Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

man die Bevorzugung sehr lebhaft an, äußert das mit nationaler Lebhaftigkeit,
enthusiasmirt sich leicht für die schöne Frau und virtuose Reiterin -- was
ist natürlicher, als daß die KlM auf der einen Seite immer weiter, der Zug
nach der anderen Seite immer stärker wird. Und das meinen die klugen
Leute durch Necken und Nörgeln ändern zu können.

Um zu der Frage des "Ausgleichs" zurückzukehren: der Reichsrath
scheint entschlossen, diese Frage nicht an sich herankommen zu lassen. Graf
Spiegel, ein Mann, welcher auch im vorigen Jahre bei Besprechung der Be¬
ziehungen Oestreichs zu Preußen verständige Anschauungen geltend machte,
hatte einen Adreßentwurf eingebracht, welcher in der mildesten Weise und bei
voller Wahrung der Verfassungstreue die Nothwendigkeit mit den Czechen
auf einen anderen Fuß zu kommen betonte; diesen Entwurf beseitigte der
Ausschuß sofort und Herren- und Abgeordnetenhaus werden nun aller Wahr¬
scheinlichkeit noch Adressen erlassen, welche umständlich auseinandersetzen,
daß die Verfassung zu Recht bestehe, allen Nationalitäten gleiche Freiheit
gewähre u. s. w. Damit beruhigten die Herrn sich auch immer, so lange
es sich noch darum handelte, der Verfassung Anerkennung in Ungarn zu er¬
wirken. Und wieder werden die Ultraczechen höhnen: wir wollen gar keine
Zugeständnisse von der Wiener Regierung, je länger sie sich sperrt, desto
mehr haben wir zu erreichen Aussicht. Und sie werden wohl Recht behalten!




Mecklenburgische Lundtags^Correspondenz.

Von Tag zu Tag und von Woche zu Woche und endlich von Monat
zu Monat zögerte ich, Ihnen über die Thätigkeit unseres seit dem 10. No¬
vember v. I. versammelten Landtags zu berichten, immer in der Hoffnung,
die Verhandlungen desselben über die auf der Tagesordnung obenanstehende
Steuerreform würden endlich zu irgend einem Resultat führen. Heute endlich
kann ich Ihnen ein solches Resultat melden. Zwei Monate lang haben die
Stände beider Mecklenburg mit den Regierungen und unter einander hin
und her verhandelt über die schon im vorigen Winter zu Malchin fruchtlos
erörterte Frage der Revision des ordentlichen und außerordentlichen Contri-
vutionsmodus, ohne daß sie dem Ziele auch nur um einen Schritt näher


man die Bevorzugung sehr lebhaft an, äußert das mit nationaler Lebhaftigkeit,
enthusiasmirt sich leicht für die schöne Frau und virtuose Reiterin — was
ist natürlicher, als daß die KlM auf der einen Seite immer weiter, der Zug
nach der anderen Seite immer stärker wird. Und das meinen die klugen
Leute durch Necken und Nörgeln ändern zu können.

Um zu der Frage des „Ausgleichs" zurückzukehren: der Reichsrath
scheint entschlossen, diese Frage nicht an sich herankommen zu lassen. Graf
Spiegel, ein Mann, welcher auch im vorigen Jahre bei Besprechung der Be¬
ziehungen Oestreichs zu Preußen verständige Anschauungen geltend machte,
hatte einen Adreßentwurf eingebracht, welcher in der mildesten Weise und bei
voller Wahrung der Verfassungstreue die Nothwendigkeit mit den Czechen
auf einen anderen Fuß zu kommen betonte; diesen Entwurf beseitigte der
Ausschuß sofort und Herren- und Abgeordnetenhaus werden nun aller Wahr¬
scheinlichkeit noch Adressen erlassen, welche umständlich auseinandersetzen,
daß die Verfassung zu Recht bestehe, allen Nationalitäten gleiche Freiheit
gewähre u. s. w. Damit beruhigten die Herrn sich auch immer, so lange
es sich noch darum handelte, der Verfassung Anerkennung in Ungarn zu er¬
wirken. Und wieder werden die Ultraczechen höhnen: wir wollen gar keine
Zugeständnisse von der Wiener Regierung, je länger sie sich sperrt, desto
mehr haben wir zu erreichen Aussicht. Und sie werden wohl Recht behalten!




Mecklenburgische Lundtags^Correspondenz.

Von Tag zu Tag und von Woche zu Woche und endlich von Monat
zu Monat zögerte ich, Ihnen über die Thätigkeit unseres seit dem 10. No¬
vember v. I. versammelten Landtags zu berichten, immer in der Hoffnung,
die Verhandlungen desselben über die auf der Tagesordnung obenanstehende
Steuerreform würden endlich zu irgend einem Resultat führen. Heute endlich
kann ich Ihnen ein solches Resultat melden. Zwei Monate lang haben die
Stände beider Mecklenburg mit den Regierungen und unter einander hin
und her verhandelt über die schon im vorigen Winter zu Malchin fruchtlos
erörterte Frage der Revision des ordentlichen und außerordentlichen Contri-
vutionsmodus, ohne daß sie dem Ziele auch nur um einen Schritt näher


