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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Höhe des Aversums von gegen 400,000 Thlr. ein Schwanken der landes¬
herrlichen Jahresbedürfnisse um einige hunderttausend Thaler ohne Einfluß
bleiben soll. Wie oberflächlich die Stände bei Prüfung der Bedürfnißfrage
zu Werke gegangen sein müssen, das hob der Gutsbesitzer Pogge-Poelitz in
einem zum Landtagsprotokoll gegebenen Dictamen hervor, in welchem er die
Behauptung aufstellte, daß erhebliche Summen bis zu 100,000 Thlr. aus
den landesherrlichen Cassen verwandt worden seien, um der Hypothekennoth
einzelner adliger Gutsbesitzer zu steuern. Soll die Steuerkraft des Volkes
angespannt werden, um derartige private Interessen zu befriedigen? Das ge¬
dachte Dictamen rief in der Landtagsversammlung einen solchen Sturm der
Entrüstung hervor, daß mit allen gegen vier Stimmen beschlossen wurde,
dasselbe dem Herrn Pogge brevi manu zu retradiren; aber das Aufsehen
das solche Enthüllungen machen müssen, konnte durch einen derartigen Be¬
schluß der Stände so wenig todt geschwiegen werden, als der Inhalt des
Pogge'schen Dictamen durch eine officiöse Entgegnung in den "Mecklenburgi¬
schen Anzeigen" Lügen gestraft wurde. Die Behauptungen des Herrn Pogge
wurden in der Landtagsversammlung sowohl, wie jetzt in den Mecklenburgi¬
schen Anzeigen geradezu als Verleumdung bezeichnet: während die Stände
sich dafür nur auf die mangelnde Angabe specieller Fälle beriefen, sind
die "Anzeigen" zur Widerlegung des Herrn Pogge auf das originelle
Argument verfallen, daß sie einen Unterschied zwischen den Einkünften des
Domanium und des sogenannten Hausguts fingiren; erstere feien niemals
zu den behaupteten Zwecken verwandt worden, letztere aber füllten die Gro߬
herzogliche Chatoulle, deren Verwendung Niemand zu controliren habe. Nun
gibt es in Mecklenburg allerdings einen Unterschied zwischen Domanium
und Hausgut; derselbe war von rechtlicher Bedeutung aber nur so lange,
als das Staatsgrundgesetz in Geltung stand, durch das er geschaffen war;
im constitutionellen Mecklenburg sollte das Domanium lediglich wirklichen
Staatszwecken, das aus demselben ausgeschiedene Hausgut aber als Chatoull-
gut neben der Civilliste den privaten Bedürfnissen des Landesherrn dienen.
Weshalb man nach der Restauration des patrimonialen Mecklenburg die
Einteilung in Domanium und Hausgut beibehielt, ist nicht recht klar: ge¬
wiß ist aber, daß diese Einteilung lediglich eine administrative ist. Sind
also die Erträge des Hausguts, wie die M. A. zugeben, theilweise zu den
von Pogge behaupteten Zwecken verwandt, so braucht dieser der Ausforderung
der M. A. Namen zu nennen, nicht mehr nachzukommen. Zudem nimmt
die Großherzogliche Regierung das Recht freiester Verfügung über alle
Dominialeinkünfte in Anspruch. Hat sie Mittel zu den von Pogge-Poelitz
behaupteten Zwecken übrig, so kann man diesem nicht verdenken, daß er an
dem Vorhandensein eines Bedürfnisses zur Aufbringung weiterer Steuern


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Höhe des Aversums von gegen 400,000 Thlr. ein Schwanken der landes¬
herrlichen Jahresbedürfnisse um einige hunderttausend Thaler ohne Einfluß
bleiben soll. Wie oberflächlich die Stände bei Prüfung der Bedürfnißfrage
zu Werke gegangen sein müssen, das hob der Gutsbesitzer Pogge-Poelitz in
einem zum Landtagsprotokoll gegebenen Dictamen hervor, in welchem er die
Behauptung aufstellte, daß erhebliche Summen bis zu 100,000 Thlr. aus
den landesherrlichen Cassen verwandt worden seien, um der Hypothekennoth
einzelner adliger Gutsbesitzer zu steuern. Soll die Steuerkraft des Volkes
angespannt werden, um derartige private Interessen zu befriedigen? Das ge¬
dachte Dictamen rief in der Landtagsversammlung einen solchen Sturm der
Entrüstung hervor, daß mit allen gegen vier Stimmen beschlossen wurde,
dasselbe dem Herrn Pogge brevi manu zu retradiren; aber das Aufsehen
das solche Enthüllungen machen müssen, konnte durch einen derartigen Be¬
schluß der Stände so wenig todt geschwiegen werden, als der Inhalt des
Pogge'schen Dictamen durch eine officiöse Entgegnung in den „Mecklenburgi¬
schen Anzeigen" Lügen gestraft wurde. Die Behauptungen des Herrn Pogge
wurden in der Landtagsversammlung sowohl, wie jetzt in den Mecklenburgi¬
schen Anzeigen geradezu als Verleumdung bezeichnet: während die Stände
sich dafür nur auf die mangelnde Angabe specieller Fälle beriefen, sind
die „Anzeigen" zur Widerlegung des Herrn Pogge auf das originelle
Argument verfallen, daß sie einen Unterschied zwischen den Einkünften des
Domanium und des sogenannten Hausguts fingiren; erstere feien niemals
zu den behaupteten Zwecken verwandt worden, letztere aber füllten die Gro߬
herzogliche Chatoulle, deren Verwendung Niemand zu controliren habe. Nun
gibt es in Mecklenburg allerdings einen Unterschied zwischen Domanium
und Hausgut; derselbe war von rechtlicher Bedeutung aber nur so lange,
als das Staatsgrundgesetz in Geltung stand, durch das er geschaffen war;
im constitutionellen Mecklenburg sollte das Domanium lediglich wirklichen
Staatszwecken, das aus demselben ausgeschiedene Hausgut aber als Chatoull-
gut neben der Civilliste den privaten Bedürfnissen des Landesherrn dienen.
