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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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schlossene Ehe des Pompejus mit Cäsars Tochter Julia denken und (wie es
nahe liegt) die Enkelin mit der göttlichen Mutter des Geschlechts, den Kriegs¬
gott mit Pompejus identificiren.

Es wurde Menenius leicht, die günstige Stimmung der Dichter längere
Zeit zu erhalten, denn die Prätur ging zu Ende und er begab sich 57 als
Statthalter nach Bithhnien. Auch bei dieser Gelegenheit erwies er Cäsar
einen willkommenen Dienst, indem er zwei der erbittertsten Brauseköpfe
Helvius Cinna und Catull aus Rom entfernte und mit sich in die Provinz
nahm. Sie gefielen sich freilich nicht lange in dem barbarischen Lande, und
namentlich Catull hat später seinem Unwillen gegen Menenius, dessen
ferneres Benehmen den Erwartungen gar nicht entsprochen hatte, in mehreren
uns noch erhaltenen Gedichten einen sehr bestimmten Ausdruck gegeben; aber
allein Hin- und Herreise nahm, wie wir aus dem genauen Reisebericht
Ciceros von und nach Cilicien abmessen können, immerhin acht Monate in
Anspruch. Für Menenius hatte die fast zweijährige Abwesenheit von Rom
eine doppelte Bedeutung. Einmal füllte er in der Provinz seine Kassen,
was ihn unter anderem auch in den Stand setzte, sich Fausta gegenüber un¬
abhängiger zu stellen, andrerseits blieb er dem Treiben der Hauptstadt
längere Zeit fern und konnte, ohne sich eine Blöße zu geben, die weitere
Entwicklung der Dinge mit Muße abwarten. In der That war die Krisis
schon einige Monate vor seiner Rückkehr eingetreten, die Conferenz der
Triumvirn war in Lucca am 11. April 56 abgehalten, und die gewaltige
Wirkung dieses Dreikönigstages machte sich in allen Lebenskreisen der Haupt¬
stadt geltend: die Senatspartet war vollständig unterlegen, Cäsar unbe¬
stritten Herr der Situation. Menenius brauchte nicht mehr zu fürchten, daß
er abermals irrte, wenn er sich definitiv für Cäsar entschied. Er entschloß
sich jetzt allen Ernstes, auf dem bereits angedeuteten Wege eine Aussöhnung
mit dem Statthalter Galliens anzubahnen, um durch ihn das Consulat für
eins der nächsten Jahre zu erlangen. Der Erbe Sulla's war also nach
vielen Wandlungen am Ende des zweiten Lebensabschnitts entschlossen, noch
eine Stufe herabzusteigen und aus einem gleichberechtigten Theilhaber der
Oligarchie sich zu einem socius at<zus minister des Prätendenten zu er¬
niedrigen.

Wir müssen nach den von Cicero und anderen Autoren überlieferten
Zeugnissen von Cäsar's Verhältniß zu Menenius im Jahre 54 für voll"
ständig erwiesen halten, daß es letzterem gelungen war, seinen Frieden mit
dem Triumvir zu machen. Seine Bemühungen, die Tagespresse zu Gunsten
Cäsar's zu stimmen oder die ärgsten Feinde zum Schweigen zu bringen,
müssen also Anerkennung'gefunden haben, wenn auch diejenigen Dichter, wie
Catull und Lucrez, mit denen er früher schon ein persönliches Verhältniß


schlossene Ehe des Pompejus mit Cäsars Tochter Julia denken und (wie es
nahe liegt) die Enkelin mit der göttlichen Mutter des Geschlechts, den Kriegs¬
gott mit Pompejus identificiren.

