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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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angeknüpft hatte, jetzt, wo das selbstische Interesse des liebenswürdigen
Dichterfreundes klar hervortrat, sich ernstlich verstimmt zeigten. Catull's
Angriffe auf Cäsar wurden heftiger als je. und von Lucrez besitzen wir im
Prolog des zweiten Buchs (66/54) ein Gedicht, das einem Absagebrief sehr
ähnlich sieht, wenigstens enthält es statt der früheren vertrauungsvollen
Freundschaftsversicherungen ernste Mahnungen. Die Anreden an Menenius.
deren das erste und fünfte Buch viele enthält, werden im zweiten Buche sehr
spärlich und hören im dritten, vierten und sechsten ganz aus. Aber Menenius
erreichte sein Ziel und war der Hilfe des einflußreichen Triumvir sicher,
nachdem er sich bereit erklärt hatte, Faust" zu opfern und die fast zwanzig¬
jährige Ehe mit ihr zu lösen. Wir setzten den Abschluß derselben 74, er¬
kennen aus einem von Cicero gelegentlich cedirten Briefe des Faustus an
seine sullanischen Verwandten, daß sie 63 noch bestand und verstehen die
Worte des Scholiasten zur Rede xro Leauro (2. Sept. 64): "Für ihn baten
G. Menenius. Fausta's Sohn und Milo. den Fausta vor wenigen Monaten,
als sie von Menenius sich trennte, geheirathet hatte" in dem Sinne, daß
zwischen Milo und Menenius kein anderer Gatte der Fausta steht, und daß
Scheidung und Wiederverheirathung für die Tochter Sulla's zusammenfielen.
Es erscheint uns höchst unwahrscheinlich, daß Menenius Grund zur Scheidung
in dem anstößigen Lebenswandel seiner Gattin gefunden haben sollte, da er
den Ehebruch seinerseits für vollkommen zulässig hielt, ja zu einem Capitel
seines politischen Programms erhoben hatte. Um solcher Kleinigkeit willen
verzichtete er nicht auf den Nießbrauch eines bedeutenden Vermögens, oder
entfremdete sich kurz vor seiner Candidatur den großen Anhang der sulla-
nischen Verwandtschaft. Viel wahrscheinlicher ist es, daß Cäsar die Scheidung
als Bedingung seiner Unterstützung voraussetzte. Fausta's mütterliche und
väterliche Verwandte standen entweder Cäsar feindlich gegenüber, oder hatten
sich wie Scaurus, Faustus, Metellus Nepos an Pompejus angeschlossen,
ohne deshalb dem Statthalter Galliens auch nur einen Schritt näher zu
treten. Unmöglich konnte Cäsar erlauben, daß der von Pompejus begünstigte
Scaurus und Menenius, so lange sie verschwägert blieben, zusammen das
Consulat bekleideten. Als sich deshalb herausstellte, daß Fausta's Stiefbruder,
obwohl an Lebensalter und Anciennität jünger als Menenius, bei seiner
Candidatur beharrte, wurde die Scheidung eingeleitet, und Fausta ver¬
mählte sich am 24. November 66 mit Cäsars Todfeind Milo. Ueberall
wurde Menenius als Cäsars Candidat für 54 verkündet. -- Aber auch so
war die Wahl noch nicht gesichert; selbst wenn man Cäsars Einfluß in Rech¬
nung zog, hielten die vier Candidaten einander das Gleichgewicht. Es
waren die Patricier Scaurus und Messala, die Plebejer Domitius Calvinus
und Menenius. Letzterer hatte also, da ein Consul dem Plebejerstande an-


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angeknüpft hatte, jetzt, wo das selbstische Interesse des liebenswürdigen
Dichterfreundes klar hervortrat, sich ernstlich verstimmt zeigten. Catull's
Angriffe auf Cäsar wurden heftiger als je. und von Lucrez besitzen wir im
Prolog des zweiten Buchs (66/54) ein Gedicht, das einem Absagebrief sehr
ähnlich sieht, wenigstens enthält es statt der früheren vertrauungsvollen
Freundschaftsversicherungen ernste Mahnungen. Die Anreden an Menenius.
deren das erste und fünfte Buch viele enthält, werden im zweiten Buche sehr
spärlich und hören im dritten, vierten und sechsten ganz aus. Aber Menenius
erreichte sein Ziel und war der Hilfe des einflußreichen Triumvir sicher,
nachdem er sich bereit erklärt hatte, Faust« zu opfern und die fast zwanzig¬
jährige Ehe mit ihr zu lösen. Wir setzten den Abschluß derselben 74, er¬
kennen aus einem von Cicero gelegentlich cedirten Briefe des Faustus an
seine sullanischen Verwandten, daß sie 63 noch bestand und verstehen die
Worte des Scholiasten zur Rede xro Leauro (2. Sept. 64): „Für ihn baten
G. Menenius. Fausta's Sohn und Milo. den Fausta vor wenigen Monaten,
als sie von Menenius sich trennte, geheirathet hatte" in dem Sinne, daß
zwischen Milo und Menenius kein anderer Gatte der Fausta steht, und daß
Scheidung und Wiederverheirathung für die Tochter Sulla's zusammenfielen.
Es erscheint uns höchst unwahrscheinlich, daß Menenius Grund zur Scheidung
in dem anstößigen Lebenswandel seiner Gattin gefunden haben sollte, da er
den Ehebruch seinerseits für vollkommen zulässig hielt, ja zu einem Capitel
seines politischen Programms erhoben hatte. Um solcher Kleinigkeit willen
verzichtete er nicht auf den Nießbrauch eines bedeutenden Vermögens, oder
entfremdete sich kurz vor seiner Candidatur den großen Anhang der sulla-
nischen Verwandtschaft. Viel wahrscheinlicher ist es, daß Cäsar die Scheidung
als Bedingung seiner Unterstützung voraussetzte. Fausta's mütterliche und
väterliche Verwandte standen entweder Cäsar feindlich gegenüber, oder hatten
sich wie Scaurus, Faustus, Metellus Nepos an Pompejus angeschlossen,
ohne deshalb dem Statthalter Galliens auch nur einen Schritt näher zu
treten. Unmöglich konnte Cäsar erlauben, daß der von Pompejus begünstigte
Scaurus und Menenius, so lange sie verschwägert blieben, zusammen das
Consulat bekleideten. Als sich deshalb herausstellte, daß Fausta's Stiefbruder,
obwohl an Lebensalter und Anciennität jünger als Menenius, bei seiner
Candidatur beharrte, wurde die Scheidung eingeleitet, und Fausta ver¬
mählte sich am 24. November 66 mit Cäsars Todfeind Milo. Ueberall
wurde Menenius als Cäsars Candidat für 54 verkündet. — Aber auch so
war die Wahl noch nicht gesichert; selbst wenn man Cäsars Einfluß in Rech¬
nung zog, hielten die vier Candidaten einander das Gleichgewicht. Es
waren die Patricier Scaurus und Messala, die Plebejer Domitius Calvinus
und Menenius. Letzterer hatte also, da ein Consul dem Plebejerstande an-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/147>, abgerufen am 22.07.2024.