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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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sehen haben, die seine Thätigkeit treffen würden, wenn dieselbe auch diesmal
wieder die Steuerreform nicht fertig bringen sollte. Darüber, daß sein neuester
Beschluß eine dauernde Rolle nicht zu spielen berufen ist, wird er sich wahr-
scheinlich selbst keine Illusionen machen, denn das jüngste Fiasco in der
Steuerreformfrage hat seinen irgend belehrbaren Mitgliedern ein höchst ver¬
nehmliches Nsmeuto mori zugerufen.




Wie Karlsruher Versammlung am 8. und 9. Januar.

Die erste Versammlung der südmainischen nationalen fand am 14. Oc-
tober 1866 zu Stuttgart statt. Nach den Friedensschlüssen galt es zu ver¬
abreden, welche Haltung die deutschen Parteien in Bayern, Würtemberg,
Baden und Hessen nunmehr einnehmen sollten. Damals wurde in erster
Linie noch die Theilnahme der Süddeutschen am constituirenden Reichstage
verlangt. Sollte dies aber angesichts der Friedensverträge undurchführbar
sein, so wurden folgende Forderungen als die nächsten bezeichnet: ein Waffen-
bündniß mit dem Norden, die vertragsmäßige Übertragung der Diplomatie
auf Preußen, die Einführung des preußischen Wehrsystems, die Reorganisation
des Zollvereins unter Beseitigung des liberum veto und unter parlamen¬
tarischer Theilnahme der Süddeutschen an der Zollvereinsgesetzgebung.

Von diesen Forderungen war ein guter Theil verwirklicht, als am 3.
und 4. August 1867 die Vertreter der 4 süddeutschen Staaten abermals in
der Liederhalle zu Stuttgart sich versammelten. In den neuen Resolutionen
wurde vorangestellt, daß die Wiedervereinigung des Südens und Nordens
eine Lebensbedingung des deutschen Volkes sei; es wurde jeder Versuch einer
auswärtigen Einmischung in die innere Gestaltung Deutschlands als ein un¬
berechtigter Eingriff zurückgewiesen, dann die Schutz- und Trutzbündnisse und
die Zollvereinsverträge, welche noch der Genehmigung durch die Kammern
bedurften, als Anfänge der nationalen Gemeinschaft anerkannt, der Wunsch
nach weiteren gemeinsamen Einrichtungen ausgedrückt, schließlich aber erklärt,
daß der Eintritt der süddeutschen Staaten in den norddeutschen Bund der
einzige Weg sei zur vollen Einigung Deutschlands, ein Weg, der durch den
Prager Frieden nicht verschlossen sei. Marquard Varth hatte der Versamm¬
lung präsidire, Bluntschli die Resolutionen staatsrechtlich begründet. Erlangen
wurde als der Sitz des Ausschusses der bayrischen Fortschrittspartei zum


sehen haben, die seine Thätigkeit treffen würden, wenn dieselbe auch diesmal
wieder die Steuerreform nicht fertig bringen sollte. Darüber, daß sein neuester
Beschluß eine dauernde Rolle nicht zu spielen berufen ist, wird er sich wahr-
scheinlich selbst keine Illusionen machen, denn das jüngste Fiasco in der
Steuerreformfrage hat seinen irgend belehrbaren Mitgliedern ein höchst ver¬
nehmliches Nsmeuto mori zugerufen.




Wie Karlsruher Versammlung am 8. und 9. Januar.

Die erste Versammlung der südmainischen nationalen fand am 14. Oc-
tober 1866 zu Stuttgart statt. Nach den Friedensschlüssen galt es zu ver¬
abreden, welche Haltung die deutschen Parteien in Bayern, Würtemberg,
Baden und Hessen nunmehr einnehmen sollten. Damals wurde in erster
Linie noch die Theilnahme der Süddeutschen am constituirenden Reichstage
verlangt. Sollte dies aber angesichts der Friedensverträge undurchführbar
sein, so wurden folgende Forderungen als die nächsten bezeichnet: ein Waffen-
bündniß mit dem Norden, die vertragsmäßige Übertragung der Diplomatie
auf Preußen, die Einführung des preußischen Wehrsystems, die Reorganisation
des Zollvereins unter Beseitigung des liberum veto und unter parlamen¬
tarischer Theilnahme der Süddeutschen an der Zollvereinsgesetzgebung.

