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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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widmet werden können -- absehen, theils nur zur Befestigung und Erwei¬
terung der in der Elementarschule erworbenen Kenntnisse dienen müssen.
Und, was die erstere Aufgabe anbelangt, so sollen noch dazu die verschiedensten
Bedürfnisse -- das der landwirthschaftlichen Dienstboten oder der jungen
Bäuerin in ländlichen, das der Verkäuferin, der Gehilfin in den verschiedenen
gewerklichen Unternehmungen, das der Telegraphistin, das der Köchin, des
Stuben- und Kindermädchens, der Fabrikarbeiterin in städtischen Kreisen --
befriedigt werden. Dazu kommt, daß, wie bekannt, die Frauen weit em¬
pfindlicher für, wenn auch eingebildete, Standesunterschiede sind, als die
Männer, und daß es unmöglich ist, selbst in einer kleinen Stadt alle die¬
jenigen weiblichen Personen in einer Abend- oder Sonntags-Fortbildungs-
schule zu vereinigen, welche das Bedürfniß nach Fortbildung miteinander ge¬
mein haben, welche vielleicht sogar im Wesentlichen aus dergleichen Bildungs¬
stufe stehen, aber verschiedenen äußeren Lebensstellungen angehören. Nur auf
dem Lande wird es möglich sein, sich mit einer Fortbildungsschule für alle
zu begnügen; hier freilich wird man aber auch sich oft genug Glückwünschen
müssen, wenn man nur für eine die bereiten Lehrkräfte, das geeignete Lokal
u. s. w. findet. Als Unterrichtsstoff wird sich hier vor Allem der Stoff der
Elementarschule empfehlen; nur wird dieser Stoff eingehender und in einer
dem erweiterten Auffassungsvermögen angemessenen Form behandelt und bei
dem Unterrichte auf die Bedürfnisse des Berufes mehr Rücksicht genommen
werden müssen. In der Stadt mag man sich, wenn die Errichtung mehrerer
solcher Anstalten nicht thunlich ist, mit entsprechender Classeneintheilung der
einzigen helfen. Es mag dabei aus das Standesgefühl >der Schülerinnen
gleichermaßen wie auf ihre verschiedenen Berussbedürfnisse Rücksicht genommen
werden. Meist wird man mit drei, nach diesen Gesichtspunkten abgetheilten,
Classen ausreichen: die eine für Dienstboten, die andere für Fabrikarbeiterinnen,
die dritte für Gehilfinnen in gewerklichen, Handels- und Verkehrsgeschäften.
Immer muß es versucht werden, durch einzelne gemeinschaftliche Curse. dem
thörichten Standesdünkel allmälig entgegenzuarbeiten, In den ersten beiden
Classen wird man sich in der Regel auf die Fächer der Elementarschule be¬
schränken müssen, vielleicht nur die einfachsten Lehren der Physik und Unter¬
haltungen über Gegenstände der Hauswirthschaft hinzufügen können. Für
die dritte Classe wird man außer den nämlichen Gegenständen in besonderen
Cursen noch Buchführung und geschäftliches Rechnen, fremde Sprachen und
vor Allem Zeichnen lehren müssen -- dies Alles jedoch so, daß nicht alle
Curse sür Alle obligatorisch sind. Besondere Abende für edlere gesellige
Unterhaltung aller Fortbildungsschülerinnen zu bestimmen, wie dies in Bremen
und anderwärts mit Erfolg geschehen, wird sich überall empfehlen. Diese
Zusammenkünfte werden vielleicht am ersten geeignet sein, thörichte Standes-


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widmet werden können — absehen, theils nur zur Befestigung und Erwei¬
terung der in der Elementarschule erworbenen Kenntnisse dienen müssen.
Und, was die erstere Aufgabe anbelangt, so sollen noch dazu die verschiedensten
Bedürfnisse — das der landwirthschaftlichen Dienstboten oder der jungen
Bäuerin in ländlichen, das der Verkäuferin, der Gehilfin in den verschiedenen
gewerklichen Unternehmungen, das der Telegraphistin, das der Köchin, des
Stuben- und Kindermädchens, der Fabrikarbeiterin in städtischen Kreisen —
befriedigt werden. Dazu kommt, daß, wie bekannt, die Frauen weit em¬
pfindlicher für, wenn auch eingebildete, Standesunterschiede sind, als die
Männer, und daß es unmöglich ist, selbst in einer kleinen Stadt alle die¬
jenigen weiblichen Personen in einer Abend- oder Sonntags-Fortbildungs-
schule zu vereinigen, welche das Bedürfniß nach Fortbildung miteinander ge¬
mein haben, welche vielleicht sogar im Wesentlichen aus dergleichen Bildungs¬
stufe stehen, aber verschiedenen äußeren Lebensstellungen angehören. Nur auf
dem Lande wird es möglich sein, sich mit einer Fortbildungsschule für alle
zu begnügen; hier freilich wird man aber auch sich oft genug Glückwünschen
müssen, wenn man nur für eine die bereiten Lehrkräfte, das geeignete Lokal
u. s. w. findet. Als Unterrichtsstoff wird sich hier vor Allem der Stoff der
Elementarschule empfehlen; nur wird dieser Stoff eingehender und in einer
dem erweiterten Auffassungsvermögen angemessenen Form behandelt und bei
dem Unterrichte auf die Bedürfnisse des Berufes mehr Rücksicht genommen
werden müssen. In der Stadt mag man sich, wenn die Errichtung mehrerer
solcher Anstalten nicht thunlich ist, mit entsprechender Classeneintheilung der
einzigen helfen. Es mag dabei aus das Standesgefühl >der Schülerinnen
gleichermaßen wie auf ihre verschiedenen Berussbedürfnisse Rücksicht genommen
werden. Meist wird man mit drei, nach diesen Gesichtspunkten abgetheilten,
Classen ausreichen: die eine für Dienstboten, die andere für Fabrikarbeiterinnen,
die dritte für Gehilfinnen in gewerklichen, Handels- und Verkehrsgeschäften.
