Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und schroffsten Gegner der Einführung einer Presbyterial- und Synodal¬
verfassung geworden und von Marburg aus ist wohl am Lebhaftesten im
ganzen Lande gegen die neue Kirchenverfassung agitirt worden. Würde es
nach diesen Vorkommnissen der Regierung kaum möglich sein, die beiden
Marburger Superintendenten, die bisher ordentliche Mitglieder des Consi-
storiums waren, in das neuzubildende Consistorium mit hinüber zu nehmen,
so würde doch für diese unter der obigen Stadt-Geistlichkeit kaum Ersatz¬
männer finden.

Alles das liegt aber in Cassel ganz anders. Abgesehen davon, daß sich
der dortige Generalsupenntendent doch ganz anders zur Synodalfrage gestellt
hat, als die beiden Marburger Superintendenten, haben sich unter der Casseler
Geistlichkeit überhaupt nicht solche Fanatiker gefunden als in Marburg.--
Aber alle diese Dinge, so sehr sie auch gegen eine augenblickliche Verlegung
des Consistoriums nach Marburg sprechen mögen, kommen doch nicht in Be¬
tracht, wenn man an eine dauernde Institution denkt. Die Verhältnisse
können sich in Marburg rasch ändern, und damit wären diese Einreden weg¬
gefallen. Viel wichtiger ist ein anderer Grund, der gegen Marburg spricht.
Derselbe ist von principieller Bedeutung.

Bekanntlich hat der Cultusministerden zum Präsidenten des künftigen Ge-
sammtconsistoriums designirter jetzigen Director des Marburger Consistoriums
auch zum Curator der Universität ernennen lassen. Kommt nun das Ge-
sammtconsistorium nach Marburg, so werden beide wichtige Stellen stets in
der Hand eines Mannes schon deshalb vereinigt bleiben, weil die Kammer
nicht leicht gewillt sein wird, den hohen Gehalt für einen besonderen Univer-
sitätscurator zu bewilligen, und der Minister daher mit der Führung der
Geschäfte des Curators stets den Consistorialpräsidenten betrauen wird.

Die Zusammenlegung dieser beiden Aemter in die Hand Eines Mannes
kann aber für die Kirche nicht nur nicht erwünscht, sondern nur sehr ge"
fährlich fein. Wir sehen davon ab, ob in unsern Tagen die Verknüpfung
der Leitung einer hohen Schule mit der Direction eines Consistoriums, zu
der man theologisch gebildete Juristen heranzuziehen pflegt, zeitgemäß ist, ob
die mittelalterliche Verbindung von Kirche und Universität für beide zuträglich
erscheint. Das aber unterliegt keinem Zweifel, daß die wissenschaftliche
Theologie dabei zu Schaden kommt. Ein Universitätscurator, der immer
Etwas zu bedeuten hat, großen Einfluß auf die Berufungen der Professoren
aueübt, wird natürlich nicht so leicht für die Berufung eines Professors
stimmen, wenn derselbe nicht zugleich die kirchliche Richtung des Herrn Consi¬
storialpräsidenten theilt, und so wird dieser nicht nur von Einfluß auf die
Besetzung der Pfarrstellen ze. sein, sondern auch mittelbar die zukünftige theolo-


und schroffsten Gegner der Einführung einer Presbyterial- und Synodal¬
verfassung geworden und von Marburg aus ist wohl am Lebhaftesten im
ganzen Lande gegen die neue Kirchenverfassung agitirt worden. Würde es
nach diesen Vorkommnissen der Regierung kaum möglich sein, die beiden
Marburger Superintendenten, die bisher ordentliche Mitglieder des Consi-
storiums waren, in das neuzubildende Consistorium mit hinüber zu nehmen,
so würde doch für diese unter der obigen Stadt-Geistlichkeit kaum Ersatz¬
männer finden.

Alles das liegt aber in Cassel ganz anders. Abgesehen davon, daß sich
der dortige Generalsupenntendent doch ganz anders zur Synodalfrage gestellt
hat, als die beiden Marburger Superintendenten, haben sich unter der Casseler
Geistlichkeit überhaupt nicht solche Fanatiker gefunden als in Marburg.—
Aber alle diese Dinge, so sehr sie auch gegen eine augenblickliche Verlegung
des Consistoriums nach Marburg sprechen mögen, kommen doch nicht in Be¬
tracht, wenn man an eine dauernde Institution denkt. Die Verhältnisse
können sich in Marburg rasch ändern, und damit wären diese Einreden weg¬
gefallen. Viel wichtiger ist ein anderer Grund, der gegen Marburg spricht.
Derselbe ist von principieller Bedeutung.