Von diesen Forderungen war ein guter Theil verwirklicht, als am 3.
und 4. August 1867 die Vertreter der 4 süddeutschen Staaten abermals in
der Liederhalle zu Stuttgart sich versammelten. In den neuen Resolutionen
wurde vorangestellt, daß die Wiedervereinigung des Südens und Nordens
eine Lebensbedingung des deutschen Volkes sei; es wurde jeder Versuch einer
auswärtigen Einmischung in die innere Gestaltung Deutschlands als ein un¬
berechtigter Eingriff zurückgewiesen, dann die Schutz- und Trutzbündnisse und
die Zollvereinsverträge, welche noch der Genehmigung durch die Kammern
bedurften, als Anfänge der nationalen Gemeinschaft anerkannt, der Wunsch
nach weiteren gemeinsamen Einrichtungen ausgedrückt, schließlich aber erklärt,
daß der Eintritt der süddeutschen Staaten in den norddeutschen Bund der
einzige Weg sei zur vollen Einigung Deutschlands, ein Weg, der durch den
Prager Frieden nicht verschlossen sei. Marquard Varth hatte der Versamm¬
lung präsidire, Bluntschli die Resolutionen staatsrechtlich begründet. Erlangen
wurde als der Sitz des Ausschusses der bayrischen Fortschrittspartei zum


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[0147] sehen haben, die seine Thätigkeit treffen würden, wenn dieselbe auch diesmal wieder die Steuerreform nicht fertig bringen sollte. Darüber, daß sein neuester Beschluß eine dauernde Rolle nicht zu spielen berufen ist, wird er sich wahr- scheinlich selbst keine Illusionen machen, denn das jüngste Fiasco in der Steuerreformfrage hat seinen irgend belehrbaren Mitgliedern ein höchst ver¬ nehmliches Nsmeuto mori zugerufen. Wie Karlsruher Versammlung am 8. und 9. Januar. Die erste Versammlung der südmainischen nationalen fand am 14. Oc- tober 1866 zu Stuttgart statt. Nach den Friedensschlüssen galt es zu ver¬ abreden, welche Haltung die deutschen Parteien in Bayern, Würtemberg, Baden und Hessen nunmehr einnehmen sollten. Damals wurde in erster Linie noch die Theilnahme der Süddeutschen am constituirenden Reichstage verlangt. Sollte dies aber angesichts der Friedensverträge undurchführbar sein, so wurden folgende Forderungen als die nächsten bezeichnet: ein Waffen- bündniß mit dem Norden, die vertragsmäßige Übertragung der Diplomatie auf Preußen, die Einführung des preußischen Wehrsystems, die Reorganisation des Zollvereins unter Beseitigung des liberum veto und unter parlamen¬ tarischer Theilnahme der Süddeutschen an der Zollvereinsgesetzgebung. Von diesen Forderungen war ein guter Theil verwirklicht, als am 3. und 4. August 1867 die Vertreter der 4 süddeutschen Staaten abermals in der Liederhalle zu Stuttgart sich versammelten. In den neuen Resolutionen wurde vorangestellt, daß die Wiedervereinigung des Südens und Nordens eine Lebensbedingung des deutschen Volkes sei; es wurde jeder Versuch einer auswärtigen Einmischung in die innere Gestaltung Deutschlands als ein un¬ berechtigter Eingriff zurückgewiesen, dann die Schutz- und Trutzbündnisse und die Zollvereinsverträge, welche noch der Genehmigung durch die Kammern bedurften, als Anfänge der nationalen Gemeinschaft anerkannt, der Wunsch nach weiteren gemeinsamen Einrichtungen ausgedrückt, schließlich aber erklärt, daß der Eintritt der süddeutschen Staaten in den norddeutschen Bund der einzige Weg sei zur vollen Einigung Deutschlands, ein Weg, der durch den Prager Frieden nicht verschlossen sei. Marquard Varth hatte der Versamm¬ lung präsidire, Bluntschli die Resolutionen staatsrechtlich begründet. Erlangen wurde als der Sitz des Ausschusses der bayrischen Fortschrittspartei zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/147>, abgerufen am 26.06.2024.