentwickelt, in solide aber schwerfällige, unbeholfene
Handwerksformen festgebannt, allen feineren Lebensbedürfnissen gegenüber ohne
Erfindungsgabe und künstlerisches Motiv. Sie bedarf reichlich des Ansporns
der eröffneten zollvereinsländischen Concurrenz und der Anregungen wie sie
unsere modernen Ausstellungen darbieten. Diese befruchtende Wirkung wird
der Altonar Ausstellung nicht fehlen, und darin müssen die Unternehmer den
Lohn für ihr gemeinnütziges Bemühen zu finden suchen.

Denn im Uebrigen, wenn dieselben im engeren oder weiteren Sinne auf
unmittelbaren Gewinn wirthschaftlicher oder politischer Art für die Stadt oder
die Provinz gerechnet haben sollten, würden sie nur Enttäuschungen realisirt
haben. Die Betheiligung des großen Publicums blieb zwar bis zum Schluß
der Ausstellung eine recht lebhafte; aber nach der Ausdehnung der noch jetzt
betriebenen Verloosung der Ausstellungsgegenstände zu urtheilen, muß der
Verkauf sich auf ein Minimum reducirt haben. Das Protektorat des Grafen
Bismarck galt den gesinnungstüchtigen Parteien von der Sorte der „Jtzehoer
Nachrichten" als genügender Grund, Enthaltsamkeit von diesem preußen-
sreundlichen Unternehmen zu predigen. „Der ist schwarz und weiß, vor dem,
o treuer Holste, hüte Dich!" — Dabei war das ganze Protektorat so absolut
harmloser Natur, daß außer dem Namen des gefurchteren Grafen von seiner
sonstigen Erscheinung während der ganzen Dauer der Ausstellung weder
etwas zu sehen, noch zu hören war. Er ließ sich entschuldigen und blieb
seines Gesundheitszustandes wegen in Varzin. Die Enttäuschung darüber war
um so größer, als die Abwendung der Partikularisten von dem Unternehmen
eine Unterstützung von Berlin her besonders wünschenswert!) gemacht hatte.
Diese aber blieb zum Schaden der Sache aus und es verhielt sich das officielle
Preußen dem ganzen, bei einiger Geschicklichkeit so unendlich leicht für die Inte-
ressen des Gesammtstaats zu verwerthenden Unternehmen gegenüber so kühl und
höflich ablehnend, als handele es sich eben nur um die Erledigung conventio-
neller Formen. Der Oberpräsident v. Scheel-Plessen mochte von einer Angelegen¬
heit nicht viel halten, die sich ohne ihn entwickelt hatte und in den Berliner
Ministertalbureaus hält man offenbar von Dingen nichts, die sich nicht
unterbringen lassen unter die herkömmlichen Rubriken der Decernate. Die
übertriebenen Hoffnungen, die man speciell für die Prosperität Altona's an
die Ausstellung geknüpft hat. die vielfachen Wünsche im besonderen Interesse
der verödenden und verkümmernder Stadt, die man bei jener Gelegenheit


19*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0153" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123241"/>
          <p xml:id="ID_421" prev="#ID_420"> und so oft gekrönten Fabrikate auch hierher wandern lassen, es gab also<lb/>
eine brillante französische Abtheilung, und die einheimischen Compartiments<lb/>
ließen wenigstens an Zahl und Mannigfaltigkeit der ausgestellten Gegen¬<lb/>
stände nicht viel zu wünschen übrig. Die schleswigcholsteinsche Industrie, in¬<lb/>
soweit sie nicht mit den Erzeugnissen der Landwirtschaft in unmittelbarer<lb/>
Beziehung steht, ist unentwickelt, in solide aber schwerfällige, unbeholfene<lb/>
Handwerksformen festgebannt, allen feineren Lebensbedürfnissen gegenüber ohne<lb/>
Erfindungsgabe und künstlerisches Motiv. Sie bedarf reichlich des Ansporns<lb/>
der eröffneten zollvereinsländischen Concurrenz und der Anregungen wie sie<lb/>
unsere modernen Ausstellungen darbieten. Diese befruchtende Wirkung wird<lb/>
der Altonar Ausstellung nicht fehlen, und darin müssen die Unternehmer den<lb/>
Lohn für ihr gemeinnütziges Bemühen zu finden suchen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_422" next="#ID_423"> Denn im Uebrigen, wenn dieselben im engeren oder weiteren Sinne auf<lb/>
unmittelbaren Gewinn wirthschaftlicher oder politischer Art für die Stadt oder<lb/>
die Provinz gerechnet haben sollten, würden sie nur Enttäuschungen realisirt<lb/>
haben. Die Betheiligung des großen Publicums blieb zwar bis zum Schluß<lb/>
der Ausstellung eine recht lebhafte; aber nach der Ausdehnung der noch jetzt<lb/>
betriebenen Verloosung der Ausstellungsgegenstände zu urtheilen, muß der<lb/>
Verkauf sich auf ein Minimum reducirt haben. Das Protektorat des Grafen<lb/>
Bismarck galt den gesinnungstüchtigen Parteien von der Sorte der &#x201E;Jtzehoer<lb/>
Nachrichten" als genügender Grund, Enthaltsamkeit von diesem preußen-<lb/>
sreundlichen Unternehmen zu predigen. &#x201E;Der ist schwarz und weiß, vor dem,<lb/>
o treuer Holste, hüte Dich!" &#x2014; Dabei war das ganze Protektorat so absolut<lb/>
