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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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haben, daß Beide von einander lernen können und daß es eine Zeitaufgabe
ist, ditz Scheidung auszugleichen durch die Errichtung von Normalschulen,
welche tauglich sind, ihre Schüler für wissenschaftliche Studien jeder Art,
mögen diese nun für welchen Zweck immer bestimmt sein, reif zu machen.

Da sind ferner die Universität und das Polytechnicum. beide
bestimmt für das systematische Studium derjenigen Grund -, angewandten und
Hilfswissenschaften, in die sich vertieft, und welche studiren gelernt haben
muß, wer sich einem der höheren wirthschaftlichen oder wissenschaftlichen Berufs¬
zweige widmen will und der Vorbereitung darauf soviel Zeit und Mittel zuzu¬
wenden vermag. Beide zugleich die eigentlichen Heimathsstcitten der Wissen¬
schaft in allen ihren Zweigen. Die noch bestehende Trennung dieser Anstalten
erscheint mir, wenn ich auch über den historischen Hergang keinen Augenblick
im Zweifel bin, ein durch nichts gerechtfertigter Luxus. Ihre Vereinigung
würde beiden Anstalten neuen Schwung verleihen und viel weniger inneren
Schwierigkeiten begegnen, als die Verschmelzung von Realschule und Gym¬
nasium. Doch -- ich muß mich an dieser Stelle mir einer nur oberflächlichen
Berührung dieses hochwichtigen Gegenstandes begnügen.

Da ist endlich die K u n ses es nie, das Conservatorium, die Kunstaeademie,
eine Anstalt für die höhere künstlerische Ausbildung von, wie männiglich be¬
kannt, viel bestrittenen Werthe, aber ohne Zweifel hervorgegangen aus einem
berechtigten Bestreben, und durch keine andere der bestehenden Bildungs¬
anstalten zu ersetzen.

Dies sind unsere, der Verwirklichung der obigen Grundsätze dienenden
Anstalten für die Berufbildung des männlichen Geschlechts.

Keine von ihnen ist nur für ein einzelnes Geschäft, noch weniger ist eine
nur für eine einzelne Verrichtung oder Function eines Geschäftes bestimmt;
jede von ihnen dient einer gewissen Gruppe der Erwerbsarbeit, mehrere sogar
zugleich mehreren solchen Gruppen.

Keine dieser Gruppen -- so sahen wir -- darf serner der weiblichen
Mitwirkung verschlossen sein; verschlossen sind ihr nur aus natürlichen Grün¬
den gewisse einzelne Geschäfte und, wo auch dies nicht, doch einzelne Ver¬
richtungen. (Dem kaufmännischen Beruf widerstrebt die weibliche Natur
nicht, aber das Geschäft des Superkargo wird ihr unzugänglich bleiben und
für die eigentlich speculativen Functionen wird sie seltener geeignet sein, als
z. B. sür die der Cassa- und Buchführung, des Kleinverkaufs u. f. w.; in
den Kreis der gewerklichen Thätigkeit sind ja Frauen längst und überall
eingeführt; aber das Geschäft des Maurers, des Schmiedes, des Tonnen-
Machers u. s. w. eignet nicht für sie; wo sie das Schlächterhandwerk selbstän¬
dig betrieben, würden sie das Tödten und Ausschlachten der Thiere besser
durch Männer besorgen lassen und sich auf die Geschäfte der feineren Zu-


Grenzboten IV. 1869. 28

haben, daß Beide von einander lernen können und daß es eine Zeitaufgabe
ist, ditz Scheidung auszugleichen durch die Errichtung von Normalschulen,
welche tauglich sind, ihre Schüler für wissenschaftliche Studien jeder Art,
mögen diese nun für welchen Zweck immer bestimmt sein, reif zu machen.

Da sind ferner die Universität und das Polytechnicum. beide
bestimmt für das systematische Studium derjenigen Grund -, angewandten und
Hilfswissenschaften, in die sich vertieft, und welche studiren gelernt haben
muß, wer sich einem der höheren wirthschaftlichen oder wissenschaftlichen Berufs¬
zweige widmen will und der Vorbereitung darauf soviel Zeit und Mittel zuzu¬
wenden vermag. Beide zugleich die eigentlichen Heimathsstcitten der Wissen¬
schaft in allen ihren Zweigen. Die noch bestehende Trennung dieser Anstalten
erscheint mir, wenn ich auch über den historischen Hergang keinen Augenblick
im Zweifel bin, ein durch nichts gerechtfertigter Luxus. Ihre Vereinigung
würde beiden Anstalten neuen Schwung verleihen und viel weniger inneren
Schwierigkeiten begegnen, als die Verschmelzung von Realschule und Gym¬
nasium. Doch — ich muß mich an dieser Stelle mir einer nur oberflächlichen
Berührung dieses hochwichtigen Gegenstandes begnügen.

Da ist endlich die K u n ses es nie, das Conservatorium, die Kunstaeademie,
eine Anstalt für die höhere künstlerische Ausbildung von, wie männiglich be¬
kannt, viel bestrittenen Werthe, aber ohne Zweifel hervorgegangen aus einem
berechtigten Bestreben, und durch keine andere der bestehenden Bildungs¬
anstalten zu ersetzen.

