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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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König von Frankreich seine hatte, nur im römisch-päpstlichen Stil. Voran
stand natürlich die Academie der Geschichte der Päpste, die in die Kirche der
Oratorier verlegt ward, wo Baronius seine Annalen geschrieben hatte; diese
sollte ihr Secretär, Joseph Bianchini, fortsetzen, aber er sand sich der Auf¬
gabe nicht gewachsen. Die Academie der Liturgie tagte in Casa de' pli operari,
die der Concile (für canonisches Recht) in der Propaganda. Die interessanteste
für uns aber war die vierte für altrömische Geschichte und profane Alter¬
thümer, deren Studien sich an die Decaden des Livius knüpfen sollten. Man
liebte es, sie als eine Wiedererweckung der Academie anzusehen, die Pom-
ponius Laetus im Jahre 1478 in seinem Garten auf dem Quirinal errichtete
und die bis 1L53 sich erhielt. Der Sitz der jetzigen war das Capital, ihr
Secretär war der gelehrte Archäolog des Cardinals Albani, Monsignore An¬
tonio Baldani, Canonicus am Pantheon, den Winckelmann "den Weisesten
in Rom" nannte; es ist derselbe "bittere und strenge Richter von 72 Jah¬
ren", der ihm das Italienische seiner "Monumenti" durchsah.

Abwechselnd jeden Monat mußt" sich eine Academie im Hause des Papsts
auf dem Quirinal versammeln. In dem Saal waren die Bänke so geordnet,
daß der Papst den Academikern unsichtbar blieb, ausgenommen dem, welcher
den Vortrag hielt. Nach dem Schluß der Sitzung pflegte der Pontifex in
der Gallerie zu spazieren, ließ sich den Redner vorstellen und unterhielt sich
mit ihm. Die Chronik dieses Instituts weist etwa fünfundzwanzig Redner
auf, die in siebzehn Jahren über hundert Discorsi gehalten haben. Man sieht,
wie verbreitet damals die Beschäftigung mit römischer Topographie und
Politisch- kirchlichen Alterthümern aller Art unter den dortigen Domherrn
und Abbaten war. Unter Winckelmann'" genaueren Bekannten begegneten uns
die Namen Giacometti (über Plebiscite). Contucci (über Leichenfeiern, Staats¬
schatz. Wucher), Pacicmdi (Drei- und Vierrudrer, Maaße), Bianchi (Agrargesetze,
Aesculaptempel).

Was der Papst für die Künste that, läßt sich schwer sondern von dem
Antheil seines Ministers, des Cardinals Silvio Väterei aus Mantua. Lange
ehe sein Freund Lambertini die Tiara erhielt, war es das geheime Ziel seines
Ehrgeizes gewesen, einst ein Zumenes des Kirchenstaats zu werden. Und man
sieht an gar manchen Punkten, daß er den besten Willen hatte, diesen Staat
aus seiner intellectuellen und öcononischen Lethargie zu reißen, das Dickicht
der Mißbräuche etwas zu lichten. Damals konnte man noch nicht so klar,
wissen, daß diesen aus lauter unheilbaren chronischen Krankheiten zusammen¬
gesetzte Staatskörper weder Medicamente noch Eisen und Feuer, sondern
nur der Tod heilen kann. Väterei hatte eine Villa zwischen Port" Pia und
Porta Sakara gekauft, wo er einen Garten exotischer Gewächse anlegte.
Hier versammelte er von Zeit zu Zeit Künstler und Gelehrte um sich; dann


König von Frankreich seine hatte, nur im römisch-päpstlichen Stil. Voran
stand natürlich die Academie der Geschichte der Päpste, die in die Kirche der
Oratorier verlegt ward, wo Baronius seine Annalen geschrieben hatte; diese
sollte ihr Secretär, Joseph Bianchini, fortsetzen, aber er sand sich der Auf¬
gabe nicht gewachsen. Die Academie der Liturgie tagte in Casa de' pli operari,
die der Concile (für canonisches Recht) in der Propaganda. Die interessanteste
für uns aber war die vierte für altrömische Geschichte und profane Alter¬
thümer, deren Studien sich an die Decaden des Livius knüpfen sollten. Man
liebte es, sie als eine Wiedererweckung der Academie anzusehen, die Pom-
ponius Laetus im Jahre 1478 in seinem Garten auf dem Quirinal errichtete
und die bis 1L53 sich erhielt. Der Sitz der jetzigen war das Capital, ihr
Secretär war der gelehrte Archäolog des Cardinals Albani, Monsignore An¬
tonio Baldani, Canonicus am Pantheon, den Winckelmann „den Weisesten
in Rom" nannte; es ist derselbe „bittere und strenge Richter von 72 Jah¬
ren", der ihm das Italienische seiner „Monumenti" durchsah.

