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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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dings zur k. k. Ulanenuniform gehört, trägt der Krakuse einen hohen spitzen
Hut, mit breiter Krämpe, um den ein rothes, mit Silberflittern, zuweilen
auch mit kleinen Heiligenbildern geschmücktes breites Band gewunden ist. Statt
des ausgenähten dunkelfarbigen Schnurrocks trägt er im Winter den glänzend
weißen Schafpelz, gleichfalls mit rothen Bändern und breitem rothen Gurt verziert,
eine Kleidung, die namentlich zierlichen Mädchengesichtern trefflich zu Geficht steht;
die breiten blauen Beinkleider sind in die bis an die halbe Wade reichenden
Stiefel gesteckt und im Gurt hängt eine schwere, mit Blech beschlagene Peit¬
sche. Aus tief gebräuntem Gesicht sehen ein Paar dunkele Augen heraus,
das Kinn ist rasirt, die Oberlippe mit schwarzem Schnurrbart geziert. --

Ich folgte einem Trupp von Landleuten, der die breite Se. Floriansstraße
herab zum Ring (Markt) schritt und dann im Portal der trotz ihres gemisch¬
ten (nur halb gothischen) Stils höchstimposanten Marienkirche verschwand. Dieser
Kirche gegenüber liegt ein riesiger Bau, dessen wunderliche, alterthümliche
Gestalt die Neugier des Fremden zu mächtig reizt, als daß er dem Strom
der Kirchengänger sofort folgen Formte. In Mitten des Markes, der durch
die umgebenden Kirchen und Thürme an und für sich schon einen stattlichen,
vornehmen Eindruck macht, ragt eine mächtige ungetünchte Wand empor,
die weder Dach noch Fenster zeigt; um dieser gewahr zu werden muß man
um den Platz herum auf die der Marienkirche gegenüberliegende Seite gehen;
die hier sichtbare Front des Gebäudes ist niedriger als die der Marienkirche
benachbarte und mit jener durch ein schräges, steil abfallendes Dach verbun¬
den. Hundertundsechzig Schritte hat man zu gehen um von der nördlichen
an die südliche Ecke der Tuchhalle zu gelangen, die Kasimir der Große,
der Begründer der polnischen Großmacht, im I. 1358 aufführen ließ, um dem
damals reichen Manufacturhandel seiner Hauptstadt einen Mittelpunkt zu
geben; 1557 restaurirt, macht dieses Gebäude, das heute zur städtischen
Waage und zum Waarenmagaziu dient, den Eindruck, einer Zeit anzuge¬
hören, in welcher der Sarmate noch halb in nomadischen Gewohnheiten stak
und das Haus blos für ein steinernes Zelt ansah. -- Rechts sieht ein uralter
Thurm, der einzige Ueberrest des früheren Rathhauses, auf die ehrwürdige
Zeitgenossin des großen Kasimir hinab; blos durch die Hauptwache von ihm
getrennt liegt eines der ältesten Denkmäler polnischer Katholicität, die schon
im 10. Jahrhundert begründete Capelle des heiligen Adelbert des Apostels
der Preußen und der Polen.

Kehren wir zur Marienkirche zurück. Von den zwei stattlichen Thürmen,
die an ihrem Eingang emporragen, ist einer von einer reich vergoldeten
Krone umgeben, die. wie von unsichtbarer Hand gehalten, über seiner Spitze
schwebt. An ein paar ziemlich roh geschnitzten Figuren vorüber (die Kirche
ist im 13. Jahrhundert erbaut) geht es in das Innere. Der hohe Dom,


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dings zur k. k. Ulanenuniform gehört, trägt der Krakuse einen hohen spitzen
Hut, mit breiter Krämpe, um den ein rothes, mit Silberflittern, zuweilen
auch mit kleinen Heiligenbildern geschmücktes breites Band gewunden ist. Statt
des ausgenähten dunkelfarbigen Schnurrocks trägt er im Winter den glänzend
weißen Schafpelz, gleichfalls mit rothen Bändern und breitem rothen Gurt verziert,
eine Kleidung, die namentlich zierlichen Mädchengesichtern trefflich zu Geficht steht;
die breiten blauen Beinkleider sind in die bis an die halbe Wade reichenden
Stiefel gesteckt und im Gurt hängt eine schwere, mit Blech beschlagene Peit¬
sche. Aus tief gebräuntem Gesicht sehen ein Paar dunkele Augen heraus,
das Kinn ist rasirt, die Oberlippe mit schwarzem Schnurrbart geziert. —

