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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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drücke. Er ist Zeuge der unwürdigen Intriguen, die durch Bestechung das
Heer von seiner Pflicht abbringen und theilen wollen, und voll Entrüstung
wendet er sich ab von den gewissenlosen Miethlingen, die das Volk an das
Ausland verkaufen. Im Jahre 1516 ist er genöthigt, seine Pfarre in Glarus
zu verlassen, und er selbst schreibt dies den Ränken der französischen Partei
zu, die er auf jede Weise bekämpft hatte. Und als er nach einigen Jahren
in Zürich seine reformatorische Predigt beginnt, trifft er neben dem Abla߬
wesen und den sonstigen Mißbräuchen der Kirche immer auch zugleich das
Söldnerwesen, gegen das in Zürich sich frühzeitig Opposition geregt hatte,
ohne daß sie den anderen Eidgenossen gegenüber durchdringen konnte, und
das auch in jener Stadt einflußreiche Fürsprecher besaß. Man fand es denn
auch ungehörig, daß der Prediger sich nicht darauf beschränke, das Evangelium
auszulegen, sondern sich mit eidgenössischen Staatssachen befasse, die ihn nichts
angingen. Selbst der Rath ertheilte ihm eine indirecte Verwarnung, obwol
von nun an, durch Neigung und Interessen verbunden, der Rath und Zwingli
einander immer näher traten. Der neue Geist, der vom Jahre 1L21 an in
der Züricher Bürgerschaft bemerkbar ist, und zu dessen entschlossenem Ver¬
treter der Rath sich macht, war wesentlich ein Werk der Predigt und Wirk¬
samkeit Zwingli's. Zürich allein ließ sich damals nicht in das Bündniß mit
Franz I. ein, dessen Sold allmälig die ganze übrige Schweiz gewonnen hatte,
und als die Abgeordneten der Cantone zugleich mit einem französischen Ge¬
sandten in Zürich erschienen, um den Widerstand der Stadt zu brechen, blieb
sie fest und legte die Sache einer Abstimmung der Gemeinden vor, welche fast
einstimmig erklärten, sie wollten "aller Fürsten und Herren müßig gehen."

Diese Verhältnisse sind wichtig, denn sie vor Allem erklären den Haß,
den frühzeitig die Eidgenossen gegen Zürich und seinen Prediger zur Schau
trugen. Bereits wurden ungeschickte und stolze Drohworte ausgestoßen.
Man gab Zwingli Schuld, daß er die Vereinigung der Eidgenossenschaft ge¬
hindert habe, und vornehme Pensionäre, die bisher seine Predigen gerühmt
hatten, fingen nun an, ihn einen Ketzer zu schelten.

Anstatt dem französischen Bündniß beizutreten, blieb Zürich dem Papst
getreu und bewilligte auf sein Hilfegesuch einen neuen Zuzug; so viel hatten
doch die Anhänger des fremden Kri>gsdiensts durchzusetzen vermocht, trotz
des Widerstands Zwingli's, der überhaupt von den Pensionen nichts mehr
wissen wollte, und furchtlos und scharf gegen das "Geldnehmen" predigte.
Uebrtgens hatte dieser Feldzug, den die Züricher rühmlich und glücklich durch¬
führten, eine sehr günstige Nachwirkung. Die Züricher sahen sich nämlich
für ihre Dienste, die dem Papst Parma und Piacenza eingebracht hatten,
durch nichts denn durch Vertröstungen und leere Ausflüchte belohnt, was
wesentlich dazu beitrug, daß Zürich dem Papst so entschieden den Rücken


drücke. Er ist Zeuge der unwürdigen Intriguen, die durch Bestechung das
Heer von seiner Pflicht abbringen und theilen wollen, und voll Entrüstung
wendet er sich ab von den gewissenlosen Miethlingen, die das Volk an das
Ausland verkaufen. Im Jahre 1516 ist er genöthigt, seine Pfarre in Glarus
zu verlassen, und er selbst schreibt dies den Ränken der französischen Partei
zu, die er auf jede Weise bekämpft hatte. Und als er nach einigen Jahren
in Zürich seine reformatorische Predigt beginnt, trifft er neben dem Abla߬
wesen und den sonstigen Mißbräuchen der Kirche immer auch zugleich das
Söldnerwesen, gegen das in Zürich sich frühzeitig Opposition geregt hatte,
ohne daß sie den anderen Eidgenossen gegenüber durchdringen konnte, und
das auch in jener Stadt einflußreiche Fürsprecher besaß. Man fand es denn
auch ungehörig, daß der Prediger sich nicht darauf beschränke, das Evangelium
auszulegen, sondern sich mit eidgenössischen Staatssachen befasse, die ihn nichts
angingen. Selbst der Rath ertheilte ihm eine indirecte Verwarnung, obwol
von nun an, durch Neigung und Interessen verbunden, der Rath und Zwingli
einander immer näher traten. Der neue Geist, der vom Jahre 1L21 an in
der Züricher Bürgerschaft bemerkbar ist, und zu dessen entschlossenem Ver¬
treter der Rath sich macht, war wesentlich ein Werk der Predigt und Wirk¬
samkeit Zwingli's. Zürich allein ließ sich damals nicht in das Bündniß mit
Franz I. ein, dessen Sold allmälig die ganze übrige Schweiz gewonnen hatte,
und als die Abgeordneten der Cantone zugleich mit einem französischen Ge¬
sandten in Zürich erschienen, um den Widerstand der Stadt zu brechen, blieb
sie fest und legte die Sache einer Abstimmung der Gemeinden vor, welche fast
einstimmig erklärten, sie wollten „aller Fürsten und Herren müßig gehen."

Diese Verhältnisse sind wichtig, denn sie vor Allem erklären den Haß,
den frühzeitig die Eidgenossen gegen Zürich und seinen Prediger zur Schau
trugen. Bereits wurden ungeschickte und stolze Drohworte ausgestoßen.
Man gab Zwingli Schuld, daß er die Vereinigung der Eidgenossenschaft ge¬
hindert habe, und vornehme Pensionäre, die bisher seine Predigen gerühmt
hatten, fingen nun an, ihn einen Ketzer zu schelten.

Anstatt dem französischen Bündniß beizutreten, blieb Zürich dem Papst
getreu und bewilligte auf sein Hilfegesuch einen neuen Zuzug; so viel hatten
doch die Anhänger des fremden Kri>gsdiensts durchzusetzen vermocht, trotz
des Widerstands Zwingli's, der überhaupt von den Pensionen nichts mehr
wissen wollte, und furchtlos und scharf gegen das „Geldnehmen" predigte.
Uebrtgens hatte dieser Feldzug, den die Züricher rühmlich und glücklich durch¬
führten, eine sehr günstige Nachwirkung. Die Züricher sahen sich nämlich
für ihre Dienste, die dem Papst Parma und Piacenza eingebracht hatten,
durch nichts denn durch Vertröstungen und leere Ausflüchte belohnt, was
wesentlich dazu beitrug, daß Zürich dem Papst so entschieden den Rücken


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/255>, abgerufen am 26.06.2024.