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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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in der römischen Kaiserzeit getreu copiren. Die ersteren wurden offenbar
auch von ganz anderen Künstlern ausgeführt, als diese, welche meist nicht
nur etwas Nachlässiges, sondern geradezu Handwerksmäßiges haben, wie sie
auch in den Farben viel einfacher sind. Es spricht für die Macht der griechi¬
schen Cultur und zugleich für den Geschmack der Pompejaner, daß die erste
Gattung weitaus die zahlreichere ist; und ihr wenden wir uns zunächst zu.

Früher konnte es auffallen, daß von der Fülle griechischer Mythen ver¬
hältnißmäßig nur wenige auf den Wandgemälden zur Darstellung gekommen
waren. Die große Zahl der Bilder blieb in Hinsicht der gewählten Stoffe
auf einen engen Kreis beschränkt. Die neuesten Funde scheinen nun dies
Ergebniß in bemerkenswerther Weise geändert zu haben. Freilich sind auch
jetzt wieder manche Bilder aus jenem Kreise zum Vorschein gekommen, so
Fresken mit dem Parisurtheil, mit Theseus und dem Minotaur, Hesione's
Befreiung und der fast in jedem größeren Hause unvermeidlichen Strafe Ak-
täon's. Aber daneben gibt es nicht wenige andere, deren sujets den Reiz
der Neuheit besitzen. Wir wählen einige derselben aus, möchten aber zu¬
gleich bemerken, daß wir die formelle Seite selbst bei ihnen nicht berücksich¬
tigen, da die eigentliche Kunstkritik ohne detaillirte Beschreibung wenig Nutzen
verspricht, jene aber sich hier von selber verbietet. Der Mythus von Belle¬
rophon, der auch abgesehen von Pompeji sich selten dargestellt findet, ist jetzt
als Gegenstand zweier Bilder zu erkennen: in einer großen Landschaft ist die
Scene, wie der Heros mit Hilfe von Athene sich des Pegasos bemächtigt,
gewissermaßen als Staffage benutzt, in einer anderen rein mythischen Com-
position übergibt König Prötos in Gegenwart der rachsüchtigen Stheneböa
dem Helden den Brief, der ihn verderben soll. Ebenso neu ist ein Gemälde,
welches die Flucht des Dionysos vor dem wüthenden Thrakerfürsten Lykurgos
zum Gegenstande hat; Thetis nimmt, wie in der schönen Stelle Homers so
auch hier, den fliehenden Gott in ihre Fluthen auf. Ein anderer Thraker
übt sein bezauberndes Saitenspiel in Gegenwart der Musen und des gewal¬
tigsten aller Heroen, Herakles. Den meisten Figuren dieses Bildes sind
Namensbeischriften gegeben, wie dies so oft auch auf griechischen Vasen ge¬
schehen, eine Zugabe, die freilich unserem modernen ästhetischen Gefühle wenig
mundrecht ist. Bemerkenswerth ist ferner eine Darstellung der Hochzeit von
Pirithoos und Hippodamia. Bekanntlich nahmen der Sage nach an der¬
selben als Gäste auch die Centauren Theil, doch verletzten sie im Rausche
das heilige Gastrecht und erst nach schweren Kämpfen gelang es den Heroen,
die Halbmenschen zu bändigen. Während nun die ältere Kunst diese Sage
gerne als Motiv zur Schilderung wilden Streites benutzt, sehen wir hier
eine demselben vorangehende Scene, nämlich die Ankunft der Centauren, die
friedlich Geschenke in den Händen tragen. Es scheint uns dies ein bezeich-


in der römischen Kaiserzeit getreu copiren. Die ersteren wurden offenbar
auch von ganz anderen Künstlern ausgeführt, als diese, welche meist nicht
nur etwas Nachlässiges, sondern geradezu Handwerksmäßiges haben, wie sie
auch in den Farben viel einfacher sind. Es spricht für die Macht der griechi¬
schen Cultur und zugleich für den Geschmack der Pompejaner, daß die erste
Gattung weitaus die zahlreichere ist; und ihr wenden wir uns zunächst zu.

