Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dünken äußerlich gestaltet, doch nichts Anderes übrig bleiben, als die Reni¬
tenten gänzlich zu beseitigen. Wären aber die schlimmsten Fanatiker bei
Seite geschoben, so würde die Einführung der Shnodalverfassung selbst
bei den einzelnen Gemeinden, die von ihren Geistlichen ganz verhetzt sind,
auf keinen Widerstand mehr stoßen und die Gefahr, daß auch nur einzelne
Laien sich einem etwa intendirten Austritte aus der Landeskirche anschließen
könnten, beseitigt sein.

Und die Gefahr" daß nach der Einsetzung eines Gesammtconsistoriums
der Cultusminister eine Synode gar nicht mehr berufen werde, oder daß, --
wenn man nicht so weit in seinem Argwohn gehen wollte. -- die Anforderun¬
gen, die auf der Synode von Seiten der Laien gestellt werden würden, um
dem Entwurf einige Elemente einzufügen, die wirklich eine Selbständigkeit der
Kirche annähernd begründen könnten, -- nicht das geringste Gehör bei dem
Cultusminister finden würden, sobald er die Geldverwilligung in der Tasche
habe, auch diese Gefahr scheint mir nicht groß genug zu sein, um die rasche
Bildung jenes einheitlichen Consistoriums zu verhindern. Denn bleibt das
Wahlgesetz bestehen, so werden die Laien, wenn sie des Genusses eines
Rechtes werth sind, immer bedeutenden Einfluß auf die Synode ausüben
und sich schon Rechte erkämpfen können. Auch wird über kurz oder lang
eine Aufbesserung der Pfarrergehalte in Hessen nothwendig werden, dieselbe
aber nur dann erreichbar sein, wenn man den Laien, statt ihnen nur Pflichten
aufzulegen, auch Rechte einräumt und zwar nicht nur der Geistlichkeit, sondern
auch der Regierung gegenüber.

Aber auf Einer Bedingung muß das Abgeordnetenhaus bestehen und
sich in keiner Weise wankend machen lassen. Und doch kann diese Bedingung
auf den ersten Anblick fast nur von untergeordneter Bedeutung zu sein
scheinen: wir meinen, die Kammer muß darauf beharren, daß der Sitz des
Gesammtconsistoriums nicht Marburg, sondern Cassel werde. Schon in der
vorigen Kammersession wiesen die hessischen Abgeordneten darauf hin, daß
Marburg sich nicht zum Sitze des Consistoriums eigne. Aber die Gründe,
die sie für ihre Behauptung vorbrachten, waren größtentheils nur vorüber¬
gehenden Zuständen entnommen, und daher von nur untergeordneter Be¬
deutung. So sagten sie u. A. in Marburg sei der Hauptsitz der Vilmar'schen
Partei; das Consistorium dorthin verlegen, heiße es unter den Einfluß dieser
Partei stellen. So wahr die Behauptung ist, daß in Marburg die con-
fessionell-lutherische Partei mehrere ihrer leidenschaftlichsten Vertreter hat, so
sehr hat sich auch die Befürchtung bewahrheitet, daß der Einfluß dieser
Männer sich auch auf andere Kirchenbeamte werde ausdehnen können. Denn der
reformirte Superintendent der Diöcese Marburg, der von Hause aus sehr wenig
Anlage hatte, sich mit den Lutheranern zu verbinden, ist doch n i:r der ersten


dünken äußerlich gestaltet, doch nichts Anderes übrig bleiben, als die Reni¬
tenten gänzlich zu beseitigen. Wären aber die schlimmsten Fanatiker bei
Seite geschoben, so würde die Einführung der Shnodalverfassung selbst
bei den einzelnen Gemeinden, die von ihren Geistlichen ganz verhetzt sind,
auf keinen Widerstand mehr stoßen und die Gefahr, daß auch nur einzelne
Laien sich einem etwa intendirten Austritte aus der Landeskirche anschließen
könnten, beseitigt sein.

Und die Gefahr» daß nach der Einsetzung eines Gesammtconsistoriums
der Cultusminister eine Synode gar nicht mehr berufen werde, oder daß, —
wenn man nicht so weit in seinem Argwohn gehen wollte. — die Anforderun¬
gen, die auf der Synode von Seiten der Laien gestellt werden würden, um
dem Entwurf einige Elemente einzufügen, die wirklich eine Selbständigkeit der
Kirche annähernd begründen könnten, — nicht das geringste Gehör bei dem
Cultusminister finden würden, sobald er die Geldverwilligung in der Tasche
habe, auch diese Gefahr scheint mir nicht groß genug zu sein, um die rasche
Bildung jenes einheitlichen Consistoriums zu verhindern. Denn bleibt das
Wahlgesetz bestehen, so werden die Laien, wenn sie des Genusses eines
Rechtes werth sind, immer bedeutenden Einfluß auf die Synode ausüben
und sich schon Rechte erkämpfen können. Auch wird über kurz oder lang
eine Aufbesserung der Pfarrergehalte in Hessen nothwendig werden, dieselbe
aber nur dann erreichbar sein, wenn man den Laien, statt ihnen nur Pflichten
aufzulegen, auch Rechte einräumt und zwar nicht nur der Geistlichkeit, sondern
auch der Regierung gegenüber.

