Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

locker um die Hüften geschlungen ist; die Aermel sind sehr schön mit Muschel¬
gold durchwirkt und gehöht.

Ueber Herkunft und Geschichte des Bildes und seines Wiederspiels in
Dresden hat man sich in neuester Zeit gründlich orientirt. Die Thatsachen,
wie sie von His-Heusler, v. Zahn,'Weltmann, Fechner beigebracht sind, hat
Gottfried Kinkel in dem nachfolgendem Resume vereinigt, das wir für jetzt
auf sich beruhen lassen: Holbein war von Jacob Meyer zu Basel beauftragt,
die gnadenreiche Jungfrau nebst den Porträts seiner vor ihr knieenden Fa¬
milie zu malen, und er genügte dieser Anforderung. Im Lauf der Jahre
kam das Gemälde sodann in die Hand des Remigius Fesch, der eine Enkelin
Meyer's zur Frau hatte; derselbe verkaufte es an Lucas Jselin, und durch
diesen gelangte es an Michael Le Blond, einen Bildermäkler in Amsterdam,
den man als Kunstagenten des Herzogs von Buckingham kennt. Bis hierher
weiß man nur von Einer Madonna Holbein's mit der Meyer'schen Familie.
Mit dem Zeitpunkt aber, wo Le Blond das Bild veräußerte, scheinen zwei
Exemplare desselben Gemäldes aufzutreten. Nach Sandrart's Angabe hat
Le Blond das Baseler Original an Johann Lössert abgetreten, nach einer
handschriftlichen Notiz des Remigius Fesch jedoch hätte er es der Königin-
Wittwe von Frankreich, Maria von Medici, verkauft. Patin will die beiden
Berichte dadurch vereinigen, daß er annimmt, Le Blond habe es an Lössert
und dieser es weiter an Maria von Medici gegeben. Diese Widersprüche
beseitigt Kinkel mit der vielleicht ganz richtigen Annahme, daß Le Blond
zwei Exemplare des Bildes besaß, wovon das eine an Lössert, das andere
an die Königin kam, und welche beide als Originale passirten. Lössert's
Bild ist das in der Dresdner Gallerie. Es gelangte nach dem Bankerott
des Besitzers in die Hände eines Avogadro nach Venedig, dort in die Familie
Delfino und ist 1743 für Dresden erworben worden. -- Das Darmstädter
Exemplar, 1822 vom Händler Delcchaute in Paris für den Prinzen Wilhelm
von Preußen gekauft, gelangte durch Erbgang an seine gegenwärtigen Besitzer
Prinz und Prinzessin Karl von Hessen.--Was Kinkel von Le Blond's Hand¬
lungsweise vermuthet, bekommt gravirende Bestätigung durch einige historische
Zeugnisse über seinen Charakter. In Mr. Sainsbury's vortrefflicher Sammlung
von "Vapers rsIg-tinZ to Rudeos" findet sich ein Brief Balthasar Gerbier's
an den Carl of Arundel, dat. Brüssel 30. Januar 1632/33, worin folgen¬
dergestalt von Le Blond die Rede ist: "Ich will Acht haben, wie ich etliche
Zeichnungen finden kann, aber zu billigem Preise kann ich Nichts versprechen,
denn wenn die Dinge schon in Holland theuer sind, so sind sie es hier erst
recht, wo Tulpen- und Muschelliebhaber so geriebene Leute sind wie Le Blond,
der die Waaren mit fremdem Gelde kaufen kann, wie ich denn auch in der
That überzeugt bin, daß er zu jenen Sachen durch das Geld meines werthesten


locker um die Hüften geschlungen ist; die Aermel sind sehr schön mit Muschel¬
gold durchwirkt und gehöht.

Ueber Herkunft und Geschichte des Bildes und seines Wiederspiels in
Dresden hat man sich in neuester Zeit gründlich orientirt. Die Thatsachen,
wie sie von His-Heusler, v. Zahn,'Weltmann, Fechner beigebracht sind, hat
Gottfried Kinkel in dem nachfolgendem Resume vereinigt, das wir für jetzt
auf sich beruhen lassen: Holbein war von Jacob Meyer zu Basel beauftragt,
die gnadenreiche Jungfrau nebst den Porträts seiner vor ihr knieenden Fa¬
milie zu malen, und er genügte dieser Anforderung. Im Lauf der Jahre
kam das Gemälde sodann in die Hand des Remigius Fesch, der eine Enkelin
Meyer's zur Frau hatte; derselbe verkaufte es an Lucas Jselin, und durch
diesen gelangte es an Michael Le Blond, einen Bildermäkler in Amsterdam,
den man als Kunstagenten des Herzogs von Buckingham kennt. Bis hierher
weiß man nur von Einer Madonna Holbein's mit der Meyer'schen Familie.
