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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Vorort bestellt, sofern es diesem Ausschuß aufgegeben würde, die Initiative
und Einleitung für ähnliche spätere Versammlungen zu treffen, deren Wieder¬
kehr je nach Bedürfniß schon auf der ersten Versammlung als wünschenswert!)
bezeichnet worden war.

Von dieser Initiative der Bayern ist seitdem kein Gebrauch gemacht
worden. Weder das Jahr 1868 noch das Jahr 1869 sah eine ähnliche Ver¬
sammlung der süddeutschen nationalen, und die Gründe sind begreiflich genug.
Eine Zusammenkunft zur Abfassung von Resolutionen, die in den Jahren 1866
und 1867 nichts müßiges gewesen war, schien jetzt zwecklos, sofern an der
Lage seit dem Sommer 1869 nichts geändert war, folglich das damalige Pro¬
gramm immer nur wiederholt werden konnte. Von einer regelmäßigen Perio-
dicität hatte man von Anfang an ebenso abgesehen, wie von einer gemein¬
schaftlichen Parteiorganisation, schon aus dem Grunde, weil man Alles ver¬
meiden wollte, was den Begriff einer Art von Südbund in das öffentliche
Bewußtsein überführen konnte. Selbst eine nationale Liga gegen den Süd¬
bund hätte dem letzteren zu einem gewissen Schein der Existenz verholfen.
Endlich aber war die Partei in jedem der vier Südstaaten vorwiegend mit
der Arbeit im einzelnen Lande beschäftigt; es galt für jenes gemeinsame Pro¬
gramm auf dem Boden des Einzelstaats, theils in, theils außerhalb der Kam¬
mern zu wirken, und jede Partei sah sich dabei innerhalb ihres Landes eigen¬
thümlichen Verhältnissen gegenüber. Gemeinschaftliche Operation konnte da
wenig nützen, wo man überall unter mehr oder weniger günstigen Umstän¬
den eigenartige Gegnerschaften in Regierung und Volk zu bekämpfen hatte.
Am meisten machte dies gerade in Bayern sich geltend, wo der Fortschritts¬
partei, deren Ursprung und Organisation über das Jahr 1866 zurücklag, "in
besonders vorsichtiger und gemessener Gang vorgezeichnet war. Ihre Thätig¬
keit war überdies seit längerer Zeit ausschließlich von inneren Landesange¬
legenheiten in Anspruch genommen.

Dennoch machte sich das Bedürfniß einer Annäherung der in den gleichen
Zielen verbundenen Parteien der süddeutschen Länder mit der Zeit dringend
fühlbar. Und zwar gerade weil die beiden letzten Jahre so ereigniß- und
folgenreich für die innere Politik dieser Länder gewesen waren, weil es von
Werth war, eine Reihe von Erfahrungen auszutauschen, die in jedem Lande
wieder verschieden geartet, doch ihren Bezug hatten auf das gemeinsame
Ziel und hervorgerufen waren durch die eine deutsche Frage. Wenn auch
ein Anlaß für neue Resolutionen fehlte, so war doch dieser Zweck sicher nicht
der einzige, der eine neue Zusammenkunft motivirte. Es war schon dies von
Werth, daß man -- auch ohne bestimmte Absicht, so zu sagen nicht in offi-
cieller Eigenschaft -- sich wiedersah, in geselligem Verkehr sich kennen und
schätzen lernte, und in vertraulicher Weise Gegenwärtiges und Künftiges be-


Vorort bestellt, sofern es diesem Ausschuß aufgegeben würde, die Initiative
und Einleitung für ähnliche spätere Versammlungen zu treffen, deren Wieder¬
kehr je nach Bedürfniß schon auf der ersten Versammlung als wünschenswert!)
bezeichnet worden war.

Von dieser Initiative der Bayern ist seitdem kein Gebrauch gemacht
worden. Weder das Jahr 1868 noch das Jahr 1869 sah eine ähnliche Ver¬
sammlung der süddeutschen nationalen, und die Gründe sind begreiflich genug.
Eine Zusammenkunft zur Abfassung von Resolutionen, die in den Jahren 1866
und 1867 nichts müßiges gewesen war, schien jetzt zwecklos, sofern an der
Lage seit dem Sommer 1869 nichts geändert war, folglich das damalige Pro¬
gramm immer nur wiederholt werden konnte. Von einer regelmäßigen Perio-
dicität hatte man von Anfang an ebenso abgesehen, wie von einer gemein¬
schaftlichen Parteiorganisation, schon aus dem Grunde, weil man Alles ver¬
meiden wollte, was den Begriff einer Art von Südbund in das öffentliche
Bewußtsein überführen konnte. Selbst eine nationale Liga gegen den Süd¬
bund hätte dem letzteren zu einem gewissen Schein der Existenz verholfen.
Endlich aber war die Partei in jedem der vier Südstaaten vorwiegend mit
der Arbeit im einzelnen Lande beschäftigt; es galt für jenes gemeinsame Pro¬
gramm auf dem Boden des Einzelstaats, theils in, theils außerhalb der Kam¬
mern zu wirken, und jede Partei sah sich dabei innerhalb ihres Landes eigen¬
thümlichen Verhältnissen gegenüber. Gemeinschaftliche Operation konnte da
wenig nützen, wo man überall unter mehr oder weniger günstigen Umstän¬
den eigenartige Gegnerschaften in Regierung und Volk zu bekämpfen hatte.
Am meisten machte dies gerade in Bayern sich geltend, wo der Fortschritts¬
partei, deren Ursprung und Organisation über das Jahr 1866 zurücklag, «in
besonders vorsichtiger und gemessener Gang vorgezeichnet war. Ihre Thätig¬
keit war überdies seit längerer Zeit ausschließlich von inneren Landesange¬
legenheiten in Anspruch genommen.