Abwechselnd jeden Monat mußt« sich eine Academie im Hause des Papsts
auf dem Quirinal versammeln. In dem Saal waren die Bänke so geordnet,
daß der Papst den Academikern unsichtbar blieb, ausgenommen dem, welcher
den Vortrag hielt. Nach dem Schluß der Sitzung pflegte der Pontifex in
der Gallerie zu spazieren, ließ sich den Redner vorstellen und unterhielt sich
mit ihm. Die Chronik dieses Instituts weist etwa fünfundzwanzig Redner
auf, die in siebzehn Jahren über hundert Discorsi gehalten haben. Man sieht,
wie verbreitet damals die Beschäftigung mit römischer Topographie und
Politisch- kirchlichen Alterthümern aller Art unter den dortigen Domherrn
und Abbaten war. Unter Winckelmann'« genaueren Bekannten begegneten uns
die Namen Giacometti (über Plebiscite). Contucci (über Leichenfeiern, Staats¬
schatz. Wucher), Pacicmdi (Drei- und Vierrudrer, Maaße), Bianchi (Agrargesetze,
Aesculaptempel).

Was der Papst für die Künste that, läßt sich schwer sondern von dem
Antheil seines Ministers, des Cardinals Silvio Väterei aus Mantua. Lange
ehe sein Freund Lambertini die Tiara erhielt, war es das geheime Ziel seines
Ehrgeizes gewesen, einst ein Zumenes des Kirchenstaats zu werden. Und man
sieht an gar manchen Punkten, daß er den besten Willen hatte, diesen Staat
aus seiner intellectuellen und öcononischen Lethargie zu reißen, das Dickicht
der Mißbräuche etwas zu lichten. Damals konnte man noch nicht so klar,
wissen, daß diesen aus lauter unheilbaren chronischen Krankheiten zusammen¬
gesetzte Staatskörper weder Medicamente noch Eisen und Feuer, sondern
nur der Tod heilen kann. Väterei hatte eine Villa zwischen Port« Pia und
Porta Sakara gekauft, wo er einen Garten exotischer Gewächse anlegte.
Hier versammelte er von Zeit zu Zeit Künstler und Gelehrte um sich; dann


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[0373] König von Frankreich seine hatte, nur im römisch-päpstlichen Stil. Voran stand natürlich die Academie der Geschichte der Päpste, die in die Kirche der Oratorier verlegt ward, wo Baronius seine Annalen geschrieben hatte; diese sollte ihr Secretär, Joseph Bianchini, fortsetzen, aber er sand sich der Auf¬ gabe nicht gewachsen. Die Academie der Liturgie tagte in Casa de' pli operari, die der Concile (für canonisches Recht) in der Propaganda. Die interessanteste für uns aber war die vierte für altrömische Geschichte und profane Alter¬ thümer, deren Studien sich an die Decaden des Livius knüpfen sollten. Man liebte es, sie als eine Wiedererweckung der Academie anzusehen, die Pom- ponius Laetus im Jahre 1478 in seinem Garten auf dem Quirinal errichtete und die bis 1L53 sich erhielt. Der Sitz der jetzigen war das Capital, ihr Secretär war der gelehrte Archäolog des Cardinals Albani, Monsignore An¬ tonio Baldani, Canonicus am Pantheon, den Winckelmann „den Weisesten in Rom" nannte; es ist derselbe „bittere und strenge Richter von 72 Jah¬ ren", der ihm das Italienische seiner „Monumenti" durchsah. Abwechselnd jeden Monat mußt« sich eine Academie im Hause des Papsts auf dem Quirinal versammeln. In dem Saal waren die Bänke so geordnet, daß der Papst den Academikern unsichtbar blieb, ausgenommen dem, welcher den Vortrag hielt. Nach dem Schluß der Sitzung pflegte der Pontifex in der Gallerie zu spazieren, ließ sich den Redner vorstellen und unterhielt sich mit ihm. Die Chronik dieses Instituts weist etwa fünfundzwanzig Redner auf, die in siebzehn Jahren über hundert Discorsi gehalten haben. Man sieht, wie verbreitet damals die Beschäftigung mit römischer Topographie und Politisch- kirchlichen Alterthümern aller Art unter den dortigen Domherrn und Abbaten war. Unter Winckelmann'« genaueren Bekannten begegneten uns die Namen Giacometti (über Plebiscite). Contucci (über Leichenfeiern, Staats¬ schatz. Wucher), Pacicmdi (Drei- und Vierrudrer, Maaße), Bianchi (Agrargesetze, Aesculaptempel). Was der Papst für die Künste that, läßt sich schwer sondern von dem Antheil seines Ministers, des Cardinals Silvio Väterei aus Mantua. Lange ehe sein Freund Lambertini die Tiara erhielt, war es das geheime Ziel seines Ehrgeizes gewesen, einst ein Zumenes des Kirchenstaats zu werden. Und man sieht an gar manchen Punkten, daß er den besten Willen hatte, diesen Staat aus seiner intellectuellen und öcononischen Lethargie zu reißen, das Dickicht der Mißbräuche etwas zu lichten. Damals konnte man noch nicht so klar, wissen, daß diesen aus lauter unheilbaren chronischen Krankheiten zusammen¬ gesetzte Staatskörper weder Medicamente noch Eisen und Feuer, sondern nur der Tod heilen kann. Väterei hatte eine Villa zwischen Port« Pia und Porta Sakara gekauft, wo er einen Garten exotischer Gewächse anlegte. Hier versammelte er von Zeit zu Zeit Künstler und Gelehrte um sich; dann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/373>, abgerufen am 26.06.2024.