Früher konnte es auffallen, daß von der Fülle griechischer Mythen ver¬
hältnißmäßig nur wenige auf den Wandgemälden zur Darstellung gekommen
waren. Die große Zahl der Bilder blieb in Hinsicht der gewählten Stoffe
auf einen engen Kreis beschränkt. Die neuesten Funde scheinen nun dies
Ergebniß in bemerkenswerther Weise geändert zu haben. Freilich sind auch
jetzt wieder manche Bilder aus jenem Kreise zum Vorschein gekommen, so
Fresken mit dem Parisurtheil, mit Theseus und dem Minotaur, Hesione's
Befreiung und der fast in jedem größeren Hause unvermeidlichen Strafe Ak-
täon's. Aber daneben gibt es nicht wenige andere, deren sujets den Reiz
der Neuheit besitzen. Wir wählen einige derselben aus, möchten aber zu¬
gleich bemerken, daß wir die formelle Seite selbst bei ihnen nicht berücksich¬
tigen, da die eigentliche Kunstkritik ohne detaillirte Beschreibung wenig Nutzen
verspricht, jene aber sich hier von selber verbietet. Der Mythus von Belle¬
rophon, der auch abgesehen von Pompeji sich selten dargestellt findet, ist jetzt
als Gegenstand zweier Bilder zu erkennen: in einer großen Landschaft ist die
Scene, wie der Heros mit Hilfe von Athene sich des Pegasos bemächtigt,
gewissermaßen als Staffage benutzt, in einer anderen rein mythischen Com-
position übergibt König Prötos in Gegenwart der rachsüchtigen Stheneböa
dem Helden den Brief, der ihn verderben soll. Ebenso neu ist ein Gemälde,
welches die Flucht des Dionysos vor dem wüthenden Thrakerfürsten Lykurgos
zum Gegenstande hat; Thetis nimmt, wie in der schönen Stelle Homers so
auch hier, den fliehenden Gott in ihre Fluthen auf. Ein anderer Thraker
übt sein bezauberndes Saitenspiel in Gegenwart der Musen und des gewal¬
tigsten aller Heroen, Herakles. Den meisten Figuren dieses Bildes sind
Namensbeischriften gegeben, wie dies so oft auch auf griechischen Vasen ge¬
schehen, eine Zugabe, die freilich unserem modernen ästhetischen Gefühle wenig
mundrecht ist. Bemerkenswerth ist ferner eine Darstellung der Hochzeit von
Pirithoos und Hippodamia. Bekanntlich nahmen der Sage nach an der¬
selben als Gäste auch die Centauren Theil, doch verletzten sie im Rausche
das heilige Gastrecht und erst nach schweren Kämpfen gelang es den Heroen,
die Halbmenschen zu bändigen. Während nun die ältere Kunst diese Sage
gerne als Motiv zur Schilderung wilden Streites benutzt, sehen wir hier
eine demselben vorangehende Scene, nämlich die Ankunft der Centauren, die
friedlich Geschenke in den Händen tragen. Es scheint uns dies ein bezeich-


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[0174] in der römischen Kaiserzeit getreu copiren. Die ersteren wurden offenbar auch von ganz anderen Künstlern ausgeführt, als diese, welche meist nicht nur etwas Nachlässiges, sondern geradezu Handwerksmäßiges haben, wie sie auch in den Farben viel einfacher sind. Es spricht für die Macht der griechi¬ schen Cultur und zugleich für den Geschmack der Pompejaner, daß die erste Gattung weitaus die zahlreichere ist; und ihr wenden wir uns zunächst zu. Früher konnte es auffallen, daß von der Fülle griechischer Mythen ver¬ hältnißmäßig nur wenige auf den Wandgemälden zur Darstellung gekommen waren. Die große Zahl der Bilder blieb in Hinsicht der gewählten Stoffe auf einen engen Kreis beschränkt. Die neuesten Funde scheinen nun dies Ergebniß in bemerkenswerther Weise geändert zu haben. Freilich sind auch jetzt wieder manche Bilder aus jenem Kreise zum Vorschein gekommen, so Fresken mit dem Parisurtheil, mit Theseus und dem Minotaur, Hesione's Befreiung und der fast in jedem größeren Hause unvermeidlichen Strafe Ak- täon's. Aber daneben gibt es nicht wenige andere, deren sujets den Reiz der Neuheit besitzen. Wir wählen einige derselben aus, möchten aber zu¬ gleich bemerken, daß wir die formelle Seite selbst bei ihnen nicht berücksich¬ tigen, da die eigentliche Kunstkritik ohne detaillirte Beschreibung wenig Nutzen verspricht, jene aber sich hier von selber verbietet. Der Mythus von Belle¬ rophon, der auch abgesehen von Pompeji sich selten dargestellt findet, ist jetzt als Gegenstand zweier Bilder zu erkennen: in einer großen Landschaft ist die Scene, wie der Heros mit Hilfe von Athene sich des Pegasos bemächtigt, gewissermaßen als Staffage benutzt, in einer anderen rein mythischen Com- position übergibt König Prötos in Gegenwart der rachsüchtigen Stheneböa dem Helden den Brief, der ihn verderben soll. Ebenso neu ist ein Gemälde, welches die Flucht des Dionysos vor dem wüthenden Thrakerfürsten Lykurgos zum Gegenstande hat; Thetis nimmt, wie in der schönen Stelle Homers so auch hier, den fliehenden Gott in ihre Fluthen auf. Ein anderer Thraker übt sein bezauberndes Saitenspiel in Gegenwart der Musen und des gewal¬ tigsten aller Heroen, Herakles. Den meisten Figuren dieses Bildes sind Namensbeischriften gegeben, wie dies so oft auch auf griechischen Vasen ge¬ schehen, eine Zugabe, die freilich unserem modernen ästhetischen Gefühle wenig mundrecht ist. Bemerkenswerth ist ferner eine Darstellung der Hochzeit von Pirithoos und Hippodamia. Bekanntlich nahmen der Sage nach an der¬ selben als Gäste auch die Centauren Theil, doch verletzten sie im Rausche das heilige Gastrecht und erst nach schweren Kämpfen gelang es den Heroen, die Halbmenschen zu bändigen. Während nun die ältere Kunst diese Sage gerne als Motiv zur Schilderung wilden Streites benutzt, sehen wir hier eine demselben vorangehende Scene, nämlich die Ankunft der Centauren, die friedlich Geschenke in den Händen tragen. Es scheint uns dies ein bezeich-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/174>, abgerufen am 28.09.2024.