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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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bedienung in dem Convikt, geregelte Betheiligung an der Hauswirthschaft
desselben wird den Theilnehmerinnen allezeit zu Gute kommen.

Einige Abweichungen von den gleichartigen Instituten für junge Männer
werden ebensowohl hinsichtlich der Unterrichtsmethode, wie hinsichtlich der
Unterrichtsstoffe gerechtfertigt sein. Aber hier wie dort mag soviel Zeit und
Aufmerksamkeit als möglich der allgemeinen, harmonischen Bildung, der Er¬
ziehung zur Tüchtigkeit zugewendet werden. Es ist nicht leicht, die Unter¬
richtsgegenstände erschöpfend aufzuzählen, welche für solche weibliche Mittel¬
fachschulen zu empfehlen sind. Von den allgemeinbildenden Fächern abgesehen
würden in einer lan dwirthschaftlichen Lehranstalt für Frauen die
einfachsten Lehren der Physik, der Chemie und Physiologie, dann Pflanzen¬
bau- und Thierzuchtlehre, Hauswirthschaftslehre, Buchhaltung, Geräthekunde
zu lehren und die Zöglinge in den wichtigsten technischen Verrichtungen,
welche den Frauen in diesem Gewerbe obliegen, zu unterweisen sein.

Zur Vorbereitung auf einen gewerklichen oder merkantilen Be¬
ruf oder auf Beamtungen an Verkehrsanstalten wird ein und
dieselbe Gattung von Fachmittelschulen genügen. Es werden nur in den
oberen Abtheilungen getrennte Curse einzuführen sein. Gemeinschaftlich muß
der Unterricht in der Kalligraphie, in der Muttersprache und den einzufüh¬
renden fremden Sprachen -- französisch und womöglich englisch --, in der
Arithmetik, Geschichte, Geographie, den naturwissenschaftlichen und wirth-
schaftswisfenschaftlichen Disciplinen sein. Der Unterricht in den letzten beiden
Gruppen wird sich im Wesentlichen auf den beschreibenden Theil zu be¬
schränken und daneben nur die allgemeinsten und verständlichsten Gesetze der
Physik, Chemie, Physiologie und Wirthschaftslehre mit zu behandeln haben.
Für die gewerkliche Abtheilung wird dann noch Elementarmathematik und
Zeichnen, für die gewerkliche und Handelsabtheilung Buchhaltung und
Geschäftscorrespondenz unerläßlich sein. Ob für die letztere Abtheilung der
Unterricht in der sogenannten Waarenkunde ersprießlich ist, lasse ich dahin
gestellt. Mich dünkt, die junge Dame, welche als Verkäuferin in ein Putz-
Waarengeschäft eintritt, kann der Kenntniß, was Sumach, oder Ceylon-
Kaffee, oder Indigo sei, füglich entbehren, und es scheint mir hier in der
That um einen Unterrichtsstoff sich zu handeln, dessen Bewältigung man,
wenn der naturwissenschaftliche Unterricht zweckmäßig war, füglich der Lehr¬
zeit in der Praxis überlassen kann. --

Wenn den Frauen das wissenschaftliche Studium auf Hochschulen er¬
schlossen werden soll -- und darüber besteht ja kaum ein Zweifel mehr --
so ist es unerläßlich. Anstalten zu schaffen, welche sie für dieses Studium
vorbereiten. Solche, den bestehenden Gymnasien oder Realschulen ähn¬
liche Anstalten, Schulen, welche es nur auf die Vorbereitung des Geistes


bedienung in dem Convikt, geregelte Betheiligung an der Hauswirthschaft
desselben wird den Theilnehmerinnen allezeit zu Gute kommen.

Einige Abweichungen von den gleichartigen Instituten für junge Männer
werden ebensowohl hinsichtlich der Unterrichtsmethode, wie hinsichtlich der
Unterrichtsstoffe gerechtfertigt sein. Aber hier wie dort mag soviel Zeit und
Aufmerksamkeit als möglich der allgemeinen, harmonischen Bildung, der Er¬
ziehung zur Tüchtigkeit zugewendet werden. Es ist nicht leicht, die Unter¬
richtsgegenstände erschöpfend aufzuzählen, welche für solche weibliche Mittel¬
fachschulen zu empfehlen sind. Von den allgemeinbildenden Fächern abgesehen
würden in einer lan dwirthschaftlichen Lehranstalt für Frauen die
einfachsten Lehren der Physik, der Chemie und Physiologie, dann Pflanzen¬
bau- und Thierzuchtlehre, Hauswirthschaftslehre, Buchhaltung, Geräthekunde
zu lehren und die Zöglinge in den wichtigsten technischen Verrichtungen,
welche den Frauen in diesem Gewerbe obliegen, zu unterweisen sein.

Zur Vorbereitung auf einen gewerklichen oder merkantilen Be¬
ruf oder auf Beamtungen an Verkehrsanstalten wird ein und
dieselbe Gattung von Fachmittelschulen genügen. Es werden nur in den
oberen Abtheilungen getrennte Curse einzuführen sein. Gemeinschaftlich muß
der Unterricht in der Kalligraphie, in der Muttersprache und den einzufüh¬
renden fremden Sprachen — französisch und womöglich englisch —, in der
Arithmetik, Geschichte, Geographie, den naturwissenschaftlichen und wirth-
schaftswisfenschaftlichen Disciplinen sein. Der Unterricht in den letzten beiden
Gruppen wird sich im Wesentlichen auf den beschreibenden Theil zu be¬
schränken und daneben nur die allgemeinsten und verständlichsten Gesetze der
Physik, Chemie, Physiologie und Wirthschaftslehre mit zu behandeln haben.
Für die gewerkliche Abtheilung wird dann noch Elementarmathematik und
Zeichnen, für die gewerkliche und Handelsabtheilung Buchhaltung und
Geschäftscorrespondenz unerläßlich sein. Ob für die letztere Abtheilung der
Unterricht in der sogenannten Waarenkunde ersprießlich ist, lasse ich dahin
gestellt. Mich dünkt, die junge Dame, welche als Verkäuferin in ein Putz-
Waarengeschäft eintritt, kann der Kenntniß, was Sumach, oder Ceylon-
Kaffee, oder Indigo sei, füglich entbehren, und es scheint mir hier in der
That um einen Unterrichtsstoff sich zu handeln, dessen Bewältigung man,
wenn der naturwissenschaftliche Unterricht zweckmäßig war, füglich der Lehr¬
zeit in der Praxis überlassen kann. —

Wenn den Frauen das wissenschaftliche Studium auf Hochschulen er¬
schlossen werden soll — und darüber besteht ja kaum ein Zweifel mehr —
so ist es unerläßlich. Anstalten zu schaffen, welche sie für dieses Studium
vorbereiten. Solche, den bestehenden Gymnasien oder Realschulen ähn¬
liche Anstalten, Schulen, welche es nur auf die Vorbereitung des Geistes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/229>, abgerufen am 04.07.2024.