Aber auf Einer Bedingung muß das Abgeordnetenhaus bestehen und
sich in keiner Weise wankend machen lassen. Und doch kann diese Bedingung
auf den ersten Anblick fast nur von untergeordneter Bedeutung zu sein
scheinen: wir meinen, die Kammer muß darauf beharren, daß der Sitz des
Gesammtconsistoriums nicht Marburg, sondern Cassel werde. Schon in der
vorigen Kammersession wiesen die hessischen Abgeordneten darauf hin, daß
Marburg sich nicht zum Sitze des Consistoriums eigne. Aber die Gründe,
die sie für ihre Behauptung vorbrachten, waren größtentheils nur vorüber¬
gehenden Zuständen entnommen, und daher von nur untergeordneter Be¬
deutung. So sagten sie u. A. in Marburg sei der Hauptsitz der Vilmar'schen
Partei; das Consistorium dorthin verlegen, heiße es unter den Einfluß dieser
Partei stellen. So wahr die Behauptung ist, daß in Marburg die con-
fessionell-lutherische Partei mehrere ihrer leidenschaftlichsten Vertreter hat, so
sehr hat sich auch die Befürchtung bewahrheitet, daß der Einfluß dieser
Männer sich auch auf andere Kirchenbeamte werde ausdehnen können. Denn der
reformirte Superintendent der Diöcese Marburg, der von Hause aus sehr wenig
Anlage hatte, sich mit den Lutheranern zu verbinden, ist doch n i:r der ersten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0275" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/122030"/>
          <p xml:id="ID_746" prev="#ID_745"> dünken äußerlich gestaltet, doch nichts Anderes übrig bleiben, als die Reni¬<lb/>
tenten gänzlich zu beseitigen. Wären aber die schlimmsten Fanatiker bei<lb/>
Seite geschoben, so würde die Einführung der Shnodalverfassung selbst<lb/>
bei den einzelnen Gemeinden, die von ihren Geistlichen ganz verhetzt sind,<lb/>
auf keinen Widerstand mehr stoßen und die Gefahr, daß auch nur einzelne<lb/>
Laien sich einem etwa intendirten Austritte aus der Landeskirche anschließen<lb/>
könnten, beseitigt sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_747"> Und die Gefahr» daß nach der Einsetzung eines Gesammtconsistoriums<lb/>
der Cultusminister eine Synode gar nicht mehr berufen werde, oder daß, &#x2014;<lb/>
wenn man nicht so weit in seinem Argwohn gehen wollte. &#x2014; die Anforderun¬<lb/>
gen, die auf der Synode von Seiten der Laien gestellt werden würden, um<lb/>
dem Entwurf einige Elemente einzufügen, die wirklich eine Selbständigkeit der<lb/>
Kirche annähernd begründen könnten, &#x2014; nicht das geringste Gehör bei dem<lb/>
Cultusminister finden würden, sobald er die Geldverwilligung in der Tasche<lb/>
habe, auch diese Gefahr scheint mir nicht groß genug zu sein, um die rasche<lb/>
Bildung jenes einheitlichen Consistoriums zu verhindern. Denn bleibt das<lb/>
Wahlgesetz bestehen, so werden die Laien, wenn sie des Genusses eines<lb/>
Rechtes werth sind, immer bedeutenden Einfluß auf die Synode ausüben<lb/>
und sich schon Rechte erkämpfen können. Auch wird über kurz oder lang<lb/>
eine Aufbesserung der Pfarrergehalte in Hessen nothwendig werden, dieselbe<lb/>
aber nur dann erreichbar sein, wenn man den Laien, statt ihnen nur Pflichten<lb/>
aufzulegen, auch Rechte einräumt und zwar nicht nur der Geistlichkeit, sondern<lb/>
auch der Regierung gegenüber.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_748" next="#ID_749"> Aber auf Einer Bedingung muß das Abgeordnetenhaus bestehen und<lb/>
sich in keiner Weise wankend machen lassen. Und doch kann diese Bedingung<lb/>
auf den ersten Anblick fast nur von untergeordneter Bedeutung zu sein<lb/>
scheinen: wir meinen, die Kammer muß darauf beharren, daß der Sitz des<lb/>
Gesammtconsistoriums nicht Marburg, sondern Cassel werde. Schon in der<lb/>
vorigen Kammersession wiesen die hessischen Abgeordneten darauf hin, daß<lb/>
Marburg sich nicht zum Sitze des Consistoriums eigne. Aber die Gründe,<lb/>