Mit dem Zeitpunkt aber, wo Le Blond das Bild veräußerte, scheinen zwei
Exemplare desselben Gemäldes aufzutreten. Nach Sandrart's Angabe hat
Le Blond das Baseler Original an Johann Lössert abgetreten, nach einer
handschriftlichen Notiz des Remigius Fesch jedoch hätte er es der Königin-
Wittwe von Frankreich, Maria von Medici, verkauft. Patin will die beiden
Berichte dadurch vereinigen, daß er annimmt, Le Blond habe es an Lössert
und dieser es weiter an Maria von Medici gegeben. Diese Widersprüche
beseitigt Kinkel mit der vielleicht ganz richtigen Annahme, daß Le Blond
zwei Exemplare des Bildes besaß, wovon das eine an Lössert, das andere
an die Königin kam, und welche beide als Originale passirten. Lössert's
Bild ist das in der Dresdner Gallerie. Es gelangte nach dem Bankerott
des Besitzers in die Hände eines Avogadro nach Venedig, dort in die Familie
Delfino und ist 1743 für Dresden erworben worden. — Das Darmstädter
Exemplar, 1822 vom Händler Delcchaute in Paris für den Prinzen Wilhelm
von Preußen gekauft, gelangte durch Erbgang an seine gegenwärtigen Besitzer
Prinz und Prinzessin Karl von Hessen.—Was Kinkel von Le Blond's Hand¬
lungsweise vermuthet, bekommt gravirende Bestätigung durch einige historische
Zeugnisse über seinen Charakter. In Mr. Sainsbury's vortrefflicher Sammlung
von „Vapers rsIg-tinZ to Rudeos" findet sich ein Brief Balthasar Gerbier's
an den Carl of Arundel, dat. Brüssel 30. Januar 1632/33, worin folgen¬
dergestalt von Le Blond die Rede ist: „Ich will Acht haben, wie ich etliche
Zeichnungen finden kann, aber zu billigem Preise kann ich Nichts versprechen,
denn wenn die Dinge schon in Holland theuer sind, so sind sie es hier erst
recht, wo Tulpen- und Muschelliebhaber so geriebene Leute sind wie Le Blond,
der die Waaren mit fremdem Gelde kaufen kann, wie ich denn auch in der
That überzeugt bin, daß er zu jenen Sachen durch das Geld meines werthesten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0029" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121784"/>
            <p xml:id="ID_50" prev="#ID_49"> locker um die Hüften geschlungen ist; die Aermel sind sehr schön mit Muschel¬<lb/>
gold durchwirkt und gehöht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_51" next="#ID_52"> Ueber Herkunft und Geschichte des Bildes und seines Wiederspiels in<lb/>
Dresden hat man sich in neuester Zeit gründlich orientirt. Die Thatsachen,<lb/>
wie sie von His-Heusler, v. Zahn,'Weltmann, Fechner beigebracht sind, hat<lb/>
Gottfried Kinkel in dem nachfolgendem Resume vereinigt, das wir für jetzt<lb/>
auf sich beruhen lassen: Holbein war von Jacob Meyer zu Basel beauftragt,<lb/>
die gnadenreiche Jungfrau nebst den Porträts seiner vor ihr knieenden Fa¬<lb/>
milie zu malen, und er genügte dieser Anforderung. Im Lauf der Jahre<lb/>
kam das Gemälde sodann in die Hand des Remigius Fesch, der eine Enkelin<lb/>
Meyer's zur Frau hatte; derselbe verkaufte es an Lucas Jselin, und durch<lb/>
diesen gelangte es an Michael Le Blond, einen Bildermäkler in Amsterdam,<lb/>
den man als Kunstagenten des Herzogs von Buckingham kennt. Bis hierher<lb/>
weiß man nur von Einer Madonna Holbein's mit der Meyer'schen Familie.<lb/>
Mit dem Zeitpunkt aber, wo Le Blond das Bild veräußerte, scheinen zwei<lb/>
Exemplare desselben Gemäldes aufzutreten. Nach Sandrart's Angabe hat<lb/>
Le Blond das Baseler Original an Johann Lössert abgetreten, nach einer<lb/>
handschriftlichen Notiz des Remigius Fesch jedoch hätte er es der Königin-<lb/>
Wittwe von Frankreich, Maria von Medici, verkauft. Patin will die beiden<lb/>
Berichte dadurch vereinigen, daß er annimmt, Le Blond habe es an Lössert<lb/>
und dieser es weiter an Maria von Medici gegeben. Diese Widersprüche<lb/>
beseitigt Kinkel mit der vielleicht ganz richtigen Annahme, daß Le Blond<lb/>
zwei Exemplare des Bildes besaß, wovon das eine an Lössert, das andere<lb/>
an die Königin kam, und welche beide als Originale passirten. Lössert's<lb/>
Bild ist das in der Dresdner Gallerie. Es gelangte nach dem Bankerott<lb/>
des Besitzers in die Hände eines Avogadro nach Venedig, dort in die Familie<lb/>
Delfino und ist 1743 für Dresden erworben worden. &#x2014; Das Darmstädter<lb/>
