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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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gische Richtung seiner Pfarrer im Voraus bestimmen. Der Einfluß Eines
Mannes auf die Verwaltung und Leitung der Kirche und die theologische
Bildung zukünftiger Generationen von Predigern scheint uns zu groß zu
sein, als daß er wünschenswert!) wäre. Will man die theologischen evan¬
gelischen Facultäten auf den Rang von katholischen Priesterseminarien Herab¬
drücken, dann lege man die Leitung von Kirche und Universität in
Eine Hand und das beabsichtigte Resultat wird nicht ausbleiben.
Wer das aber nicht will, wer da glaubt, daß die Leitung der Universi¬
täten nicht zu ihrem Besten in der Hand von theologischen Juristen ruht,
der kann nicht für die Verlegung des Gesammtconsistoriums nach Marburg
stimmen. Wird solchen Falls kein besonderer Gehalt für einen Curator von
der Kammer bewilligt und bleibt der Minister darauf bestehen, einen Curator
an jeder Universität zu haben, so wird damit doch die Möglichkeit näher ge¬
bracht, daß man, da doch ein mal ein nicht in der Universitätsstadt ansässi¬
ger höherer Beamter gewählt werden muß, den Oberpräsidenten oder einen
anderen hohen Beamten der Provinz dazu ernennt, statt eines theologischen
Juristen, die vielfach in tusolosicis befangener und unduldsamer sind als
Theologen von Fach.

Aber wird nicht der heilsame Einfluß, den die wissenschaftliche Stim¬
mung einer Universitätsstadt aus eine Kirchenbehörde ausüben muß, diesen
Schaden wenigstens für die Kirche doppelt und dreifach ersetzen? In der
Gegenwart gewiß nicht. Denn die Kirchenmänner würden voraussichtlich
Nur mit wenigen Männern der Wissenschaft verkehren. In kleinen Universi¬
tätsstädten könnte geradezu die nähere Berührung Beider unter den gegen¬
wärtigen Verhältnissen für beide Theile eher eine abstoßende als anziehende
Wirkung ausüben und so mehr schaden als nützen. Und eine engere Ver¬
bindung von theologischen Lehrern und kirchlichen Verwaltungsmännern er¬
scheint auch nicht gerade wünschenswerth. Denn würde dann nicht gar
zu leicht das betreffende Consistorium sich von theologischen Schulmeinungen
beeinflussen lassen und durch diesen Einfluß das Kirchenregiment leicht ein
einseitiges werden? Und ist es denn etwa nicht das Unglück der evangeli¬
schen Kirche gewesen, daß der Lehrstand allzugroßen Einfluß auf ihr Geschick
ausgeübt hat, indem derselbe das. was wissenschaftlich vielleicht von Werth
war, auch für kirchlich werthvoll und nothwendig erachtete? Jedem das
Seine! Der theologischen Wissenschaft ihre Unabhängigkeit von Consistorial-
Präsidenten, der Kirche ihre Selbständigkeit, theologischen Tagesfragen und
Richtungen gegenüber!

Die Kammer hat die Pflicht, beiden Sphären gerecht zu werden, indem
sie für unseren speciellen Fall die Verlegung des Gesammtconsistoriums nach


gische Richtung seiner Pfarrer im Voraus bestimmen. Der Einfluß Eines
Mannes auf die Verwaltung und Leitung der Kirche und die theologische
Bildung zukünftiger Generationen von Predigern scheint uns zu groß zu
sein, als daß er wünschenswert!) wäre. Will man die theologischen evan¬
gelischen Facultäten auf den Rang von katholischen Priesterseminarien Herab¬
drücken, dann lege man die Leitung von Kirche und Universität in
Eine Hand und das beabsichtigte Resultat wird nicht ausbleiben.
Wer das aber nicht will, wer da glaubt, daß die Leitung der Universi¬
täten nicht zu ihrem Besten in der Hand von theologischen Juristen ruht,
der kann nicht für die Verlegung des Gesammtconsistoriums nach Marburg
stimmen. Wird solchen Falls kein besonderer Gehalt für einen Curator von
der Kammer bewilligt und bleibt der Minister darauf bestehen, einen Curator
an jeder Universität zu haben, so wird damit doch die Möglichkeit näher ge¬
bracht, daß man, da doch ein mal ein nicht in der Universitätsstadt ansässi¬
ger höherer Beamter gewählt werden muß, den Oberpräsidenten oder einen
anderen hohen Beamten der Provinz dazu ernennt, statt eines theologischen
Juristen, die vielfach in tusolosicis befangener und unduldsamer sind als
Theologen von Fach.