die sie für ihre Behauptung vorbrachten, waren größtentheils nur vorüber¬<lb/>
gehenden Zuständen entnommen, und daher von nur untergeordneter Be¬<lb/>
deutung. So sagten sie u. A. in Marburg sei der Hauptsitz der Vilmar'schen<lb/>
Partei; das Consistorium dorthin verlegen, heiße es unter den Einfluß dieser<lb/>
Partei stellen. So wahr die Behauptung ist, daß in Marburg die con-<lb/>
fessionell-lutherische Partei mehrere ihrer leidenschaftlichsten Vertreter hat, so<lb/>
sehr hat sich auch die Befürchtung bewahrheitet, daß der Einfluß dieser<lb/>
Männer sich auch auf andere Kirchenbeamte werde ausdehnen können. Denn der<lb/>
reformirte Superintendent der Diöcese Marburg, der von Hause aus sehr wenig<lb/>
Anlage hatte, sich mit den Lutheranern zu verbinden, ist doch n i:r der ersten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0275] dünken äußerlich gestaltet, doch nichts Anderes übrig bleiben, als die Reni¬ tenten gänzlich zu beseitigen. Wären aber die schlimmsten Fanatiker bei Seite geschoben, so würde die Einführung der Shnodalverfassung selbst bei den einzelnen Gemeinden, die von ihren Geistlichen ganz verhetzt sind, auf keinen Widerstand mehr stoßen und die Gefahr, daß auch nur einzelne Laien sich einem etwa intendirten Austritte aus der Landeskirche anschließen könnten, beseitigt sein. Und die Gefahr» daß nach der Einsetzung eines Gesammtconsistoriums der Cultusminister eine Synode gar nicht mehr berufen werde, oder daß, — wenn man nicht so weit in seinem Argwohn gehen wollte. — die Anforderun¬ gen, die auf der Synode von Seiten der Laien gestellt werden würden, um dem Entwurf einige Elemente einzufügen, die wirklich eine Selbständigkeit der Kirche annähernd begründen könnten, — nicht das geringste Gehör bei dem Cultusminister finden würden, sobald er die Geldverwilligung in der Tasche habe, auch diese Gefahr scheint mir nicht groß genug zu sein, um die rasche Bildung jenes einheitlichen Consistoriums zu verhindern. Denn bleibt das Wahlgesetz bestehen, so werden die Laien, wenn sie des Genusses eines Rechtes werth sind, immer bedeutenden Einfluß auf die Synode ausüben und sich schon Rechte erkämpfen können. Auch wird über kurz oder lang eine Aufbesserung der Pfarrergehalte in Hessen nothwendig werden, dieselbe aber nur dann erreichbar sein, wenn man den Laien, statt ihnen nur Pflichten aufzulegen, auch Rechte einräumt und zwar nicht nur der Geistlichkeit, sondern auch der Regierung gegenüber. Aber auf Einer Bedingung muß das Abgeordnetenhaus bestehen und sich in keiner Weise wankend machen lassen. Und doch kann diese Bedingung auf den ersten Anblick fast nur von untergeordneter Bedeutung zu sein scheinen: wir meinen, die Kammer muß darauf beharren, daß der Sitz des Gesammtconsistoriums nicht Marburg, sondern Cassel werde. Schon in der vorigen Kammersession wiesen die hessischen Abgeordneten darauf hin, daß Marburg sich nicht zum Sitze des Consistoriums eigne. Aber die Gründe, die sie für ihre Behauptung vorbrachten, waren größtentheils nur vorüber¬ gehenden Zuständen entnommen, und daher von nur untergeordneter Be¬ deutung. So sagten sie u. A. in Marburg sei der Hauptsitz der Vilmar'schen Partei; das Consistorium dorthin verlegen, heiße es unter den Einfluß dieser Partei stellen. So wahr die Behauptung ist, daß in Marburg die con- fessionell-lutherische Partei mehrere ihrer leidenschaftlichsten Vertreter hat, so sehr hat sich auch die Befürchtung bewahrheitet, daß der Einfluß dieser Männer sich auch auf andere Kirchenbeamte werde ausdehnen können. Denn der reformirte Superintendent der Diöcese Marburg, der von Hause aus sehr wenig Anlage hatte, sich mit den Lutheranern zu verbinden, ist doch n i:r der ersten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/275
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/275>, abgerufen am 24.08.2024.