Dies sind unsere, der Verwirklichung der obigen Grundsätze dienenden
Anstalten für die Berufbildung des männlichen Geschlechts.

Keine von ihnen ist nur für ein einzelnes Geschäft, noch weniger ist eine
nur für eine einzelne Verrichtung oder Function eines Geschäftes bestimmt;
jede von ihnen dient einer gewissen Gruppe der Erwerbsarbeit, mehrere sogar
zugleich mehreren solchen Gruppen.

Keine dieser Gruppen — so sahen wir — darf serner der weiblichen
Mitwirkung verschlossen sein; verschlossen sind ihr nur aus natürlichen Grün¬
den gewisse einzelne Geschäfte und, wo auch dies nicht, doch einzelne Ver¬
richtungen. (Dem kaufmännischen Beruf widerstrebt die weibliche Natur
nicht, aber das Geschäft des Superkargo wird ihr unzugänglich bleiben und
für die eigentlich speculativen Functionen wird sie seltener geeignet sein, als
z. B. sür die der Cassa- und Buchführung, des Kleinverkaufs u. f. w.; in
den Kreis der gewerklichen Thätigkeit sind ja Frauen längst und überall
eingeführt; aber das Geschäft des Maurers, des Schmiedes, des Tonnen-
Machers u. s. w. eignet nicht für sie; wo sie das Schlächterhandwerk selbstän¬
dig betrieben, würden sie das Tödten und Ausschlachten der Thiere besser
durch Männer besorgen lassen und sich auf die Geschäfte der feineren Zu-


Grenzboten IV. 1869. 28
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[0225] haben, daß Beide von einander lernen können und daß es eine Zeitaufgabe ist, ditz Scheidung auszugleichen durch die Errichtung von Normalschulen, welche tauglich sind, ihre Schüler für wissenschaftliche Studien jeder Art, mögen diese nun für welchen Zweck immer bestimmt sein, reif zu machen. Da sind ferner die Universität und das Polytechnicum. beide bestimmt für das systematische Studium derjenigen Grund -, angewandten und Hilfswissenschaften, in die sich vertieft, und welche studiren gelernt haben muß, wer sich einem der höheren wirthschaftlichen oder wissenschaftlichen Berufs¬ zweige widmen will und der Vorbereitung darauf soviel Zeit und Mittel zuzu¬ wenden vermag. Beide zugleich die eigentlichen Heimathsstcitten der Wissen¬ schaft in allen ihren Zweigen. Die noch bestehende Trennung dieser Anstalten erscheint mir, wenn ich auch über den historischen Hergang keinen Augenblick im Zweifel bin, ein durch nichts gerechtfertigter Luxus. Ihre Vereinigung würde beiden Anstalten neuen Schwung verleihen und viel weniger inneren Schwierigkeiten begegnen, als die Verschmelzung von Realschule und Gym¬ nasium. Doch — ich muß mich an dieser Stelle mir einer nur oberflächlichen Berührung dieses hochwichtigen Gegenstandes begnügen. Da ist endlich die K u n ses es nie, das Conservatorium, die Kunstaeademie, eine Anstalt für die höhere künstlerische Ausbildung von, wie männiglich be¬ kannt, viel bestrittenen Werthe, aber ohne Zweifel hervorgegangen aus einem berechtigten Bestreben, und durch keine andere der bestehenden Bildungs¬ anstalten zu ersetzen. Dies sind unsere, der Verwirklichung der obigen Grundsätze dienenden Anstalten für die Berufbildung des männlichen Geschlechts. Keine von ihnen ist nur für ein einzelnes Geschäft, noch weniger ist eine nur für eine einzelne Verrichtung oder Function eines Geschäftes bestimmt; jede von ihnen dient einer gewissen Gruppe der Erwerbsarbeit, mehrere sogar zugleich mehreren solchen Gruppen. Keine dieser Gruppen — so sahen wir — darf serner der weiblichen Mitwirkung verschlossen sein; verschlossen sind ihr nur aus natürlichen Grün¬ den gewisse einzelne Geschäfte und, wo auch dies nicht, doch einzelne Ver¬ richtungen. (Dem kaufmännischen Beruf widerstrebt die weibliche Natur nicht, aber das Geschäft des Superkargo wird ihr unzugänglich bleiben und für die eigentlich speculativen Functionen wird sie seltener geeignet sein, als z. B. sür die der Cassa- und Buchführung, des Kleinverkaufs u. f. w.; in den Kreis der gewerklichen Thätigkeit sind ja Frauen längst und überall eingeführt; aber das Geschäft des Maurers, des Schmiedes, des Tonnen- Machers u. s. w. eignet nicht für sie; wo sie das Schlächterhandwerk selbstän¬ dig betrieben, würden sie das Tödten und Ausschlachten der Thiere besser durch Männer besorgen lassen und sich auf die Geschäfte der feineren Zu- Grenzboten IV. 1869. 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/225>, abgerufen am 24.06.2024.