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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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berste Bruch mit dem alten Gottesdienst, den Riß noch größer. Die Waldstädte
erklärten, auf den Tagsatzungen nicht mehr neben Zürich sitzen zu wollen.
Drohungen von Strafe mit den Waffen wurden laut, die aber jetzt noch in Folge
von Bern's besonnener Vermittelung unwirksam blieben. Auch die Disputation
in Baden war in der Form, wie sie von der Tagsatzung beschlossen worden
war, eine Herausforderung und Beleidigung Zürichs, weswegen Zwingli gar
nicht auf ihr erschien. Von neun Orten in den großen Bann gethan, trat
auch er von da an mit größerer Entschlossenheit und Strenge auf. Ins¬
besondere wurden in Zürich die Gesetze gegen das Reislaufen wiederholt und
verschärft, nachdem eine abermalige "treue und ernstliche Mahnung", die
Zwingli im Mai 1524 an die Eidgenossen gerichtet hatte, ohne Erfolg ge¬
blieben war. Es ist bemerkenswerth, daß Zwingli, wenn er die Gegner der
Reformation bekämpfte, sie gern mit dem Namen "Pensionär" zusammen¬
faßte. Im Söldnerwesen sah er ein Haupthinderniß für die Ausbreitung des
Evangeliums. Und in der That waren die einflußreichsten Gegner der Re¬
form, sowohl in den übrigen Ständen als in Zürich, durch Gaben fremder
Fürsten verpflichtet. Wo Zwingli Widerstand gegen das Evangelium fand,
witterte er -- vielleicht zuweilen allzurasch -- die Wirkung fremden Gol¬
des. Auf seine Anklage hin wird eine strenge Untersuchung gegen die vom
Auslande Besoldeten eingeleitet, und als in Folge dieser Untersuchung der
Junker Jakob Gredel hingerichtet wird, der Gelder vom Kaiser, vom Fran¬
zosen und vom Papst empfangen, rechtfertigt Zwingli diese blutige Strenge
mit der Nothwendigkeit, an der "catilinarischen Rotte" ein Beispiel zu
statuiren. "Alles genau betrachtet, schien die Zeit gekommen, jenes Geschwür
der Pensionäre, ja der Verräther und Meineidigen einmal aufzureißen;
hauptsächlich da Alle klar sahen; alle Rathschläge auf den Tagsatzungen wer¬
den durch Mieth und Gaben verfälscht, und nicht nur das, sondern auf die
gleiche Weise werden auch Miethlinge gedungen, damit sie dem Evangelium
Widerstand leisten, wenn sie den Fürsten gegen das Wohl des Vaterlandes
beistehen."

Zu Anfang des Jahres 1827 tritt Zürich mit der offenen Klage aus,
daß die katholischen Orte mit Oestreich sich in ein "Verkommniß" eingelassen,
und es macht bei der Eidgenossenschaft einen ernsthaften Versöhnungsversuch,
"damit nicht Rath und Hilfe bei Auswärtigen versucht werde, denn solches
sei nach der Unterweisung der Geschichtschreiber der Anfang der künftigen
Zerstörung des Vaterlandes." Die vermittelnden Orte, an ihrer Spitze Bern,
zeigen eine unverkennbare Hinneigung zu Zürich. Aber dies bestärkt nur
die W^ldstädte in ihrem Widerstand. Die Parteien beginnen sich jetzt be¬
stimmter zu scheiden, und während die Waldorte immer tiefer in die Freund¬
schaft mit dem alten Erbfeind sich einlassen, findet sich auch Zürich ge-


berste Bruch mit dem alten Gottesdienst, den Riß noch größer. Die Waldstädte
erklärten, auf den Tagsatzungen nicht mehr neben Zürich sitzen zu wollen.
Drohungen von Strafe mit den Waffen wurden laut, die aber jetzt noch in Folge
von Bern's besonnener Vermittelung unwirksam blieben. Auch die Disputation
in Baden war in der Form, wie sie von der Tagsatzung beschlossen worden
war, eine Herausforderung und Beleidigung Zürichs, weswegen Zwingli gar
nicht auf ihr erschien. Von neun Orten in den großen Bann gethan, trat
auch er von da an mit größerer Entschlossenheit und Strenge auf. Ins¬
besondere wurden in Zürich die Gesetze gegen das Reislaufen wiederholt und
verschärft, nachdem eine abermalige „treue und ernstliche Mahnung", die
Zwingli im Mai 1524 an die Eidgenossen gerichtet hatte, ohne Erfolg ge¬
blieben war. Es ist bemerkenswerth, daß Zwingli, wenn er die Gegner der
Reformation bekämpfte, sie gern mit dem Namen „Pensionär" zusammen¬
faßte. Im Söldnerwesen sah er ein Haupthinderniß für die Ausbreitung des
Evangeliums. Und in der That waren die einflußreichsten Gegner der Re¬
form, sowohl in den übrigen Ständen als in Zürich, durch Gaben fremder
Fürsten verpflichtet. Wo Zwingli Widerstand gegen das Evangelium fand,
witterte er — vielleicht zuweilen allzurasch — die Wirkung fremden Gol¬
des. Auf seine Anklage hin wird eine strenge Untersuchung gegen die vom
Auslande Besoldeten eingeleitet, und als in Folge dieser Untersuchung der
Junker Jakob Gredel hingerichtet wird, der Gelder vom Kaiser, vom Fran¬
zosen und vom Papst empfangen, rechtfertigt Zwingli diese blutige Strenge
mit der Nothwendigkeit, an der „catilinarischen Rotte" ein Beispiel zu
statuiren. „Alles genau betrachtet, schien die Zeit gekommen, jenes Geschwür
der Pensionäre, ja der Verräther und Meineidigen einmal aufzureißen;
hauptsächlich da Alle klar sahen; alle Rathschläge auf den Tagsatzungen wer¬
den durch Mieth und Gaben verfälscht, und nicht nur das, sondern auf die
gleiche Weise werden auch Miethlinge gedungen, damit sie dem Evangelium
Widerstand leisten, wenn sie den Fürsten gegen das Wohl des Vaterlandes
beistehen."

