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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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kehrte, obwol, so lange die Verhandlungen darüber dauerten, beiderseits eine
rücksichtsvolle Haltung beobachtet wurde. Der Papst war gegen die Un¬
gläubigen lange Zeit schonend in der Form, weil er die Züricher nicht ver¬
lieren wollte, welche fast die Hälfte seiner Gardecompagnie ausmachten. In
Zürich aber, wo man über die Treulosigkeit des Papstes empört war, be¬
wahrte gleichwol der Rath in der Hoffnung, doch noch das schuldige Geld
zu bekommen, eine kluge Zurückhaltung. Zwingli selbst vermied lange den
offenen Bruch mit dem Papst, und dieser behandelte denn auch zu einer Zeit,
da er Luther's Lehre wiederholt verdammt hatte, Zwingli noch mit hoffnungs¬
voller Rücksicht. Später aber berief sich der Papst, wenn er sich der For¬
derungen Zürichs erwehren wollte, nicht mehr blos auf seine Mittellosigkeit
und auf die Schulden, die ihm sein Vorgänger hinterlassen, sondern auch auf
die Ketzerei der Züricher und er machte die Rückkehr zum alten Glauben
geradezu zur Bedingung der Zahlung, "da den Abtrünnigen vom alten
Glauben nicht einmal die eigenen Güter der Heimath und der Väter mit
Recht überlassen werben sollen." Bis in's Jahr 1526 zogen sich die frucht¬
losen Verhandlungen hin.

Gleich als die Züricher von ihrem Feldzug für den Papst, elend gelich¬
tet, zurückkamen, im Frühjahr 1322, hielt dies Zwingli sür die passendste
Zeit, energisch gegen das Pensionswesen vorzugehen. Da die Schwyzer eben
im Begriff waren, ihre Landesgemeinde zu halten, richtete er an sie "eine
göttliche Ermahnung", welche mit patriotischer Beredtsamkeit zu bedenken
gab, wie der fremde Solddienst Recht und Gerechtigkeit unterdrücke, Vernunft
und Rechtschaffenheit verblende und böse Sitten bringe, denn es sei derselbe
die Schule aller Laster und die Mutter bekümmerter Gewissen. Wirklich
vermochte die eindringliche Schrift so viel, daß die Landesgemeinde von Schwyz
beschloß, auf 23 Jahre die fremden Bündnisse und Jahrgelder fernzuhalten.
Freilich wurde schon nach einem halben Jahre der Beschluß durch die fran¬
zösische Partei wieder umgestoßen, und Schwyz stand von da "n mit Luzern
in erster Reihe als Gegner der Reformation. Schon im Mai 1322 erließ
die Tagsatzung zu Luzern einen Abschied, worin die Regierungen aufgefor¬
dert wurden, den aufreizenden Predigern das Handwerk zu legen. Dies der
Anfang einer immer heftigeren Reaction gegen die Neuerer. Später wurde
in Luzern sogar der Beschluß gefaßt, "den Zwingli überall, wo man ihn auf
eidgenössischen Boden betreffe, gefänglich einzuziehen." In Zürich dagegen
beharrte man standhaft auf dem Verbot des Reislaufens. Das Rathsbuch
aus dieser Zeit enthält die Erklärung: "Wir freuen uns, daß wir der Herren¬
bündnisse ledig sind. Wir wissen, daß sie unchristlich und wider Gott und
unsere Nebenmenschen sind. Wir haben befunden, daß sie den Unsern mehr¬
mals übel erschossen; die Unsern sind dadurch wertlos geworden, haben ihre


kehrte, obwol, so lange die Verhandlungen darüber dauerten, beiderseits eine
rücksichtsvolle Haltung beobachtet wurde. Der Papst war gegen die Un¬
gläubigen lange Zeit schonend in der Form, weil er die Züricher nicht ver¬
lieren wollte, welche fast die Hälfte seiner Gardecompagnie ausmachten. In
Zürich aber, wo man über die Treulosigkeit des Papstes empört war, be¬
wahrte gleichwol der Rath in der Hoffnung, doch noch das schuldige Geld
zu bekommen, eine kluge Zurückhaltung. Zwingli selbst vermied lange den
offenen Bruch mit dem Papst, und dieser behandelte denn auch zu einer Zeit,
da er Luther's Lehre wiederholt verdammt hatte, Zwingli noch mit hoffnungs¬
voller Rücksicht. Später aber berief sich der Papst, wenn er sich der For¬
derungen Zürichs erwehren wollte, nicht mehr blos auf seine Mittellosigkeit
und auf die Schulden, die ihm sein Vorgänger hinterlassen, sondern auch auf
die Ketzerei der Züricher und er machte die Rückkehr zum alten Glauben
geradezu zur Bedingung der Zahlung, „da den Abtrünnigen vom alten
Glauben nicht einmal die eigenen Güter der Heimath und der Väter mit
Recht überlassen werben sollen." Bis in's Jahr 1526 zogen sich die frucht¬
losen Verhandlungen hin.

Gleich als die Züricher von ihrem Feldzug für den Papst, elend gelich¬
tet, zurückkamen, im Frühjahr 1322, hielt dies Zwingli sür die passendste
Zeit, energisch gegen das Pensionswesen vorzugehen. Da die Schwyzer eben
im Begriff waren, ihre Landesgemeinde zu halten, richtete er an sie „eine
göttliche Ermahnung", welche mit patriotischer Beredtsamkeit zu bedenken
gab, wie der fremde Solddienst Recht und Gerechtigkeit unterdrücke, Vernunft
und Rechtschaffenheit verblende und böse Sitten bringe, denn es sei derselbe
die Schule aller Laster und die Mutter bekümmerter Gewissen. Wirklich
vermochte die eindringliche Schrift so viel, daß die Landesgemeinde von Schwyz
beschloß, auf 23 Jahre die fremden Bündnisse und Jahrgelder fernzuhalten.
Freilich wurde schon nach einem halben Jahre der Beschluß durch die fran¬
zösische Partei wieder umgestoßen, und Schwyz stand von da «n mit Luzern
in erster Reihe als Gegner der Reformation. Schon im Mai 1322 erließ
die Tagsatzung zu Luzern einen Abschied, worin die Regierungen aufgefor¬
dert wurden, den aufreizenden Predigern das Handwerk zu legen. Dies der
Anfang einer immer heftigeren Reaction gegen die Neuerer. Später wurde
in Luzern sogar der Beschluß gefaßt, „den Zwingli überall, wo man ihn auf
eidgenössischen Boden betreffe, gefänglich einzuziehen." In Zürich dagegen
beharrte man standhaft auf dem Verbot des Reislaufens. Das Rathsbuch
aus dieser Zeit enthält die Erklärung: „Wir freuen uns, daß wir der Herren¬
bündnisse ledig sind. Wir wissen, daß sie unchristlich und wider Gott und
unsere Nebenmenschen sind. Wir haben befunden, daß sie den Unsern mehr¬
mals übel erschossen; die Unsern sind dadurch wertlos geworden, haben ihre


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/256>, abgerufen am 29.06.2024.