Aber wird nicht der heilsame Einfluß, den die wissenschaftliche Stim¬
mung einer Universitätsstadt aus eine Kirchenbehörde ausüben muß, diesen
Schaden wenigstens für die Kirche doppelt und dreifach ersetzen? In der
Gegenwart gewiß nicht. Denn die Kirchenmänner würden voraussichtlich
Nur mit wenigen Männern der Wissenschaft verkehren. In kleinen Universi¬
tätsstädten könnte geradezu die nähere Berührung Beider unter den gegen¬
wärtigen Verhältnissen für beide Theile eher eine abstoßende als anziehende
Wirkung ausüben und so mehr schaden als nützen. Und eine engere Ver¬
bindung von theologischen Lehrern und kirchlichen Verwaltungsmännern er¬
scheint auch nicht gerade wünschenswerth. Denn würde dann nicht gar
zu leicht das betreffende Consistorium sich von theologischen Schulmeinungen
beeinflussen lassen und durch diesen Einfluß das Kirchenregiment leicht ein
einseitiges werden? Und ist es denn etwa nicht das Unglück der evangeli¬
schen Kirche gewesen, daß der Lehrstand allzugroßen Einfluß auf ihr Geschick
ausgeübt hat, indem derselbe das. was wissenschaftlich vielleicht von Werth
war, auch für kirchlich werthvoll und nothwendig erachtete? Jedem das
Seine! Der theologischen Wissenschaft ihre Unabhängigkeit von Consistorial-
Präsidenten, der Kirche ihre Selbständigkeit, theologischen Tagesfragen und
Richtungen gegenüber!

Die Kammer hat die Pflicht, beiden Sphären gerecht zu werden, indem
sie für unseren speciellen Fall die Verlegung des Gesammtconsistoriums nach


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[0277] gische Richtung seiner Pfarrer im Voraus bestimmen. Der Einfluß Eines Mannes auf die Verwaltung und Leitung der Kirche und die theologische Bildung zukünftiger Generationen von Predigern scheint uns zu groß zu sein, als daß er wünschenswert!) wäre. Will man die theologischen evan¬ gelischen Facultäten auf den Rang von katholischen Priesterseminarien Herab¬ drücken, dann lege man die Leitung von Kirche und Universität in Eine Hand und das beabsichtigte Resultat wird nicht ausbleiben. Wer das aber nicht will, wer da glaubt, daß die Leitung der Universi¬ täten nicht zu ihrem Besten in der Hand von theologischen Juristen ruht, der kann nicht für die Verlegung des Gesammtconsistoriums nach Marburg stimmen. Wird solchen Falls kein besonderer Gehalt für einen Curator von der Kammer bewilligt und bleibt der Minister darauf bestehen, einen Curator an jeder Universität zu haben, so wird damit doch die Möglichkeit näher ge¬ bracht, daß man, da doch ein mal ein nicht in der Universitätsstadt ansässi¬ ger höherer Beamter gewählt werden muß, den Oberpräsidenten oder einen anderen hohen Beamten der Provinz dazu ernennt, statt eines theologischen Juristen, die vielfach in tusolosicis befangener und unduldsamer sind als Theologen von Fach. Aber wird nicht der heilsame Einfluß, den die wissenschaftliche Stim¬ mung einer Universitätsstadt aus eine Kirchenbehörde ausüben muß, diesen Schaden wenigstens für die Kirche doppelt und dreifach ersetzen? In der Gegenwart gewiß nicht. Denn die Kirchenmänner würden voraussichtlich Nur mit wenigen Männern der Wissenschaft verkehren. In kleinen Universi¬ tätsstädten könnte geradezu die nähere Berührung Beider unter den gegen¬ wärtigen Verhältnissen für beide Theile eher eine abstoßende als anziehende Wirkung ausüben und so mehr schaden als nützen. Und eine engere Ver¬ bindung von theologischen Lehrern und kirchlichen Verwaltungsmännern er¬ scheint auch nicht gerade wünschenswerth. Denn würde dann nicht gar zu leicht das betreffende Consistorium sich von theologischen Schulmeinungen beeinflussen lassen und durch diesen Einfluß das Kirchenregiment leicht ein einseitiges werden? Und ist es denn etwa nicht das Unglück der evangeli¬ schen Kirche gewesen, daß der Lehrstand allzugroßen Einfluß auf ihr Geschick ausgeübt hat, indem derselbe das. was wissenschaftlich vielleicht von Werth war, auch für kirchlich werthvoll und nothwendig erachtete? Jedem das Seine! Der theologischen Wissenschaft ihre Unabhängigkeit von Consistorial- Präsidenten, der Kirche ihre Selbständigkeit, theologischen Tagesfragen und Richtungen gegenüber! Die Kammer hat die Pflicht, beiden Sphären gerecht zu werden, indem sie für unseren speciellen Fall die Verlegung des Gesammtconsistoriums nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/277>, abgerufen am 22.07.2024.