Bekanntlich hat der Cultusministerden zum Präsidenten des künftigen Ge-
sammtconsistoriums designirter jetzigen Director des Marburger Consistoriums
auch zum Curator der Universität ernennen lassen. Kommt nun das Ge-
sammtconsistorium nach Marburg, so werden beide wichtige Stellen stets in
der Hand eines Mannes schon deshalb vereinigt bleiben, weil die Kammer
nicht leicht gewillt sein wird, den hohen Gehalt für einen besonderen Univer-
sitätscurator zu bewilligen, und der Minister daher mit der Führung der
Geschäfte des Curators stets den Consistorialpräsidenten betrauen wird.

Die Zusammenlegung dieser beiden Aemter in die Hand Eines Mannes
kann aber für die Kirche nicht nur nicht erwünscht, sondern nur sehr ge«
fährlich fein. Wir sehen davon ab, ob in unsern Tagen die Verknüpfung
der Leitung einer hohen Schule mit der Direction eines Consistoriums, zu
der man theologisch gebildete Juristen heranzuziehen pflegt, zeitgemäß ist, ob
die mittelalterliche Verbindung von Kirche und Universität für beide zuträglich
erscheint. Das aber unterliegt keinem Zweifel, daß die wissenschaftliche
Theologie dabei zu Schaden kommt. Ein Universitätscurator, der immer
Etwas zu bedeuten hat, großen Einfluß auf die Berufungen der Professoren
aueübt, wird natürlich nicht so leicht für die Berufung eines Professors
stimmen, wenn derselbe nicht zugleich die kirchliche Richtung des Herrn Consi¬
storialpräsidenten theilt, und so wird dieser nicht nur von Einfluß auf die
Besetzung der Pfarrstellen ze. sein, sondern auch mittelbar die zukünftige theolo-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0276" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/122031"/>
          <p xml:id="ID_749" prev="#ID_748"> und schroffsten Gegner der Einführung einer Presbyterial- und Synodal¬<lb/>
verfassung geworden und von Marburg aus ist wohl am Lebhaftesten im<lb/>
ganzen Lande gegen die neue Kirchenverfassung agitirt worden. Würde es<lb/>
nach diesen Vorkommnissen der Regierung kaum möglich sein, die beiden<lb/>
Marburger Superintendenten, die bisher ordentliche Mitglieder des Consi-<lb/>
storiums waren, in das neuzubildende Consistorium mit hinüber zu nehmen,<lb/>
so würde doch für diese unter der obigen Stadt-Geistlichkeit kaum Ersatz¬<lb/>
männer finden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_750"> Alles das liegt aber in Cassel ganz anders. Abgesehen davon, daß sich<lb/>
der dortige Generalsupenntendent doch ganz anders zur Synodalfrage gestellt<lb/>
hat, als die beiden Marburger Superintendenten, haben sich unter der Casseler<lb/>
Geistlichkeit überhaupt nicht solche Fanatiker gefunden als in Marburg.&#x2014;<lb/>
Aber alle diese Dinge, so sehr sie auch gegen eine augenblickliche Verlegung<lb/>
des Consistoriums nach Marburg sprechen mögen, kommen doch nicht in Be¬<lb/>
tracht, wenn man an eine dauernde Institution denkt. Die Verhältnisse<lb/>
können sich in Marburg rasch ändern, und damit wären diese Einreden weg¬<lb/>
gefallen. Viel wichtiger ist ein anderer Grund, der gegen Marburg spricht.<lb/>
Derselbe ist von principieller Bedeutung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_751"> Bekanntlich hat der Cultusministerden zum Präsidenten des künftigen Ge-<lb/>
sammtconsistoriums designirter jetzigen Director des Marburger Consistoriums<lb/>
auch zum Curator der Universität ernennen lassen. Kommt nun das Ge-<lb/>
sammtconsistorium nach Marburg, so werden beide wichtige Stellen stets in<lb/>
der Hand eines Mannes schon deshalb vereinigt bleiben, weil die Kammer<lb/>
nicht leicht gewillt sein wird, den hohen Gehalt für einen besonderen Univer-<lb/>
sitätscurator zu bewilligen, und der Minister daher mit der Führung der<lb/>
Geschäfte des Curators stets den Consistorialpräsidenten betrauen wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_752" next="#ID_753"> Die Zusammenlegung dieser beiden Aemter in die Hand Eines Mannes<lb/>
