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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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zweifelt und daher vor der Bewilligung der letzteren den Nachweis des erste¬
ren fordert.

Alle übrigen Aufgaben, mit Ausnahme der Steuerreform, hat der Land¬
tag erledigt: aber gerade, daß er mit dieser nicht zu Stande kommen kann,
ist ein Zeichen seiner Altersschwäche und Hinfälligkeit. Gleichwohl hat er
manche Angelegenheit in einer Weise erledigt, die auf eine recht energische
Thatkraft schließen lassen könnte. Vor allem ist die bei jeder Gelegenheit
gegen den norddeutschen Bund offen zur Schau getragene Abneigung auch
dieses Mal deutlich zu Tage getreten; der Landtag weigerte sich z. B. be¬
harrlich die Kosten zur Errichtung der durch die norddeutsche Maß- und Ge¬
wichtsordnung nöthig gewordenen neuen Eichungsämter zu bewilligen.

Um ungestraft auf den norddeutschen Bund schmähen zu können , hätte der
Landtag sich beinahe gar verleiten lassen, eine Revision des mecklenburgischen
Preßgesetzes in Erwägung zu ziehen! Durch die von beiden Regierungen ge¬
stellte Forderung, ihre neu creirten Cassenanweisungen an den gemeinschaft¬
lichen, landesherrlich-ständischen Cassen anzunehmen, fanden die Stände Gelegen¬
heit sich mit der Frage nach der Zulässigkeit derartiger einseitiger Papier¬
geldemissionen zu beschäftigen; doch überließen sie die Antwort dem engeren
Ausschuß, der auf dem nächsten Landtag darüber berichten soll. Nachdem den
schwerinschen Ständen die Zusicherung ertheilt worden, daß die bei ihren
Cassen eingehenden Renteianweisungen jederzeit gegen baar eingelöst werden
sollen (während sie nach früherer Bestimmung bis zum Jahre 1873 unein-
löslich sein, dafür aber 2"/" jährlicher Zinsen tragen sollten) haben die Stände
sich zur Annahme derselben bereit erklärt, auch die auf Beschränkung der
Emission auf den jetzigen Betrag gerichtete Forderung fallen lassen. Die
Regierung hat sich inzwischen durch die Vorstellungen des mecklenburgischen
Handelsvereins veranlaßt gesehen, die sofortige Einlösung zu verheißen.

Großes Aufsehen und Mißfallen hat die vom Landtage genehmigte Zu¬
satzverordnung zum mecklenburgischen Preßgesetz hervorgerufen. Die bisher
zulässig gewesene Entziehung der Befugniß zum Betriebe der Preßgewerbe auf
administrativen Wege war durch die Gewerbeordnung aufgehoben worden. Die
dadurch in unser Preßgesetz gerissene Lücke soll durch eine Zusatzordnung aus¬
gefüllt werden, welche bestimmt, in welchen Fällen auf Entziehung der Befugniß
zum Betrieb des Preßgewerbes durch richterliches Urtheil erkannt werden muß.
Wer innerhalb fünf Jahren zweimal wegen Preßvergehen -- gleichviel welcher
Art -- verurtheilt wird, ist mit Untersagung des Betriebes und Confiscation
des im Betrieb seines Preßgewerbes steckenden Capitals bedroht. Die Folge
wird hoffentlich nicht die sein, daß das freie Wort sich aus Mecklenburg
wieder in die freier gehandhabte auswärtige Presse flüchtet. -- Der Landtag
mag, als er diese Preßnovelle moderte, instinctiv die Kritiken voraus ge-


zweifelt und daher vor der Bewilligung der letzteren den Nachweis des erste¬
ren fordert.

Alle übrigen Aufgaben, mit Ausnahme der Steuerreform, hat der Land¬
tag erledigt: aber gerade, daß er mit dieser nicht zu Stande kommen kann,
ist ein Zeichen seiner Altersschwäche und Hinfälligkeit. Gleichwohl hat er
manche Angelegenheit in einer Weise erledigt, die auf eine recht energische
Thatkraft schließen lassen könnte. Vor allem ist die bei jeder Gelegenheit
gegen den norddeutschen Bund offen zur Schau getragene Abneigung auch
dieses Mal deutlich zu Tage getreten; der Landtag weigerte sich z. B. be¬
harrlich die Kosten zur Errichtung der durch die norddeutsche Maß- und Ge¬
wichtsordnung nöthig gewordenen neuen Eichungsämter zu bewilligen.

Um ungestraft auf den norddeutschen Bund schmähen zu können , hätte der
Landtag sich beinahe gar verleiten lassen, eine Revision des mecklenburgischen
Preßgesetzes in Erwägung zu ziehen! Durch die von beiden Regierungen ge¬
stellte Forderung, ihre neu creirten Cassenanweisungen an den gemeinschaft¬
lichen, landesherrlich-ständischen Cassen anzunehmen, fanden die Stände Gelegen¬
heit sich mit der Frage nach der Zulässigkeit derartiger einseitiger Papier¬
geldemissionen zu beschäftigen; doch überließen sie die Antwort dem engeren
Ausschuß, der auf dem nächsten Landtag darüber berichten soll. Nachdem den
schwerinschen Ständen die Zusicherung ertheilt worden, daß die bei ihren
Cassen eingehenden Renteianweisungen jederzeit gegen baar eingelöst werden
sollen (während sie nach früherer Bestimmung bis zum Jahre 1873 unein-
löslich sein, dafür aber 2"/» jährlicher Zinsen tragen sollten) haben die Stände
sich zur Annahme derselben bereit erklärt, auch die auf Beschränkung der
Emission auf den jetzigen Betrag gerichtete Forderung fallen lassen. Die
Regierung hat sich inzwischen durch die Vorstellungen des mecklenburgischen
Handelsvereins veranlaßt gesehen, die sofortige Einlösung zu verheißen.

