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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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rentes Beispiel für die auch sonst sich aussprechende Neigung der Maler,
die gefälligeren und heiteren Momente einer Sage zu bevorzugen. Man
kann sogar behaupten, daß Bilder heroischer Kämpfe in Pompeji zu den am
seltensten vertretenen Kategorien gehören; doch würde es voreilig sein, hieraus
weitere Folgerungen zu ziehen, zumal da ein neugefundenes Fresko Achill's
Sieg über Penthesilea mit großer Energie darstellt. Andere Bilder haben
sich bisher noch der Erklärung entzogen, obwohl von verschiedenen Gelehrten
darauf hinzielende Versuche gemacht worden sind. Auch können wir begrei¬
fen , welch großer Reiz darin liegt, solche Räthsel zu lösen. Beson¬
ders anziehend macht sie ihre muthmaßliche Verbindung mit der alexandri¬
schen Poesie und Cultur, deren wir vorhin gedachten. Denn unsere Kennt¬
niß jener wichtigen Periode, welche von dem ursprünglichen reinen Hellenen-
thum zu der römischen Kaiserzeit überleitet, ist so trümmerhaft, die uns auf¬
bewahrten Literaturreste im Einzelnen so ungenügend, daß man begierig nach
neu sich darbietenden Mitteln greift, um in ihr Verständniß tiefer einzu¬
dringen. Doch ist hier große Vorsicht nöthig und es scheint uns, als ver¬
suchte man noch zu oft Gleichungen mit mehr als einer Unbekannten. Außer¬
dem stellt es sich heraus, daß Gemälde, welche sich in demselben Raume finden,
nur in sehr äußerlicher, formeller Harmonie, nicht aber in einer nahen Jdeen-
verbindung mit einander stehen, sodaß man nicht eines aus dem anderen darf
erklären wollen. In der That ist eine größere eyklische Komposition, die
einen bedeutenden einheitlichen Grundgedanken in einer Reihe von mehreren
Bildern mythischen Inhalts aussprechen soll, unseres Wissens in Pompeji
nirgends gefunden, eine Thatsache, welche sich nur daraus erklärt, daß die
Bewohner nicht von Grund aus mit der hellenischen Cultur verbunden
waren, sondern sich blos die fertigen Resultate derselben aneigneten. --

Die zweite Klasse der Wandgemälde, welche wir oben charakterisirten,
hat in der letzten Zeit ebenfalls wichtige Bereicherung erhalten. Im Peristyl
eines geringen Hauses war eine Wand ursprünglich mit athletischen Dar¬
stellungen verziert, die dann aber wenigstens theilweise einer neuen Stucklage
weichen mußten, auf welcher man das pompejanische Amphitheater gemalt sieht.
Das Bild ist zwar ungeschickt und besonders mit geringer Kenntniß der Per-
spective gemacht, gibt aber das noch heute bestehende Gebäude genau wieder.
Der Standpunkt ist von der gegen Westen gerichteten Seite genommen und
zugleich so hoch gedacht, daß man einen großen Theil der Arena und des
Zuschauerraumes überblickt. Dahinter liegt die Mauer der Stadt mit zwei
Thürmen, an welchen das zum Schutze gegen Sonne und Regen dienende
Zeltdach befestigt zu sein scheint. Zur Linken würde der Vesuv zu suchen
sein, doch bricht das Bild hier ab und es entgeht uns dadurch leider der
hier am natürlichsten zu erwartende Aufschluß über die viel ventilirte Frage


rentes Beispiel für die auch sonst sich aussprechende Neigung der Maler,
die gefälligeren und heiteren Momente einer Sage zu bevorzugen. Man
kann sogar behaupten, daß Bilder heroischer Kämpfe in Pompeji zu den am
seltensten vertretenen Kategorien gehören; doch würde es voreilig sein, hieraus
weitere Folgerungen zu ziehen, zumal da ein neugefundenes Fresko Achill's
Sieg über Penthesilea mit großer Energie darstellt. Andere Bilder haben
sich bisher noch der Erklärung entzogen, obwohl von verschiedenen Gelehrten
darauf hinzielende Versuche gemacht worden sind. Auch können wir begrei¬
fen , welch großer Reiz darin liegt, solche Räthsel zu lösen. Beson¬
ders anziehend macht sie ihre muthmaßliche Verbindung mit der alexandri¬
schen Poesie und Cultur, deren wir vorhin gedachten. Denn unsere Kennt¬
niß jener wichtigen Periode, welche von dem ursprünglichen reinen Hellenen-
thum zu der römischen Kaiserzeit überleitet, ist so trümmerhaft, die uns auf¬
bewahrten Literaturreste im Einzelnen so ungenügend, daß man begierig nach
neu sich darbietenden Mitteln greift, um in ihr Verständniß tiefer einzu¬
dringen. Doch ist hier große Vorsicht nöthig und es scheint uns, als ver¬
suchte man noch zu oft Gleichungen mit mehr als einer Unbekannten. Außer¬
dem stellt es sich heraus, daß Gemälde, welche sich in demselben Raume finden,
nur in sehr äußerlicher, formeller Harmonie, nicht aber in einer nahen Jdeen-
verbindung mit einander stehen, sodaß man nicht eines aus dem anderen darf
erklären wollen. In der That ist eine größere eyklische Komposition, die
einen bedeutenden einheitlichen Grundgedanken in einer Reihe von mehreren
Bildern mythischen Inhalts aussprechen soll, unseres Wissens in Pompeji
nirgends gefunden, eine Thatsache, welche sich nur daraus erklärt, daß die
Bewohner nicht von Grund aus mit der hellenischen Cultur verbunden
waren, sondern sich blos die fertigen Resultate derselben aneigneten. —

Die zweite Klasse der Wandgemälde, welche wir oben charakterisirten,
hat in der letzten Zeit ebenfalls wichtige Bereicherung erhalten. Im Peristyl
eines geringen Hauses war eine Wand ursprünglich mit athletischen Dar¬
stellungen verziert, die dann aber wenigstens theilweise einer neuen Stucklage
weichen mußten, auf welcher man das pompejanische Amphitheater gemalt sieht.
Das Bild ist zwar ungeschickt und besonders mit geringer Kenntniß der Per-
spective gemacht, gibt aber das noch heute bestehende Gebäude genau wieder.
Der Standpunkt ist von der gegen Westen gerichteten Seite genommen und
zugleich so hoch gedacht, daß man einen großen Theil der Arena und des
Zuschauerraumes überblickt. Dahinter liegt die Mauer der Stadt mit zwei
Thürmen, an welchen das zum Schutze gegen Sonne und Regen dienende
Zeltdach befestigt zu sein scheint. Zur Linken würde der Vesuv zu suchen
sein, doch bricht das Bild hier ab und es entgeht uns dadurch leider der
hier am natürlichsten zu erwartende Aufschluß über die viel ventilirte Frage


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/175>, abgerufen am 28.09.2024.