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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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sprach; denn der Deutsche liebt es, auch die Sache des Vaterlandes zur Sache
der persönlichen Freundschaft zu machen und gern, vergewissert er sich von
Zeit zu Zeit des Gefühls, daß er denen am nächsten stehe, mit welchen ihn
Urtheil wie Sorge und Arbeit für das höchste Ziel verbindet.

Am lebhaftesten war dieses Bedürfniß bei den Würtenbergern und sie
hatten angelegentlich um eine Wiederholung jener ersten Zusammenkünfte,
und als dies nicht recht thunlich sich erwies, auch die Besprechungen zu Mainz
und Heidelberg während des volkswirtschaftlichen Congresses und des Juristen¬
tages keine Förderung brachten, wenigstens um eine Vereinigung zunächst in
geselligen Formen sich bemüht. Nicht nur war ihnen die Aussicht auf eine
kleine Luftveränderung vor Allem erwünscht und zu gönnen, sondern sie sind
auch thatsächlich die isolirtesten, denn ihnen fehlt selbst jener Ersatz des Zoll¬
parlaments, das die Bayern, Badener und Hessen doch immer in einen ge¬
wissen Zusammenhang unter sich wie mit den Norddeutschen erhält. Aus
solchen Anregungen entstand die Karlsruher Versammlung vom 8. und
9. Januar, die allen Theilnehmern sicher die lebhaftesten und hoffnungs¬
reichsten Eindrücke zurückgelassen hat. Als die Würtenberger ihren Besuch
ankündigten, wurden von den Badenern auch die- Hessen und Bayern ge¬
laden. Leider konnten die letzteren gerade in diesen Tagen unmöglich von
München sich entfernen. Dagegen waren 7 Abgeordnete aus Südhessen er¬
schienen. Würtenberger waren 22, darunter zwei Mitglieder der Kammer der
Standesherren, Häupter fürstlicher Familien, und 4 Abgeordnete der zweiten
Kammer gekommen. Die Nationalliberalen der badischen Kammer waren in
der Zahl von 50, auch die erste Kammer war durch mehrere Mitglieder ver¬
treten. Dem geselligen Verkehr thaten ein Abendbanket und ein Mittags¬
mahl Genüge. Einer geordneten Berathung waren die Vormittagsstunden
am 9. gewidmet.

Diese Berathung, welcher Lamey präsidirte, wurde eingeleitet durch Be¬
richte über die Lage der Partei in den einzelnen drei Ländern, erstattet durch
Holder für Würtemberg. durch Metz für Hessen, durch Kiefer für Baden.
Für die Gäste war jedenfalls der beredte, aus der Tiefe hervorquellende
Vortrag des letzteren vom größten Interesse. Wie sie sonst in diesen Tagen
nur die günstigsten Eindrücke von der politischen Gegenwart Badens in sich
aufnehmen konnten, so machte sie Kiefer auch mit den Schattenseiten, mir
den Schwierigkeiten und Gefahren der jetzigen Lage bekannt. Er entwarf
ein durchsichtiges Gemälde von der eleriealen Agitation, ihren Mitteln und
Kampfweisen, ihren Verzweigungen und auswärtigen Stützpunkten und er
ließ durchblicken, welche Schwierigkeiten dem Lande durch die Verzögerung
der Aufnahme in den norddeutschen Bund geschaffen würden. Aber er wies
zugleich auf den einzig möglichen Weg, auf welchem diese Schwierigkeiten


sprach; denn der Deutsche liebt es, auch die Sache des Vaterlandes zur Sache
der persönlichen Freundschaft zu machen und gern, vergewissert er sich von
Zeit zu Zeit des Gefühls, daß er denen am nächsten stehe, mit welchen ihn
Urtheil wie Sorge und Arbeit für das höchste Ziel verbindet.

Am lebhaftesten war dieses Bedürfniß bei den Würtenbergern und sie
hatten angelegentlich um eine Wiederholung jener ersten Zusammenkünfte,
und als dies nicht recht thunlich sich erwies, auch die Besprechungen zu Mainz
und Heidelberg während des volkswirtschaftlichen Congresses und des Juristen¬
tages keine Förderung brachten, wenigstens um eine Vereinigung zunächst in
geselligen Formen sich bemüht. Nicht nur war ihnen die Aussicht auf eine
kleine Luftveränderung vor Allem erwünscht und zu gönnen, sondern sie sind
auch thatsächlich die isolirtesten, denn ihnen fehlt selbst jener Ersatz des Zoll¬
parlaments, das die Bayern, Badener und Hessen doch immer in einen ge¬
wissen Zusammenhang unter sich wie mit den Norddeutschen erhält. Aus
solchen Anregungen entstand die Karlsruher Versammlung vom 8. und
9. Januar, die allen Theilnehmern sicher die lebhaftesten und hoffnungs¬
reichsten Eindrücke zurückgelassen hat. Als die Würtenberger ihren Besuch
ankündigten, wurden von den Badenern auch die- Hessen und Bayern ge¬
laden. Leider konnten die letzteren gerade in diesen Tagen unmöglich von
München sich entfernen. Dagegen waren 7 Abgeordnete aus Südhessen er¬
schienen. Würtenberger waren 22, darunter zwei Mitglieder der Kammer der
Standesherren, Häupter fürstlicher Familien, und 4 Abgeordnete der zweiten
Kammer gekommen. Die Nationalliberalen der badischen Kammer waren in
der Zahl von 50, auch die erste Kammer war durch mehrere Mitglieder ver¬
treten. Dem geselligen Verkehr thaten ein Abendbanket und ein Mittags¬
mahl Genüge. Einer geordneten Berathung waren die Vormittagsstunden
am 9. gewidmet.

Diese Berathung, welcher Lamey präsidirte, wurde eingeleitet durch Be¬
richte über die Lage der Partei in den einzelnen drei Ländern, erstattet durch
Holder für Würtemberg. durch Metz für Hessen, durch Kiefer für Baden.
Für die Gäste war jedenfalls der beredte, aus der Tiefe hervorquellende
Vortrag des letzteren vom größten Interesse. Wie sie sonst in diesen Tagen
nur die günstigsten Eindrücke von der politischen Gegenwart Badens in sich
aufnehmen konnten, so machte sie Kiefer auch mit den Schattenseiten, mir
den Schwierigkeiten und Gefahren der jetzigen Lage bekannt. Er entwarf
ein durchsichtiges Gemälde von der eleriealen Agitation, ihren Mitteln und
Kampfweisen, ihren Verzweigungen und auswärtigen Stützpunkten und er
ließ durchblicken, welche Schwierigkeiten dem Lande durch die Verzögerung
der Aufnahme in den norddeutschen Bund geschaffen würden. Aber er wies
zugleich auf den einzig möglichen Weg, auf welchem diese Schwierigkeiten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/149>, abgerufen am 26.06.2024.