Exemplar, 1822 vom Händler Delcchaute in Paris für den Prinzen Wilhelm<lb/>
von Preußen gekauft, gelangte durch Erbgang an seine gegenwärtigen Besitzer<lb/>
Prinz und Prinzessin Karl von Hessen.&#x2014;Was Kinkel von Le Blond's Hand¬<lb/>
lungsweise vermuthet, bekommt gravirende Bestätigung durch einige historische<lb/>
Zeugnisse über seinen Charakter. In Mr. Sainsbury's vortrefflicher Sammlung<lb/>
von &#x201E;Vapers rsIg-tinZ to Rudeos" findet sich ein Brief Balthasar Gerbier's<lb/>
an den Carl of Arundel, dat. Brüssel 30. Januar 1632/33, worin folgen¬<lb/>
dergestalt von Le Blond die Rede ist: &#x201E;Ich will Acht haben, wie ich etliche<lb/>
Zeichnungen finden kann, aber zu billigem Preise kann ich Nichts versprechen,<lb/>
denn wenn die Dinge schon in Holland theuer sind, so sind sie es hier erst<lb/>
recht, wo Tulpen- und Muschelliebhaber so geriebene Leute sind wie Le Blond,<lb/>
der die Waaren mit fremdem Gelde kaufen kann, wie ich denn auch in der<lb/>
That überzeugt bin, daß er zu jenen Sachen durch das Geld meines werthesten</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0029] locker um die Hüften geschlungen ist; die Aermel sind sehr schön mit Muschel¬ gold durchwirkt und gehöht. Ueber Herkunft und Geschichte des Bildes und seines Wiederspiels in Dresden hat man sich in neuester Zeit gründlich orientirt. Die Thatsachen, wie sie von His-Heusler, v. Zahn,'Weltmann, Fechner beigebracht sind, hat Gottfried Kinkel in dem nachfolgendem Resume vereinigt, das wir für jetzt auf sich beruhen lassen: Holbein war von Jacob Meyer zu Basel beauftragt, die gnadenreiche Jungfrau nebst den Porträts seiner vor ihr knieenden Fa¬ milie zu malen, und er genügte dieser Anforderung. Im Lauf der Jahre kam das Gemälde sodann in die Hand des Remigius Fesch, der eine Enkelin Meyer's zur Frau hatte; derselbe verkaufte es an Lucas Jselin, und durch diesen gelangte es an Michael Le Blond, einen Bildermäkler in Amsterdam, den man als Kunstagenten des Herzogs von Buckingham kennt. Bis hierher weiß man nur von Einer Madonna Holbein's mit der Meyer'schen Familie. Mit dem Zeitpunkt aber, wo Le Blond das Bild veräußerte, scheinen zwei Exemplare desselben Gemäldes aufzutreten. Nach Sandrart's Angabe hat Le Blond das Baseler Original an Johann Lössert abgetreten, nach einer handschriftlichen Notiz des Remigius Fesch jedoch hätte er es der Königin- Wittwe von Frankreich, Maria von Medici, verkauft. Patin will die beiden Berichte dadurch vereinigen, daß er annimmt, Le Blond habe es an Lössert und dieser es weiter an Maria von Medici gegeben. Diese Widersprüche beseitigt Kinkel mit der vielleicht ganz richtigen Annahme, daß Le Blond zwei Exemplare des Bildes besaß, wovon das eine an Lössert, das andere an die Königin kam, und welche beide als Originale passirten. Lössert's Bild ist das in der Dresdner Gallerie. Es gelangte nach dem Bankerott des Besitzers in die Hände eines Avogadro nach Venedig, dort in die Familie Delfino und ist 1743 für Dresden erworben worden. — Das Darmstädter Exemplar, 1822 vom Händler Delcchaute in Paris für den Prinzen Wilhelm von Preußen gekauft, gelangte durch Erbgang an seine gegenwärtigen Besitzer Prinz und Prinzessin Karl von Hessen.—Was Kinkel von Le Blond's Hand¬ lungsweise vermuthet, bekommt gravirende Bestätigung durch einige historische Zeugnisse über seinen Charakter. In Mr. Sainsbury's vortrefflicher Sammlung von „Vapers rsIg-tinZ to Rudeos" findet sich ein Brief Balthasar Gerbier's an den Carl of Arundel, dat. Brüssel 30. Januar 1632/33, worin folgen¬ dergestalt von Le Blond die Rede ist: „Ich will Acht haben, wie ich etliche Zeichnungen finden kann, aber zu billigem Preise kann ich Nichts versprechen, denn wenn die Dinge schon in Holland theuer sind, so sind sie es hier erst recht, wo Tulpen- und Muschelliebhaber so geriebene Leute sind wie Le Blond, der die Waaren mit fremdem Gelde kaufen kann, wie ich denn auch in der That überzeugt bin, daß er zu jenen Sachen durch das Geld meines werthesten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/29
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/29>, abgerufen am 22.07.2024.