kann aber für die Kirche nicht nur nicht erwünscht, sondern nur sehr ge«<lb/>
fährlich fein. Wir sehen davon ab, ob in unsern Tagen die Verknüpfung<lb/>
der Leitung einer hohen Schule mit der Direction eines Consistoriums, zu<lb/>
der man theologisch gebildete Juristen heranzuziehen pflegt, zeitgemäß ist, ob<lb/>
die mittelalterliche Verbindung von Kirche und Universität für beide zuträglich<lb/>
erscheint. Das aber unterliegt keinem Zweifel, daß die wissenschaftliche<lb/>
Theologie dabei zu Schaden kommt. Ein Universitätscurator, der immer<lb/>
Etwas zu bedeuten hat, großen Einfluß auf die Berufungen der Professoren<lb/>
aueübt, wird natürlich nicht so leicht für die Berufung eines Professors<lb/>
stimmen, wenn derselbe nicht zugleich die kirchliche Richtung des Herrn Consi¬<lb/>
storialpräsidenten theilt, und so wird dieser nicht nur von Einfluß auf die<lb/>
Besetzung der Pfarrstellen ze. sein, sondern auch mittelbar die zukünftige theolo-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0276] und schroffsten Gegner der Einführung einer Presbyterial- und Synodal¬ verfassung geworden und von Marburg aus ist wohl am Lebhaftesten im ganzen Lande gegen die neue Kirchenverfassung agitirt worden. Würde es nach diesen Vorkommnissen der Regierung kaum möglich sein, die beiden Marburger Superintendenten, die bisher ordentliche Mitglieder des Consi- storiums waren, in das neuzubildende Consistorium mit hinüber zu nehmen, so würde doch für diese unter der obigen Stadt-Geistlichkeit kaum Ersatz¬ männer finden. Alles das liegt aber in Cassel ganz anders. Abgesehen davon, daß sich der dortige Generalsupenntendent doch ganz anders zur Synodalfrage gestellt hat, als die beiden Marburger Superintendenten, haben sich unter der Casseler Geistlichkeit überhaupt nicht solche Fanatiker gefunden als in Marburg.— Aber alle diese Dinge, so sehr sie auch gegen eine augenblickliche Verlegung des Consistoriums nach Marburg sprechen mögen, kommen doch nicht in Be¬ tracht, wenn man an eine dauernde Institution denkt. Die Verhältnisse können sich in Marburg rasch ändern, und damit wären diese Einreden weg¬ gefallen. Viel wichtiger ist ein anderer Grund, der gegen Marburg spricht. Derselbe ist von principieller Bedeutung. Bekanntlich hat der Cultusministerden zum Präsidenten des künftigen Ge- sammtconsistoriums designirter jetzigen Director des Marburger Consistoriums auch zum Curator der Universität ernennen lassen. Kommt nun das Ge- sammtconsistorium nach Marburg, so werden beide wichtige Stellen stets in der Hand eines Mannes schon deshalb vereinigt bleiben, weil die Kammer nicht leicht gewillt sein wird, den hohen Gehalt für einen besonderen Univer- sitätscurator zu bewilligen, und der Minister daher mit der Führung der Geschäfte des Curators stets den Consistorialpräsidenten betrauen wird. Die Zusammenlegung dieser beiden Aemter in die Hand Eines Mannes kann aber für die Kirche nicht nur nicht erwünscht, sondern nur sehr ge« fährlich fein. Wir sehen davon ab, ob in unsern Tagen die Verknüpfung der Leitung einer hohen Schule mit der Direction eines Consistoriums, zu der man theologisch gebildete Juristen heranzuziehen pflegt, zeitgemäß ist, ob die mittelalterliche Verbindung von Kirche und Universität für beide zuträglich erscheint. Das aber unterliegt keinem Zweifel, daß die wissenschaftliche Theologie dabei zu Schaden kommt. Ein Universitätscurator, der immer Etwas zu bedeuten hat, großen Einfluß auf die Berufungen der Professoren aueübt, wird natürlich nicht so leicht für die Berufung eines Professors stimmen, wenn derselbe nicht zugleich die kirchliche Richtung des Herrn Consi¬ storialpräsidenten theilt, und so wird dieser nicht nur von Einfluß auf die Besetzung der Pfarrstellen ze. sein, sondern auch mittelbar die zukünftige theolo-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/276
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/276>, abgerufen am 22.07.2024.