Zu Anfang des Jahres 1827 tritt Zürich mit der offenen Klage aus,
daß die katholischen Orte mit Oestreich sich in ein „Verkommniß" eingelassen,
und es macht bei der Eidgenossenschaft einen ernsthaften Versöhnungsversuch,
„damit nicht Rath und Hilfe bei Auswärtigen versucht werde, denn solches
sei nach der Unterweisung der Geschichtschreiber der Anfang der künftigen
Zerstörung des Vaterlandes." Die vermittelnden Orte, an ihrer Spitze Bern,
zeigen eine unverkennbare Hinneigung zu Zürich. Aber dies bestärkt nur
die W^ldstädte in ihrem Widerstand. Die Parteien beginnen sich jetzt be¬
stimmter zu scheiden, und während die Waldorte immer tiefer in die Freund¬
schaft mit dem alten Erbfeind sich einlassen, findet sich auch Zürich ge-


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[0258] berste Bruch mit dem alten Gottesdienst, den Riß noch größer. Die Waldstädte erklärten, auf den Tagsatzungen nicht mehr neben Zürich sitzen zu wollen. Drohungen von Strafe mit den Waffen wurden laut, die aber jetzt noch in Folge von Bern's besonnener Vermittelung unwirksam blieben. Auch die Disputation in Baden war in der Form, wie sie von der Tagsatzung beschlossen worden war, eine Herausforderung und Beleidigung Zürichs, weswegen Zwingli gar nicht auf ihr erschien. Von neun Orten in den großen Bann gethan, trat auch er von da an mit größerer Entschlossenheit und Strenge auf. Ins¬ besondere wurden in Zürich die Gesetze gegen das Reislaufen wiederholt und verschärft, nachdem eine abermalige „treue und ernstliche Mahnung", die Zwingli im Mai 1524 an die Eidgenossen gerichtet hatte, ohne Erfolg ge¬ blieben war. Es ist bemerkenswerth, daß Zwingli, wenn er die Gegner der Reformation bekämpfte, sie gern mit dem Namen „Pensionär" zusammen¬ faßte. Im Söldnerwesen sah er ein Haupthinderniß für die Ausbreitung des Evangeliums. Und in der That waren die einflußreichsten Gegner der Re¬ form, sowohl in den übrigen Ständen als in Zürich, durch Gaben fremder Fürsten verpflichtet. Wo Zwingli Widerstand gegen das Evangelium fand, witterte er — vielleicht zuweilen allzurasch — die Wirkung fremden Gol¬ des. Auf seine Anklage hin wird eine strenge Untersuchung gegen die vom Auslande Besoldeten eingeleitet, und als in Folge dieser Untersuchung der Junker Jakob Gredel hingerichtet wird, der Gelder vom Kaiser, vom Fran¬ zosen und vom Papst empfangen, rechtfertigt Zwingli diese blutige Strenge mit der Nothwendigkeit, an der „catilinarischen Rotte" ein Beispiel zu statuiren. „Alles genau betrachtet, schien die Zeit gekommen, jenes Geschwür der Pensionäre, ja der Verräther und Meineidigen einmal aufzureißen; hauptsächlich da Alle klar sahen; alle Rathschläge auf den Tagsatzungen wer¬ den durch Mieth und Gaben verfälscht, und nicht nur das, sondern auf die gleiche Weise werden auch Miethlinge gedungen, damit sie dem Evangelium Widerstand leisten, wenn sie den Fürsten gegen das Wohl des Vaterlandes beistehen." Zu Anfang des Jahres 1827 tritt Zürich mit der offenen Klage aus, daß die katholischen Orte mit Oestreich sich in ein „Verkommniß" eingelassen, und es macht bei der Eidgenossenschaft einen ernsthaften Versöhnungsversuch, „damit nicht Rath und Hilfe bei Auswärtigen versucht werde, denn solches sei nach der Unterweisung der Geschichtschreiber der Anfang der künftigen Zerstörung des Vaterlandes." Die vermittelnden Orte, an ihrer Spitze Bern, zeigen eine unverkennbare Hinneigung zu Zürich. Aber dies bestärkt nur die W^ldstädte in ihrem Widerstand. Die Parteien beginnen sich jetzt be¬ stimmter zu scheiden, und während die Waldorte immer tiefer in die Freund¬ schaft mit dem alten Erbfeind sich einlassen, findet sich auch Zürich ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/258>, abgerufen am 28.09.2024.