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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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richtung und des Verkaufs der Waare beschränken. Der ärztliche Beruf muß
den Frauen zugänglich gemacht werden, und sie mögen dann auch von dem
Geschäft des Operateurs nicht ausgeschlossen sein; Operationen aber, welche
große Muskelkraft und große Geistesgegenwart verlangen, werden sie in
der Regel Männern überlassen müssen.)

Da dem so ist, müssen für die Berufsbildung des weiblichen Geschlechts
auch die nämlichen Einrichtungen getroffen werden, wie für die des männ¬
lichen, oder wo diese sich mangelhaft erweisen sollten, bessere. Erweist es sich
als schicklich, die für das männliche Geschlecht bestehenden Berufsbildungs¬
anstalten auch dem weiblichen zugänglich zu machen, so muß auch dies geschehen.

Bon der Elementarschule brauche ich kaum zu reden. Diese besteht
ja bei uns und allen civilisirten Nationen (bei derjenigen freilich, die sich an
der Spitze der Civilisation wähnt, in höchst mangelhafter Form) für beide
Geschlechter; an ihrer Reform fort und fort zu arbeiten, hält unsere Zeit mit
Recht für eine ihrer dringendsten Aufgaben. Diese Reform wird den Ele¬
mentartöchterschulen systematische körperliche Uebungen bringen, in ihnen wie
in den Knabenschulen dem Anschauungsunterricht größeren Spielraum ge¬
währen, der Ueberbürdung des Gedächtnisses mit nicht geistig und sittlich
veredelnden Stoffe entgegenarbeiten müssen. Ein großer Gewinn für Ele-
mentartöchterschulen wäre endlich die allgemeine Einführung des systemati¬
schen H an d ar dens-Un terri ches -- ein Gewinn nicht allein, weil die
erworbene Fertigkeit unter allen Umständen trefflich verwerthbar ist, sondern
auch, wenn sie es ausnahmsweise nicht wäre, aus pädagogischen Grün¬
den*), Denn dieser Unterrichtet bietet Gelegenheit zur Ausbildung des
Schönheitssinnes, vermittelt zweckmäßig zwischen Arbeit und Spiel und gibt
Anlaß zur Darbietung heiter erbaulichen Unterhaltungsstoffes der verschie¬
densten Art.

Nur hie und da erst sind Versuche mit weiblichen Fortbildungs¬
schulen gemacht worden. Ueber einen solchen, wie es scheint, gut gelungenen
Versuch wird im "Arbeiterfreund" (Heft 2 des 4. Jahrganges 1866: "Ein
Wort über Sonntagsschulen für weibliche Dienstboten") berichtet. Die inne¬
ren Schwierigkeiten der Errichtung und gedeihlichen Fortführung solcher An¬
stalten -- der äußeren Hindernisse will ich nicht gedenken -- liegen darin,
daß dieselben es theils auf die sachliche Bildung -- denn sie sollen ja gerade
da eintreten, wo der Fachschule längere Zeit oder größere Mittel nicht ge-



") Solcher Unterricht soll, nach würtembergischen Vorgange, in den badischen Volks'
Schulen möglichst allgemein eingeführt, es soll eine Landesanstalt zur Heranbildung von Hand¬
arbeitslehrerinnen errichtet werden. Vergl. darüber die Schrift: "Ueber den Unterricht in weib¬
lichen Handarbeiten an den badischen Volksschulen. Werth, Einrichtungen und Maßregeln zur
Verbesserung desselben. Dargestellt im Auftrage des Centr-ilcomite's des badischen Frauenver¬
eins/' Karlsruhe, Chr. Fr. Müller'sche Hofbuchhandlung. 1869.)

richtung und des Verkaufs der Waare beschränken. Der ärztliche Beruf muß
den Frauen zugänglich gemacht werden, und sie mögen dann auch von dem
Geschäft des Operateurs nicht ausgeschlossen sein; Operationen aber, welche
große Muskelkraft und große Geistesgegenwart verlangen, werden sie in
der Regel Männern überlassen müssen.)

Da dem so ist, müssen für die Berufsbildung des weiblichen Geschlechts
auch die nämlichen Einrichtungen getroffen werden, wie für die des männ¬
lichen, oder wo diese sich mangelhaft erweisen sollten, bessere. Erweist es sich
als schicklich, die für das männliche Geschlecht bestehenden Berufsbildungs¬
anstalten auch dem weiblichen zugänglich zu machen, so muß auch dies geschehen.

Bon der Elementarschule brauche ich kaum zu reden. Diese besteht
ja bei uns und allen civilisirten Nationen (bei derjenigen freilich, die sich an
der Spitze der Civilisation wähnt, in höchst mangelhafter Form) für beide
Geschlechter; an ihrer Reform fort und fort zu arbeiten, hält unsere Zeit mit
Recht für eine ihrer dringendsten Aufgaben. Diese Reform wird den Ele¬
mentartöchterschulen systematische körperliche Uebungen bringen, in ihnen wie
in den Knabenschulen dem Anschauungsunterricht größeren Spielraum ge¬
währen, der Ueberbürdung des Gedächtnisses mit nicht geistig und sittlich
veredelnden Stoffe entgegenarbeiten müssen. Ein großer Gewinn für Ele-
mentartöchterschulen wäre endlich die allgemeine Einführung des systemati¬
schen H an d ar dens-Un terri ches — ein Gewinn nicht allein, weil die
erworbene Fertigkeit unter allen Umständen trefflich verwerthbar ist, sondern
auch, wenn sie es ausnahmsweise nicht wäre, aus pädagogischen Grün¬
den*), Denn dieser Unterrichtet bietet Gelegenheit zur Ausbildung des
Schönheitssinnes, vermittelt zweckmäßig zwischen Arbeit und Spiel und gibt
Anlaß zur Darbietung heiter erbaulichen Unterhaltungsstoffes der verschie¬
densten Art.

