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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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gerückt wären. Eine Einigung über den bei Eröffnung des Landtags den
Ständen vorgelegten revidirten Entwurf war nicht zu erreichen und die Re¬
gierung von Schwerin -- der die Strelitzer folgen zu wollen erklärte -- legte
daher am 11. d. M. einen abermals neu revidirten Entwurf vor, indem sie
zugleich durch den Mund der landesherrlichen Landtagscommissarien verkaut'
harte, daß der Landtag auf eine Verabschiedung vor einer -- wenigstens
im Princip -- erreichten Einigung nicht rechnen dürfe. Und dennoch war
der Stände Bleiben nicht länger in Sternberg. Die Zeit des Antoni-
termins, in dem in Mecklenburg nach Landesüblichkeit die großen Geld¬
versuren statt zu finden Pflegen, war mittlerweile herangerückt. Hatte bis
jetzt auch noch neben den die Landschaft (Städte) vertretenden Bürgermeistern
ein Eliteeorps der Ritterschaft, das indeß kaum noch 30 Mann von mehr
als einem halben Tausend landtagsfähiger Gutsbesitzer zählte, wacker aus¬
ausgeharrt, so trieb es endlich doch auch diese nach Hause, der mit jedem
größeren Grundbesitz verbundenen Terminsgeschäfte zu warten. Und in
zwölfter Stunde hat die Regierung sich der Noth ihrer "Besten, Lieben Ge¬
treuen" erbarmt. Heute stattete das zur Vorberathung der neuen Steuer¬
vorlage erwählte ständische Comite in pleno seinen vorläufigen Bericht dahin
ab. daß es vor eingehender Prüfung derselben (die ohne weitere regierungs¬
seitige Vorlagen nicht geschehen könne) unmöglich sei. zu denselben Stellung
zu nehmen; man möge dies den Regierungen mittheilen und nochmal vor¬
läufige Vertagung des Landtags erbitten, damit die Comite'mitglieder zu
besserer Information Zeit gewännen. Dieser wiederholten Bitte konnten die
Regierungen nicht widerstehen und der Landtag ist heute Nachmittag 6 Uhr bis
zum 11. Febr. vertagt worden, nachdem derselbe durch eine provisorische Be¬
willigung die vorläufige Forterhebung der bisherigen Contribution ge¬
sichert hat.

Während des Antonitermins, der die beiden um den 17. Januar herum¬
liegenden Wochen umfaßt, müssen die Comitemitglieder sich noch die Zeit ab¬
müßigen, die neuen Steuervorlagen zu prüfen; gelingt ihnen das nicht, so
ist ja nachher immer noch Zeit dazu. Vorläufig sind die Stände froh, eine
Galgenfrist von vier Wochen gewonnen zu haben.

Inzwischen sei es uns gestattet, einen flüchtigen Rückblick auf die bis¬
herige Thätigkeit des Landtags zu werfen. Eine Diät von der Dauer der
diesmaligen ist in den Annalen der mecklenburgischen Geschichte fast unerhört.
Regelmäßig waren bisher die Geschäfte in ungefähr einem Monat erledigt,
so daß die gesetzlich allemal im November, als der bequemsten Zeit, zu ver¬
sammelnden Stände im Bewußtsein gethaner Pflicht in die ritterliche Burg
und hinter die schirmenden Mauern ihrer Städte zurückkehren konnten. Nur
ausnahmsweise wurden die Verhandlungen über Weihnachten hinaus sortgesetzt.


gerückt wären. Eine Einigung über den bei Eröffnung des Landtags den
Ständen vorgelegten revidirten Entwurf war nicht zu erreichen und die Re¬
gierung von Schwerin — der die Strelitzer folgen zu wollen erklärte — legte
daher am 11. d. M. einen abermals neu revidirten Entwurf vor, indem sie
zugleich durch den Mund der landesherrlichen Landtagscommissarien verkaut'
harte, daß der Landtag auf eine Verabschiedung vor einer — wenigstens
im Princip — erreichten Einigung nicht rechnen dürfe. Und dennoch war
der Stände Bleiben nicht länger in Sternberg. Die Zeit des Antoni-
termins, in dem in Mecklenburg nach Landesüblichkeit die großen Geld¬
versuren statt zu finden Pflegen, war mittlerweile herangerückt. Hatte bis
jetzt auch noch neben den die Landschaft (Städte) vertretenden Bürgermeistern
ein Eliteeorps der Ritterschaft, das indeß kaum noch 30 Mann von mehr
als einem halben Tausend landtagsfähiger Gutsbesitzer zählte, wacker aus¬
ausgeharrt, so trieb es endlich doch auch diese nach Hause, der mit jedem
größeren Grundbesitz verbundenen Terminsgeschäfte zu warten. Und in
zwölfter Stunde hat die Regierung sich der Noth ihrer „Besten, Lieben Ge¬
treuen" erbarmt. Heute stattete das zur Vorberathung der neuen Steuer¬
vorlage erwählte ständische Comite in pleno seinen vorläufigen Bericht dahin
ab. daß es vor eingehender Prüfung derselben (die ohne weitere regierungs¬
seitige Vorlagen nicht geschehen könne) unmöglich sei. zu denselben Stellung
zu nehmen; man möge dies den Regierungen mittheilen und nochmal vor¬
läufige Vertagung des Landtags erbitten, damit die Comite'mitglieder zu
besserer Information Zeit gewännen. Dieser wiederholten Bitte konnten die
Regierungen nicht widerstehen und der Landtag ist heute Nachmittag 6 Uhr bis
zum 11. Febr. vertagt worden, nachdem derselbe durch eine provisorische Be¬
willigung die vorläufige Forterhebung der bisherigen Contribution ge¬
sichert hat.

Während des Antonitermins, der die beiden um den 17. Januar herum¬
liegenden Wochen umfaßt, müssen die Comitemitglieder sich noch die Zeit ab¬
müßigen, die neuen Steuervorlagen zu prüfen; gelingt ihnen das nicht, so
ist ja nachher immer noch Zeit dazu. Vorläufig sind die Stände froh, eine
Galgenfrist von vier Wochen gewonnen zu haben.

Inzwischen sei es uns gestattet, einen flüchtigen Rückblick auf die bis¬
herige Thätigkeit des Landtags zu werfen. Eine Diät von der Dauer der
diesmaligen ist in den Annalen der mecklenburgischen Geschichte fast unerhört.
Regelmäßig waren bisher die Geschäfte in ungefähr einem Monat erledigt,
so daß die gesetzlich allemal im November, als der bequemsten Zeit, zu ver¬
sammelnden Stände im Bewußtsein gethaner Pflicht in die ritterliche Burg
und hinter die schirmenden Mauern ihrer Städte zurückkehren konnten. Nur
ausnahmsweise wurden die Verhandlungen über Weihnachten hinaus sortgesetzt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/142>, abgerufen am 26.06.2024.