Ich folgte einem Trupp von Landleuten, der die breite Se. Floriansstraße
herab zum Ring (Markt) schritt und dann im Portal der trotz ihres gemisch¬
ten (nur halb gothischen) Stils höchstimposanten Marienkirche verschwand. Dieser
Kirche gegenüber liegt ein riesiger Bau, dessen wunderliche, alterthümliche
Gestalt die Neugier des Fremden zu mächtig reizt, als daß er dem Strom
der Kirchengänger sofort folgen Formte. In Mitten des Markes, der durch
die umgebenden Kirchen und Thürme an und für sich schon einen stattlichen,
vornehmen Eindruck macht, ragt eine mächtige ungetünchte Wand empor,
die weder Dach noch Fenster zeigt; um dieser gewahr zu werden muß man
um den Platz herum auf die der Marienkirche gegenüberliegende Seite gehen;
die hier sichtbare Front des Gebäudes ist niedriger als die der Marienkirche
benachbarte und mit jener durch ein schräges, steil abfallendes Dach verbun¬
den. Hundertundsechzig Schritte hat man zu gehen um von der nördlichen
an die südliche Ecke der Tuchhalle zu gelangen, die Kasimir der Große,
der Begründer der polnischen Großmacht, im I. 1358 aufführen ließ, um dem
damals reichen Manufacturhandel seiner Hauptstadt einen Mittelpunkt zu
geben; 1557 restaurirt, macht dieses Gebäude, das heute zur städtischen
Waage und zum Waarenmagaziu dient, den Eindruck, einer Zeit anzuge¬
hören, in welcher der Sarmate noch halb in nomadischen Gewohnheiten stak
und das Haus blos für ein steinernes Zelt ansah. — Rechts sieht ein uralter
Thurm, der einzige Ueberrest des früheren Rathhauses, auf die ehrwürdige
Zeitgenossin des großen Kasimir hinab; blos durch die Hauptwache von ihm
getrennt liegt eines der ältesten Denkmäler polnischer Katholicität, die schon
im 10. Jahrhundert begründete Capelle des heiligen Adelbert des Apostels
der Preußen und der Polen.

Kehren wir zur Marienkirche zurück. Von den zwei stattlichen Thürmen,
die an ihrem Eingang emporragen, ist einer von einer reich vergoldeten
Krone umgeben, die. wie von unsichtbarer Hand gehalten, über seiner Spitze
schwebt. An ein paar ziemlich roh geschnitzten Figuren vorüber (die Kirche
ist im 13. Jahrhundert erbaut) geht es in das Innere. Der hohe Dom,


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[0113] dings zur k. k. Ulanenuniform gehört, trägt der Krakuse einen hohen spitzen Hut, mit breiter Krämpe, um den ein rothes, mit Silberflittern, zuweilen auch mit kleinen Heiligenbildern geschmücktes breites Band gewunden ist. Statt des ausgenähten dunkelfarbigen Schnurrocks trägt er im Winter den glänzend weißen Schafpelz, gleichfalls mit rothen Bändern und breitem rothen Gurt verziert, eine Kleidung, die namentlich zierlichen Mädchengesichtern trefflich zu Geficht steht; die breiten blauen Beinkleider sind in die bis an die halbe Wade reichenden Stiefel gesteckt und im Gurt hängt eine schwere, mit Blech beschlagene Peit¬ sche. Aus tief gebräuntem Gesicht sehen ein Paar dunkele Augen heraus, das Kinn ist rasirt, die Oberlippe mit schwarzem Schnurrbart geziert. — Ich folgte einem Trupp von Landleuten, der die breite Se. Floriansstraße herab zum Ring (Markt) schritt und dann im Portal der trotz ihres gemisch¬ ten (nur halb gothischen) Stils höchstimposanten Marienkirche verschwand. Dieser Kirche gegenüber liegt ein riesiger Bau, dessen wunderliche, alterthümliche Gestalt die Neugier des Fremden zu mächtig reizt, als daß er dem Strom der Kirchengänger sofort folgen Formte. In Mitten des Markes, der durch die umgebenden Kirchen und Thürme an und für sich schon einen stattlichen, vornehmen Eindruck macht, ragt eine mächtige ungetünchte Wand empor, die weder Dach noch Fenster zeigt; um dieser gewahr zu werden muß man um den Platz herum auf die der Marienkirche gegenüberliegende Seite gehen; die hier sichtbare Front des Gebäudes ist niedriger als die der Marienkirche benachbarte und mit jener durch ein schräges, steil abfallendes Dach verbun¬ den. Hundertundsechzig Schritte hat man zu gehen um von der nördlichen an die südliche Ecke der Tuchhalle zu gelangen, die Kasimir der Große, der Begründer der polnischen Großmacht, im I. 1358 aufführen ließ, um dem damals reichen Manufacturhandel seiner Hauptstadt einen Mittelpunkt zu geben; 1557 restaurirt, macht dieses Gebäude, das heute zur städtischen Waage und zum Waarenmagaziu dient, den Eindruck, einer Zeit anzuge¬ hören, in welcher der Sarmate noch halb in nomadischen Gewohnheiten stak und das Haus blos für ein steinernes Zelt ansah. — Rechts sieht ein uralter Thurm, der einzige Ueberrest des früheren Rathhauses, auf die ehrwürdige Zeitgenossin des großen Kasimir hinab; blos durch die Hauptwache von ihm getrennt liegt eines der ältesten Denkmäler polnischer Katholicität, die schon im 10. Jahrhundert begründete Capelle des heiligen Adelbert des Apostels der Preußen und der Polen. Kehren wir zur Marienkirche zurück. Von den zwei stattlichen Thürmen, die an ihrem Eingang emporragen, ist einer von einer reich vergoldeten Krone umgeben, die. wie von unsichtbarer Hand gehalten, über seiner Spitze schwebt. An ein paar ziemlich roh geschnitzten Figuren vorüber (die Kirche ist im 13. Jahrhundert erbaut) geht es in das Innere. Der hohe Dom, 14*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/113>, abgerufen am 26.06.2024.