Immer muß es versucht werden, durch einzelne gemeinschaftliche Curse. dem
thörichten Standesdünkel allmälig entgegenzuarbeiten, In den ersten beiden
Classen wird man sich in der Regel auf die Fächer der Elementarschule be¬
schränken müssen, vielleicht nur die einfachsten Lehren der Physik und Unter¬
haltungen über Gegenstände der Hauswirthschaft hinzufügen können. Für
die dritte Classe wird man außer den nämlichen Gegenständen in besonderen
Cursen noch Buchführung und geschäftliches Rechnen, fremde Sprachen und
vor Allem Zeichnen lehren müssen — dies Alles jedoch so, daß nicht alle
Curse sür Alle obligatorisch sind. Besondere Abende für edlere gesellige
Unterhaltung aller Fortbildungsschülerinnen zu bestimmen, wie dies in Bremen
und anderwärts mit Erfolg geschehen, wird sich überall empfehlen. Diese
Zusammenkünfte werden vielleicht am ersten geeignet sein, thörichte Standes-


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[0227] widmet werden können — absehen, theils nur zur Befestigung und Erwei¬ terung der in der Elementarschule erworbenen Kenntnisse dienen müssen. Und, was die erstere Aufgabe anbelangt, so sollen noch dazu die verschiedensten Bedürfnisse — das der landwirthschaftlichen Dienstboten oder der jungen Bäuerin in ländlichen, das der Verkäuferin, der Gehilfin in den verschiedenen gewerklichen Unternehmungen, das der Telegraphistin, das der Köchin, des Stuben- und Kindermädchens, der Fabrikarbeiterin in städtischen Kreisen — befriedigt werden. Dazu kommt, daß, wie bekannt, die Frauen weit em¬ pfindlicher für, wenn auch eingebildete, Standesunterschiede sind, als die Männer, und daß es unmöglich ist, selbst in einer kleinen Stadt alle die¬ jenigen weiblichen Personen in einer Abend- oder Sonntags-Fortbildungs- schule zu vereinigen, welche das Bedürfniß nach Fortbildung miteinander ge¬ mein haben, welche vielleicht sogar im Wesentlichen aus dergleichen Bildungs¬ stufe stehen, aber verschiedenen äußeren Lebensstellungen angehören. Nur auf dem Lande wird es möglich sein, sich mit einer Fortbildungsschule für alle zu begnügen; hier freilich wird man aber auch sich oft genug Glückwünschen müssen, wenn man nur für eine die bereiten Lehrkräfte, das geeignete Lokal u. s. w. findet. Als Unterrichtsstoff wird sich hier vor Allem der Stoff der Elementarschule empfehlen; nur wird dieser Stoff eingehender und in einer dem erweiterten Auffassungsvermögen angemessenen Form behandelt und bei dem Unterrichte auf die Bedürfnisse des Berufes mehr Rücksicht genommen werden müssen. In der Stadt mag man sich, wenn die Errichtung mehrerer solcher Anstalten nicht thunlich ist, mit entsprechender Classeneintheilung der einzigen helfen. Es mag dabei aus das Standesgefühl >der Schülerinnen gleichermaßen wie auf ihre verschiedenen Berussbedürfnisse Rücksicht genommen werden. Meist wird man mit drei, nach diesen Gesichtspunkten abgetheilten, Classen ausreichen: die eine für Dienstboten, die andere für Fabrikarbeiterinnen, die dritte für Gehilfinnen in gewerklichen, Handels- und Verkehrsgeschäften. Immer muß es versucht werden, durch einzelne gemeinschaftliche Curse. dem thörichten Standesdünkel allmälig entgegenzuarbeiten, In den ersten beiden Classen wird man sich in der Regel auf die Fächer der Elementarschule be¬ schränken müssen, vielleicht nur die einfachsten Lehren der Physik und Unter¬ haltungen über Gegenstände der Hauswirthschaft hinzufügen können. Für die dritte Classe wird man außer den nämlichen Gegenständen in besonderen Cursen noch Buchführung und geschäftliches Rechnen, fremde Sprachen und vor Allem Zeichnen lehren müssen — dies Alles jedoch so, daß nicht alle Curse sür Alle obligatorisch sind. Besondere Abende für edlere gesellige Unterhaltung aller Fortbildungsschülerinnen zu bestimmen, wie dies in Bremen und anderwärts mit Erfolg geschehen, wird sich überall empfehlen. Diese Zusammenkünfte werden vielleicht am ersten geeignet sein, thörichte Standes- 28*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/227>, abgerufen am 30.06.2024.