Dennoch machte sich das Bedürfniß einer Annäherung der in den gleichen
Zielen verbundenen Parteien der süddeutschen Länder mit der Zeit dringend
fühlbar. Und zwar gerade weil die beiden letzten Jahre so ereigniß- und
folgenreich für die innere Politik dieser Länder gewesen waren, weil es von
Werth war, eine Reihe von Erfahrungen auszutauschen, die in jedem Lande
wieder verschieden geartet, doch ihren Bezug hatten auf das gemeinsame
Ziel und hervorgerufen waren durch die eine deutsche Frage. Wenn auch
ein Anlaß für neue Resolutionen fehlte, so war doch dieser Zweck sicher nicht
der einzige, der eine neue Zusammenkunft motivirte. Es war schon dies von
Werth, daß man — auch ohne bestimmte Absicht, so zu sagen nicht in offi-
cieller Eigenschaft — sich wiedersah, in geselligem Verkehr sich kennen und
schätzen lernte, und in vertraulicher Weise Gegenwärtiges und Künftiges be-


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[0148] Vorort bestellt, sofern es diesem Ausschuß aufgegeben würde, die Initiative und Einleitung für ähnliche spätere Versammlungen zu treffen, deren Wieder¬ kehr je nach Bedürfniß schon auf der ersten Versammlung als wünschenswert!) bezeichnet worden war. Von dieser Initiative der Bayern ist seitdem kein Gebrauch gemacht worden. Weder das Jahr 1868 noch das Jahr 1869 sah eine ähnliche Ver¬ sammlung der süddeutschen nationalen, und die Gründe sind begreiflich genug. Eine Zusammenkunft zur Abfassung von Resolutionen, die in den Jahren 1866 und 1867 nichts müßiges gewesen war, schien jetzt zwecklos, sofern an der Lage seit dem Sommer 1869 nichts geändert war, folglich das damalige Pro¬ gramm immer nur wiederholt werden konnte. Von einer regelmäßigen Perio- dicität hatte man von Anfang an ebenso abgesehen, wie von einer gemein¬ schaftlichen Parteiorganisation, schon aus dem Grunde, weil man Alles ver¬ meiden wollte, was den Begriff einer Art von Südbund in das öffentliche Bewußtsein überführen konnte. Selbst eine nationale Liga gegen den Süd¬ bund hätte dem letzteren zu einem gewissen Schein der Existenz verholfen. Endlich aber war die Partei in jedem der vier Südstaaten vorwiegend mit der Arbeit im einzelnen Lande beschäftigt; es galt für jenes gemeinsame Pro¬ gramm auf dem Boden des Einzelstaats, theils in, theils außerhalb der Kam¬ mern zu wirken, und jede Partei sah sich dabei innerhalb ihres Landes eigen¬ thümlichen Verhältnissen gegenüber. Gemeinschaftliche Operation konnte da wenig nützen, wo man überall unter mehr oder weniger günstigen Umstän¬ den eigenartige Gegnerschaften in Regierung und Volk zu bekämpfen hatte. Am meisten machte dies gerade in Bayern sich geltend, wo der Fortschritts¬ partei, deren Ursprung und Organisation über das Jahr 1866 zurücklag, «in besonders vorsichtiger und gemessener Gang vorgezeichnet war. Ihre Thätig¬ keit war überdies seit längerer Zeit ausschließlich von inneren Landesange¬ legenheiten in Anspruch genommen. Dennoch machte sich das Bedürfniß einer Annäherung der in den gleichen Zielen verbundenen Parteien der süddeutschen Länder mit der Zeit dringend fühlbar. Und zwar gerade weil die beiden letzten Jahre so ereigniß- und folgenreich für die innere Politik dieser Länder gewesen waren, weil es von Werth war, eine Reihe von Erfahrungen auszutauschen, die in jedem Lande wieder verschieden geartet, doch ihren Bezug hatten auf das gemeinsame Ziel und hervorgerufen waren durch die eine deutsche Frage. Wenn auch ein Anlaß für neue Resolutionen fehlte, so war doch dieser Zweck sicher nicht der einzige, der eine neue Zusammenkunft motivirte. Es war schon dies von Werth, daß man — auch ohne bestimmte Absicht, so zu sagen nicht in offi- cieller Eigenschaft — sich wiedersah, in geselligem Verkehr sich kennen und schätzen lernte, und in vertraulicher Weise Gegenwärtiges und Künftiges be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/148>, abgerufen am 26.06.2024.