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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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legte er den Minister ab und sprach von Alterthümern und Gemälden, von
den neuesten Entdeckungen der Physik, besonders aber über volkswirthschaft-
liche und handelspolitische Fragen, denn dieß waren eigentlich die Lieblings¬
beschäftigungen der damaligen Italiener, von Mailand droben bis nach
Neapel hinunter. Hierher kamen die Leuchten der exacten Wissenschaft, deren
das Collegio Romano damals wie heute einige von europäischem Namen
aufzuweisen hatte, -- wie der Pater Boscovich und die französischen Patres
des Klosters Trinita de' Monti, Jacquier und Lesueur. Es wurden zwei
Lehrstühle für Chemie und Physik an der Sapienza gegründet und der
botanische Garten wiederhergestellt, der zur Wildniß geworden war. Denk¬
würdig in den Annalen dieser Würde, deren Zierde nun schon so lange
Antonelli ist, bleibt die Thatsache, daß Väterei bei schreckhaften Natur¬
ereignissen Tractätchen verabreichen ließ, welche das Volk über die wahren
Ursachen aufklären und beruhigen sollten. Einer der letzten Briefe, die er
kurz vor seinem Tode, durch apoplectische Anfälle geschwächt, an Bandini in
Florenz schrieb, erhält angelegentliche Erkundigungen nach damals entdeckten
Jneditis des Machiavell. --

Der Stolz und die Freude des Papstes waren die capitolinischen
Sammlungen und Kunstanstalten. Das "Ccunpidoglio" schien damals der
Mittelpunkt des römischen Kunstlebens zu werden. Hier befand sich seit
17S0 eine Academia del nudo; hier fanden die Preisvcrtheiluugen der
Academie von San Luca für Malerei, Sculptur und Architectur statt. Benedict
XIV. kaufte die Gemälde des Palastes Sacchetti und des Cardinals Pio da
Carpi, um den Malern Vorbilder zum Studium zu geben. Diese capitolinische
Gallerie enthielt damals noch die Bilder, welche die unreine Bigotterie unsres
Jahrhunderts in die Academie von S. Luca verwiesen und mit Vorhängen
verhüllt hat.

Das capitolinische Museum strahlte damals im Glanz der Neuheit; erst
seit zwanzig Jahren hatte es angefangen sich zu füllen. Die Villa d' Este
in Tivoli hatte nach und nach ihre besten Werke hergeben müssen, wie sie
sich selbst vor zweihundert Jahren aus dem Schutt der Hadriansvilla be¬
reichert hatten. "Ich gehe, schreibt Winckelmann, in der alten Gestalt und lebe
als ein Künstler, passire auch dafür an Orten, wo man jungen Leuten eine
Erlaubniß ertheilt zu studiren. als im Campidoglio . . . Hier ist der Schatz
von Alterthümern, und man ist hier mit aller Freiheit vom Morgen bis in
den Abend." Vor drei Jahren war die Venus ein Jahrhundert nach ihrer
Auffindung in einer schützenden Nische in der Via del Babuino vom Papst
in der Mitte des Kaiserzimmers aufgestellt worden. Im Jahre 1783 kamen
zwölf Werke an. fast alles Prachtstücke, darunter der praxitelische Satyr, der
bogenspannende Amor, zwei Amazonen, die sogenannte Pandora, die leidende


legte er den Minister ab und sprach von Alterthümern und Gemälden, von
den neuesten Entdeckungen der Physik, besonders aber über volkswirthschaft-
liche und handelspolitische Fragen, denn dieß waren eigentlich die Lieblings¬
beschäftigungen der damaligen Italiener, von Mailand droben bis nach
Neapel hinunter. Hierher kamen die Leuchten der exacten Wissenschaft, deren
das Collegio Romano damals wie heute einige von europäischem Namen
aufzuweisen hatte, — wie der Pater Boscovich und die französischen Patres
des Klosters Trinita de' Monti, Jacquier und Lesueur. Es wurden zwei
Lehrstühle für Chemie und Physik an der Sapienza gegründet und der
botanische Garten wiederhergestellt, der zur Wildniß geworden war. Denk¬
würdig in den Annalen dieser Würde, deren Zierde nun schon so lange
Antonelli ist, bleibt die Thatsache, daß Väterei bei schreckhaften Natur¬
ereignissen Tractätchen verabreichen ließ, welche das Volk über die wahren
Ursachen aufklären und beruhigen sollten. Einer der letzten Briefe, die er
kurz vor seinem Tode, durch apoplectische Anfälle geschwächt, an Bandini in
Florenz schrieb, erhält angelegentliche Erkundigungen nach damals entdeckten
Jneditis des Machiavell. —

Der Stolz und die Freude des Papstes waren die capitolinischen
Sammlungen und Kunstanstalten. Das „Ccunpidoglio" schien damals der
Mittelpunkt des römischen Kunstlebens zu werden. Hier befand sich seit
17S0 eine Academia del nudo; hier fanden die Preisvcrtheiluugen der
Academie von San Luca für Malerei, Sculptur und Architectur statt. Benedict
XIV. kaufte die Gemälde des Palastes Sacchetti und des Cardinals Pio da
Carpi, um den Malern Vorbilder zum Studium zu geben. Diese capitolinische
Gallerie enthielt damals noch die Bilder, welche die unreine Bigotterie unsres
Jahrhunderts in die Academie von S. Luca verwiesen und mit Vorhängen
verhüllt hat.

Das capitolinische Museum strahlte damals im Glanz der Neuheit; erst
seit zwanzig Jahren hatte es angefangen sich zu füllen. Die Villa d' Este
in Tivoli hatte nach und nach ihre besten Werke hergeben müssen, wie sie
sich selbst vor zweihundert Jahren aus dem Schutt der Hadriansvilla be¬
reichert hatten. „Ich gehe, schreibt Winckelmann, in der alten Gestalt und lebe
als ein Künstler, passire auch dafür an Orten, wo man jungen Leuten eine
Erlaubniß ertheilt zu studiren. als im Campidoglio . . . Hier ist der Schatz
von Alterthümern, und man ist hier mit aller Freiheit vom Morgen bis in
den Abend." Vor drei Jahren war die Venus ein Jahrhundert nach ihrer
Auffindung in einer schützenden Nische in der Via del Babuino vom Papst
in der Mitte des Kaiserzimmers aufgestellt worden. Im Jahre 1783 kamen
zwölf Werke an. fast alles Prachtstücke, darunter der praxitelische Satyr, der
bogenspannende Amor, zwei Amazonen, die sogenannte Pandora, die leidende


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/374>, abgerufen am 28.06.2024.