Weshalb man nach der Restauration des patrimonialen Mecklenburg die
Einteilung in Domanium und Hausgut beibehielt, ist nicht recht klar: ge¬
wiß ist aber, daß diese Einteilung lediglich eine administrative ist. Sind
also die Erträge des Hausguts, wie die M. A. zugeben, theilweise zu den
von Pogge behaupteten Zwecken verwandt, so braucht dieser der Ausforderung
der M. A. Namen zu nennen, nicht mehr nachzukommen. Zudem nimmt
die Großherzogliche Regierung das Recht freiester Verfügung über alle
Dominialeinkünfte in Anspruch. Hat sie Mittel zu den von Pogge-Poelitz
behaupteten Zwecken übrig, so kann man diesem nicht verdenken, daß er an
dem Vorhandensein eines Bedürfnisses zur Aufbringung weiterer Steuern


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[0145] Höhe des Aversums von gegen 400,000 Thlr. ein Schwanken der landes¬ herrlichen Jahresbedürfnisse um einige hunderttausend Thaler ohne Einfluß bleiben soll. Wie oberflächlich die Stände bei Prüfung der Bedürfnißfrage zu Werke gegangen sein müssen, das hob der Gutsbesitzer Pogge-Poelitz in einem zum Landtagsprotokoll gegebenen Dictamen hervor, in welchem er die Behauptung aufstellte, daß erhebliche Summen bis zu 100,000 Thlr. aus den landesherrlichen Cassen verwandt worden seien, um der Hypothekennoth einzelner adliger Gutsbesitzer zu steuern. Soll die Steuerkraft des Volkes angespannt werden, um derartige private Interessen zu befriedigen? Das ge¬ dachte Dictamen rief in der Landtagsversammlung einen solchen Sturm der Entrüstung hervor, daß mit allen gegen vier Stimmen beschlossen wurde, dasselbe dem Herrn Pogge brevi manu zu retradiren; aber das Aufsehen das solche Enthüllungen machen müssen, konnte durch einen derartigen Be¬ schluß der Stände so wenig todt geschwiegen werden, als der Inhalt des Pogge'schen Dictamen durch eine officiöse Entgegnung in den „Mecklenburgi¬ schen Anzeigen" Lügen gestraft wurde. Die Behauptungen des Herrn Pogge wurden in der Landtagsversammlung sowohl, wie jetzt in den Mecklenburgi¬ schen Anzeigen geradezu als Verleumdung bezeichnet: während die Stände sich dafür nur auf die mangelnde Angabe specieller Fälle beriefen, sind die „Anzeigen" zur Widerlegung des Herrn Pogge auf das originelle Argument verfallen, daß sie einen Unterschied zwischen den Einkünften des Domanium und des sogenannten Hausguts fingiren; erstere feien niemals zu den behaupteten Zwecken verwandt worden, letztere aber füllten die Gro߬ herzogliche Chatoulle, deren Verwendung Niemand zu controliren habe. Nun gibt es in Mecklenburg allerdings einen Unterschied zwischen Domanium und Hausgut; derselbe war von rechtlicher Bedeutung aber nur so lange, als das Staatsgrundgesetz in Geltung stand, durch das er geschaffen war; im constitutionellen Mecklenburg sollte das Domanium lediglich wirklichen Staatszwecken, das aus demselben ausgeschiedene Hausgut aber als Chatoull- gut neben der Civilliste den privaten Bedürfnissen des Landesherrn dienen. Weshalb man nach der Restauration des patrimonialen Mecklenburg die Einteilung in Domanium und Hausgut beibehielt, ist nicht recht klar: ge¬ wiß ist aber, daß diese Einteilung lediglich eine administrative ist. Sind also die Erträge des Hausguts, wie die M. A. zugeben, theilweise zu den von Pogge behaupteten Zwecken verwandt, so braucht dieser der Ausforderung der M. A. Namen zu nennen, nicht mehr nachzukommen. Zudem nimmt die Großherzogliche Regierung das Recht freiester Verfügung über alle Dominialeinkünfte in Anspruch. Hat sie Mittel zu den von Pogge-Poelitz behaupteten Zwecken übrig, so kann man diesem nicht verdenken, daß er an dem Vorhandensein eines Bedürfnisses zur Aufbringung weiterer Steuern 18*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/145>, abgerufen am 26.06.2024.