harmloser Natur, daß außer dem Namen des gefurchteren Grafen von seiner<lb/>
sonstigen Erscheinung während der ganzen Dauer der Ausstellung weder<lb/>
etwas zu sehen, noch zu hören war. Er ließ sich entschuldigen und blieb<lb/>
seines Gesundheitszustandes wegen in Varzin. Die Enttäuschung darüber war<lb/>
um so größer, als die Abwendung der Partikularisten von dem Unternehmen<lb/>
eine Unterstützung von Berlin her besonders wünschenswert!) gemacht hatte.<lb/>
Diese aber blieb zum Schaden der Sache aus und es verhielt sich das officielle<lb/>
Preußen dem ganzen, bei einiger Geschicklichkeit so unendlich leicht für die Inte-<lb/>
ressen des Gesammtstaats zu verwerthenden Unternehmen gegenüber so kühl und<lb/>
höflich ablehnend, als handele es sich eben nur um die Erledigung conventio-<lb/>
neller Formen. Der Oberpräsident v. Scheel-Plessen mochte von einer Angelegen¬<lb/>
heit nicht viel halten, die sich ohne ihn entwickelt hatte und in den Berliner<lb/>
Ministertalbureaus hält man offenbar von Dingen nichts, die sich nicht<lb/>
unterbringen lassen unter die herkömmlichen Rubriken der Decernate. Die<lb/>
übertriebenen Hoffnungen, die man speciell für die Prosperität Altona's an<lb/>
die Ausstellung geknüpft hat. die vielfachen Wünsche im besonderen Interesse<lb/>
der verödenden und verkümmernder Stadt, die man bei jener Gelegenheit</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 19*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0153] und so oft gekrönten Fabrikate auch hierher wandern lassen, es gab also eine brillante französische Abtheilung, und die einheimischen Compartiments ließen wenigstens an Zahl und Mannigfaltigkeit der ausgestellten Gegen¬ stände nicht viel zu wünschen übrig. Die schleswigcholsteinsche Industrie, in¬ soweit sie nicht mit den Erzeugnissen der Landwirtschaft in unmittelbarer Beziehung steht, ist unentwickelt, in solide aber schwerfällige, unbeholfene Handwerksformen festgebannt, allen feineren Lebensbedürfnissen gegenüber ohne Erfindungsgabe und künstlerisches Motiv. Sie bedarf reichlich des Ansporns der eröffneten zollvereinsländischen Concurrenz und der Anregungen wie sie unsere modernen Ausstellungen darbieten. Diese befruchtende Wirkung wird der Altonar Ausstellung nicht fehlen, und darin müssen die Unternehmer den Lohn für ihr gemeinnütziges Bemühen zu finden suchen. Denn im Uebrigen, wenn dieselben im engeren oder weiteren Sinne auf unmittelbaren Gewinn wirthschaftlicher oder politischer Art für die Stadt oder die Provinz gerechnet haben sollten, würden sie nur Enttäuschungen realisirt haben. Die Betheiligung des großen Publicums blieb zwar bis zum Schluß der Ausstellung eine recht lebhafte; aber nach der Ausdehnung der noch jetzt betriebenen Verloosung der Ausstellungsgegenstände zu urtheilen, muß der Verkauf sich auf ein Minimum reducirt haben. Das Protektorat des Grafen Bismarck galt den gesinnungstüchtigen Parteien von der Sorte der „Jtzehoer Nachrichten" als genügender Grund, Enthaltsamkeit von diesem preußen- sreundlichen Unternehmen zu predigen. „Der ist schwarz und weiß, vor dem, o treuer Holste, hüte Dich!" — Dabei war das ganze Protektorat so absolut harmloser Natur, daß außer dem Namen des gefurchteren Grafen von seiner sonstigen Erscheinung während der ganzen Dauer der Ausstellung weder etwas zu sehen, noch zu hören war. Er ließ sich entschuldigen und blieb seines Gesundheitszustandes wegen in Varzin. Die Enttäuschung darüber war um so größer, als die Abwendung der Partikularisten von dem Unternehmen eine Unterstützung von Berlin her besonders wünschenswert!) gemacht hatte. Diese aber blieb zum Schaden der Sache aus und es verhielt sich das officielle Preußen dem ganzen, bei einiger Geschicklichkeit so unendlich leicht für die Inte- ressen des Gesammtstaats zu verwerthenden Unternehmen gegenüber so kühl und höflich ablehnend, als handele es sich eben nur um die Erledigung conventio- neller Formen. Der Oberpräsident v. Scheel-Plessen mochte von einer Angelegen¬ heit nicht viel halten, die sich ohne ihn entwickelt hatte und in den Berliner Ministertalbureaus hält man offenbar von Dingen nichts, die sich nicht unterbringen lassen unter die herkömmlichen Rubriken der Decernate. Die übertriebenen Hoffnungen, die man speciell für die Prosperität Altona's an die Ausstellung geknüpft hat. die vielfachen Wünsche im besonderen Interesse der verödenden und verkümmernder Stadt, die man bei jener Gelegenheit 19*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/153
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/153>, abgerufen am 26.06.2024.