Nur hie und da erst sind Versuche mit weiblichen Fortbildungs¬
schulen gemacht worden. Ueber einen solchen, wie es scheint, gut gelungenen
Versuch wird im „Arbeiterfreund" (Heft 2 des 4. Jahrganges 1866: „Ein
Wort über Sonntagsschulen für weibliche Dienstboten") berichtet. Die inne¬
ren Schwierigkeiten der Errichtung und gedeihlichen Fortführung solcher An¬
stalten — der äußeren Hindernisse will ich nicht gedenken — liegen darin,
daß dieselben es theils auf die sachliche Bildung — denn sie sollen ja gerade
da eintreten, wo der Fachschule längere Zeit oder größere Mittel nicht ge-



") Solcher Unterricht soll, nach würtembergischen Vorgange, in den badischen Volks'
Schulen möglichst allgemein eingeführt, es soll eine Landesanstalt zur Heranbildung von Hand¬
arbeitslehrerinnen errichtet werden. Vergl. darüber die Schrift: „Ueber den Unterricht in weib¬
lichen Handarbeiten an den badischen Volksschulen. Werth, Einrichtungen und Maßregeln zur
Verbesserung desselben. Dargestellt im Auftrage des Centr-ilcomite's des badischen Frauenver¬
eins/' Karlsruhe, Chr. Fr. Müller'sche Hofbuchhandlung. 1869.)
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[0226] richtung und des Verkaufs der Waare beschränken. Der ärztliche Beruf muß den Frauen zugänglich gemacht werden, und sie mögen dann auch von dem Geschäft des Operateurs nicht ausgeschlossen sein; Operationen aber, welche große Muskelkraft und große Geistesgegenwart verlangen, werden sie in der Regel Männern überlassen müssen.) Da dem so ist, müssen für die Berufsbildung des weiblichen Geschlechts auch die nämlichen Einrichtungen getroffen werden, wie für die des männ¬ lichen, oder wo diese sich mangelhaft erweisen sollten, bessere. Erweist es sich als schicklich, die für das männliche Geschlecht bestehenden Berufsbildungs¬ anstalten auch dem weiblichen zugänglich zu machen, so muß auch dies geschehen. Bon der Elementarschule brauche ich kaum zu reden. Diese besteht ja bei uns und allen civilisirten Nationen (bei derjenigen freilich, die sich an der Spitze der Civilisation wähnt, in höchst mangelhafter Form) für beide Geschlechter; an ihrer Reform fort und fort zu arbeiten, hält unsere Zeit mit Recht für eine ihrer dringendsten Aufgaben. Diese Reform wird den Ele¬ mentartöchterschulen systematische körperliche Uebungen bringen, in ihnen wie in den Knabenschulen dem Anschauungsunterricht größeren Spielraum ge¬ währen, der Ueberbürdung des Gedächtnisses mit nicht geistig und sittlich veredelnden Stoffe entgegenarbeiten müssen. Ein großer Gewinn für Ele- mentartöchterschulen wäre endlich die allgemeine Einführung des systemati¬ schen H an d ar dens-Un terri ches — ein Gewinn nicht allein, weil die erworbene Fertigkeit unter allen Umständen trefflich verwerthbar ist, sondern auch, wenn sie es ausnahmsweise nicht wäre, aus pädagogischen Grün¬ den*), Denn dieser Unterrichtet bietet Gelegenheit zur Ausbildung des Schönheitssinnes, vermittelt zweckmäßig zwischen Arbeit und Spiel und gibt Anlaß zur Darbietung heiter erbaulichen Unterhaltungsstoffes der verschie¬ densten Art. Nur hie und da erst sind Versuche mit weiblichen Fortbildungs¬ schulen gemacht worden. Ueber einen solchen, wie es scheint, gut gelungenen Versuch wird im „Arbeiterfreund" (Heft 2 des 4. Jahrganges 1866: „Ein Wort über Sonntagsschulen für weibliche Dienstboten") berichtet. Die inne¬ ren Schwierigkeiten der Errichtung und gedeihlichen Fortführung solcher An¬ stalten — der äußeren Hindernisse will ich nicht gedenken — liegen darin, daß dieselben es theils auf die sachliche Bildung — denn sie sollen ja gerade da eintreten, wo der Fachschule längere Zeit oder größere Mittel nicht ge- ") Solcher Unterricht soll, nach würtembergischen Vorgange, in den badischen Volks' Schulen möglichst allgemein eingeführt, es soll eine Landesanstalt zur Heranbildung von Hand¬ arbeitslehrerinnen errichtet werden. Vergl. darüber die Schrift: „Ueber den Unterricht in weib¬ lichen Handarbeiten an den badischen Volksschulen. Werth, Einrichtungen und Maßregeln zur Verbesserung desselben. Dargestellt im Auftrage des Centr-ilcomite's des badischen Frauenver¬ eins/' Karlsruhe, Chr. Fr. Müller'sche Hofbuchhandlung. 1869.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/226>, abgerufen am 28.06.2024.