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0141" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123229"/>
          <p xml:id="ID_387" prev="#ID_386"> man die Bevorzugung sehr lebhaft an, äußert das mit nationaler Lebhaftigkeit,<lb/>
enthusiasmirt sich leicht für die schöne Frau und virtuose Reiterin &#x2014; was<lb/>
ist natürlicher, als daß die KlM auf der einen Seite immer weiter, der Zug<lb/>
nach der anderen Seite immer stärker wird. Und das meinen die klugen<lb/>
Leute durch Necken und Nörgeln ändern zu können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_388"> Um zu der Frage des &#x201E;Ausgleichs" zurückzukehren: der Reichsrath<lb/>
scheint entschlossen, diese Frage nicht an sich herankommen zu lassen. Graf<lb/>
Spiegel, ein Mann, welcher auch im vorigen Jahre bei Besprechung der Be¬<lb/>
ziehungen Oestreichs zu Preußen verständige Anschauungen geltend machte,<lb/>
hatte einen Adreßentwurf eingebracht, welcher in der mildesten Weise und bei<lb/>
voller Wahrung der Verfassungstreue die Nothwendigkeit mit den Czechen<lb/>
auf einen anderen Fuß zu kommen betonte; diesen Entwurf beseitigte der<lb/>
Ausschuß sofort und Herren- und Abgeordnetenhaus werden nun aller Wahr¬<lb/>
scheinlichkeit noch Adressen erlassen, welche umständlich auseinandersetzen,<lb/>
daß die Verfassung zu Recht bestehe, allen Nationalitäten gleiche Freiheit<lb/>
gewähre u. s. w. Damit beruhigten die Herrn sich auch immer, so lange<lb/>
es sich noch darum handelte, der Verfassung Anerkennung in Ungarn zu er¬<lb/>
wirken. Und wieder werden die Ultraczechen höhnen: wir wollen gar keine<lb/>
Zugeständnisse von der Wiener Regierung, je länger sie sich sperrt, desto<lb/>
mehr haben wir zu erreichen Aussicht. Und sie werden wohl Recht behalten!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Mecklenburgische Lundtags^Correspondenz.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_389" next="#ID_390"> Von Tag zu Tag und von Woche zu Woche und endlich von Monat<lb/>
zu Monat zögerte ich, Ihnen über die Thätigkeit unseres seit dem 10. No¬<lb/>
vember v. I. versammelten Landtags zu berichten, immer in der Hoffnung,<lb/>
die Verhandlungen desselben über die auf der Tagesordnung obenanstehende<lb/>
Steuerreform würden endlich zu irgend einem Resultat führen. Heute endlich<lb/>
kann ich Ihnen ein solches Resultat melden. Zwei Monate lang haben die<lb/>
Stände beider Mecklenburg mit den Regierungen und unter einander hin<lb/>
und her verhandelt über die schon im vorigen Winter zu Malchin fruchtlos<lb/>
erörterte Frage der Revision des ordentlichen und außerordentlichen Contri-<lb/>
vutionsmodus, ohne daß sie dem Ziele auch nur um einen Schritt näher</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0141] man die Bevorzugung sehr lebhaft an, äußert das mit nationaler Lebhaftigkeit, enthusiasmirt sich leicht für die schöne Frau und virtuose Reiterin — was ist natürlicher, als daß die KlM auf der einen Seite immer weiter, der Zug nach der anderen Seite immer stärker wird. Und das meinen die klugen Leute durch Necken und Nörgeln ändern zu können. Um zu der Frage des „Ausgleichs" zurückzukehren: der Reichsrath scheint entschlossen, diese Frage nicht an sich herankommen zu lassen. Graf Spiegel, ein Mann, welcher auch im vorigen Jahre bei Besprechung der Be¬ ziehungen Oestreichs zu Preußen verständige Anschauungen geltend machte, hatte einen Adreßentwurf eingebracht, welcher in der mildesten Weise und bei voller Wahrung der Verfassungstreue die Nothwendigkeit mit den Czechen auf einen anderen Fuß zu kommen betonte; diesen Entwurf beseitigte der Ausschuß sofort und Herren- und Abgeordnetenhaus werden nun aller Wahr¬ scheinlichkeit noch Adressen erlassen, welche umständlich auseinandersetzen, daß die Verfassung zu Recht bestehe, allen Nationalitäten gleiche Freiheit gewähre u. s. w. Damit beruhigten die Herrn sich auch immer, so lange es sich noch darum handelte, der Verfassung Anerkennung in Ungarn zu er¬ wirken. Und wieder werden die Ultraczechen höhnen: wir wollen gar keine Zugeständnisse von der Wiener Regierung, je länger sie sich sperrt, desto mehr haben wir zu erreichen Aussicht. Und sie werden wohl Recht behalten! Mecklenburgische Lundtags^Correspondenz. Von Tag zu Tag und von Woche zu Woche und endlich von Monat zu Monat zögerte ich, Ihnen über die Thätigkeit unseres seit dem 10. No¬ vember v. I. versammelten Landtags zu berichten, immer in der Hoffnung, die Verhandlungen desselben über die auf der Tagesordnung obenanstehende Steuerreform würden endlich zu irgend einem Resultat führen. Heute endlich kann ich Ihnen ein solches Resultat melden. Zwei Monate lang haben die Stände beider Mecklenburg mit den Regierungen und unter einander hin und her verhandelt über die schon im vorigen Winter zu Malchin fruchtlos erörterte Frage der Revision des ordentlichen und außerordentlichen Contri- vutionsmodus, ohne daß sie dem Ziele auch nur um einen Schritt näher

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/141
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/141>, abgerufen am 26.06.2024.