Großes Aufsehen und Mißfallen hat die vom Landtage genehmigte Zu¬
satzverordnung zum mecklenburgischen Preßgesetz hervorgerufen. Die bisher
zulässig gewesene Entziehung der Befugniß zum Betriebe der Preßgewerbe auf
administrativen Wege war durch die Gewerbeordnung aufgehoben worden. Die
dadurch in unser Preßgesetz gerissene Lücke soll durch eine Zusatzordnung aus¬
gefüllt werden, welche bestimmt, in welchen Fällen auf Entziehung der Befugniß
zum Betrieb des Preßgewerbes durch richterliches Urtheil erkannt werden muß.
Wer innerhalb fünf Jahren zweimal wegen Preßvergehen — gleichviel welcher
Art — verurtheilt wird, ist mit Untersagung des Betriebes und Confiscation
des im Betrieb seines Preßgewerbes steckenden Capitals bedroht. Die Folge
wird hoffentlich nicht die sein, daß das freie Wort sich aus Mecklenburg
wieder in die freier gehandhabte auswärtige Presse flüchtet. — Der Landtag
mag, als er diese Preßnovelle moderte, instinctiv die Kritiken voraus ge-


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[0146] zweifelt und daher vor der Bewilligung der letzteren den Nachweis des erste¬ ren fordert. Alle übrigen Aufgaben, mit Ausnahme der Steuerreform, hat der Land¬ tag erledigt: aber gerade, daß er mit dieser nicht zu Stande kommen kann, ist ein Zeichen seiner Altersschwäche und Hinfälligkeit. Gleichwohl hat er manche Angelegenheit in einer Weise erledigt, die auf eine recht energische Thatkraft schließen lassen könnte. Vor allem ist die bei jeder Gelegenheit gegen den norddeutschen Bund offen zur Schau getragene Abneigung auch dieses Mal deutlich zu Tage getreten; der Landtag weigerte sich z. B. be¬ harrlich die Kosten zur Errichtung der durch die norddeutsche Maß- und Ge¬ wichtsordnung nöthig gewordenen neuen Eichungsämter zu bewilligen. Um ungestraft auf den norddeutschen Bund schmähen zu können , hätte der Landtag sich beinahe gar verleiten lassen, eine Revision des mecklenburgischen Preßgesetzes in Erwägung zu ziehen! Durch die von beiden Regierungen ge¬ stellte Forderung, ihre neu creirten Cassenanweisungen an den gemeinschaft¬ lichen, landesherrlich-ständischen Cassen anzunehmen, fanden die Stände Gelegen¬ heit sich mit der Frage nach der Zulässigkeit derartiger einseitiger Papier¬ geldemissionen zu beschäftigen; doch überließen sie die Antwort dem engeren Ausschuß, der auf dem nächsten Landtag darüber berichten soll. Nachdem den schwerinschen Ständen die Zusicherung ertheilt worden, daß die bei ihren Cassen eingehenden Renteianweisungen jederzeit gegen baar eingelöst werden sollen (während sie nach früherer Bestimmung bis zum Jahre 1873 unein- löslich sein, dafür aber 2"/» jährlicher Zinsen tragen sollten) haben die Stände sich zur Annahme derselben bereit erklärt, auch die auf Beschränkung der Emission auf den jetzigen Betrag gerichtete Forderung fallen lassen. Die Regierung hat sich inzwischen durch die Vorstellungen des mecklenburgischen Handelsvereins veranlaßt gesehen, die sofortige Einlösung zu verheißen. Großes Aufsehen und Mißfallen hat die vom Landtage genehmigte Zu¬ satzverordnung zum mecklenburgischen Preßgesetz hervorgerufen. Die bisher zulässig gewesene Entziehung der Befugniß zum Betriebe der Preßgewerbe auf administrativen Wege war durch die Gewerbeordnung aufgehoben worden. Die dadurch in unser Preßgesetz gerissene Lücke soll durch eine Zusatzordnung aus¬ gefüllt werden, welche bestimmt, in welchen Fällen auf Entziehung der Befugniß zum Betrieb des Preßgewerbes durch richterliches Urtheil erkannt werden muß. Wer innerhalb fünf Jahren zweimal wegen Preßvergehen — gleichviel welcher Art — verurtheilt wird, ist mit Untersagung des Betriebes und Confiscation des im Betrieb seines Preßgewerbes steckenden Capitals bedroht. Die Folge wird hoffentlich nicht die sein, daß das freie Wort sich aus Mecklenburg wieder in die freier gehandhabte auswärtige Presse flüchtet. — Der Landtag mag, als er diese Preßnovelle moderte, instinctiv die Kritiken voraus ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/146>, abgerufen am 26.06.2024.