Es wurde Menenius leicht, die günstige Stimmung der Dichter längere
Zeit zu erhalten, denn die Prätur ging zu Ende und er begab sich 57 als
Statthalter nach Bithhnien. Auch bei dieser Gelegenheit erwies er Cäsar
einen willkommenen Dienst, indem er zwei der erbittertsten Brauseköpfe
Helvius Cinna und Catull aus Rom entfernte und mit sich in die Provinz
nahm. Sie gefielen sich freilich nicht lange in dem barbarischen Lande, und
namentlich Catull hat später seinem Unwillen gegen Menenius, dessen
ferneres Benehmen den Erwartungen gar nicht entsprochen hatte, in mehreren
uns noch erhaltenen Gedichten einen sehr bestimmten Ausdruck gegeben; aber
allein Hin- und Herreise nahm, wie wir aus dem genauen Reisebericht
Ciceros von und nach Cilicien abmessen können, immerhin acht Monate in
Anspruch. Für Menenius hatte die fast zweijährige Abwesenheit von Rom
eine doppelte Bedeutung. Einmal füllte er in der Provinz seine Kassen,
was ihn unter anderem auch in den Stand setzte, sich Fausta gegenüber un¬
abhängiger zu stellen, andrerseits blieb er dem Treiben der Hauptstadt
längere Zeit fern und konnte, ohne sich eine Blöße zu geben, die weitere
Entwicklung der Dinge mit Muße abwarten. In der That war die Krisis
schon einige Monate vor seiner Rückkehr eingetreten, die Conferenz der
Triumvirn war in Lucca am 11. April 56 abgehalten, und die gewaltige
Wirkung dieses Dreikönigstages machte sich in allen Lebenskreisen der Haupt¬
stadt geltend: die Senatspartet war vollständig unterlegen, Cäsar unbe¬
stritten Herr der Situation. Menenius brauchte nicht mehr zu fürchten, daß
er abermals irrte, wenn er sich definitiv für Cäsar entschied. Er entschloß
sich jetzt allen Ernstes, auf dem bereits angedeuteten Wege eine Aussöhnung
mit dem Statthalter Galliens anzubahnen, um durch ihn das Consulat für
eins der nächsten Jahre zu erlangen. Der Erbe Sulla's war also nach
vielen Wandlungen am Ende des zweiten Lebensabschnitts entschlossen, noch
eine Stufe herabzusteigen und aus einem gleichberechtigten Theilhaber der
Oligarchie sich zu einem socius at<zus minister des Prätendenten zu er¬
niedrigen.

Wir müssen nach den von Cicero und anderen Autoren überlieferten
Zeugnissen von Cäsar's Verhältniß zu Menenius im Jahre 54 für voll«
ständig erwiesen halten, daß es letzterem gelungen war, seinen Frieden mit
dem Triumvir zu machen. Seine Bemühungen, die Tagespresse zu Gunsten
Cäsar's zu stimmen oder die ärgsten Feinde zum Schweigen zu bringen,
müssen also Anerkennung'gefunden haben, wenn auch diejenigen Dichter, wie
Catull und Lucrez, mit denen er früher schon ein persönliches Verhältniß


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[0146] schlossene Ehe des Pompejus mit Cäsars Tochter Julia denken und (wie es nahe liegt) die Enkelin mit der göttlichen Mutter des Geschlechts, den Kriegs¬ gott mit Pompejus identificiren. Es wurde Menenius leicht, die günstige Stimmung der Dichter längere Zeit zu erhalten, denn die Prätur ging zu Ende und er begab sich 57 als Statthalter nach Bithhnien. Auch bei dieser Gelegenheit erwies er Cäsar einen willkommenen Dienst, indem er zwei der erbittertsten Brauseköpfe Helvius Cinna und Catull aus Rom entfernte und mit sich in die Provinz nahm. Sie gefielen sich freilich nicht lange in dem barbarischen Lande, und namentlich Catull hat später seinem Unwillen gegen Menenius, dessen ferneres Benehmen den Erwartungen gar nicht entsprochen hatte, in mehreren uns noch erhaltenen Gedichten einen sehr bestimmten Ausdruck gegeben; aber allein Hin- und Herreise nahm, wie wir aus dem genauen Reisebericht Ciceros von und nach Cilicien abmessen können, immerhin acht Monate in Anspruch. Für Menenius hatte die fast zweijährige Abwesenheit von Rom eine doppelte Bedeutung. Einmal füllte er in der Provinz seine Kassen, was ihn unter anderem auch in den Stand setzte, sich Fausta gegenüber un¬ abhängiger zu stellen, andrerseits blieb er dem Treiben der Hauptstadt längere Zeit fern und konnte, ohne sich eine Blöße zu geben, die weitere Entwicklung der Dinge mit Muße abwarten. In der That war die Krisis schon einige Monate vor seiner Rückkehr eingetreten, die Conferenz der Triumvirn war in Lucca am 11. April 56 abgehalten, und die gewaltige Wirkung dieses Dreikönigstages machte sich in allen Lebenskreisen der Haupt¬ stadt geltend: die Senatspartet war vollständig unterlegen, Cäsar unbe¬ stritten Herr der Situation. Menenius brauchte nicht mehr zu fürchten, daß er abermals irrte, wenn er sich definitiv für Cäsar entschied. Er entschloß sich jetzt allen Ernstes, auf dem bereits angedeuteten Wege eine Aussöhnung mit dem Statthalter Galliens anzubahnen, um durch ihn das Consulat für eins der nächsten Jahre zu erlangen. Der Erbe Sulla's war also nach vielen Wandlungen am Ende des zweiten Lebensabschnitts entschlossen, noch eine Stufe herabzusteigen und aus einem gleichberechtigten Theilhaber der Oligarchie sich zu einem socius at<zus minister des Prätendenten zu er¬ niedrigen. Wir müssen nach den von Cicero und anderen Autoren überlieferten Zeugnissen von Cäsar's Verhältniß zu Menenius im Jahre 54 für voll« ständig erwiesen halten, daß es letzterem gelungen war, seinen Frieden mit dem Triumvir zu machen. Seine Bemühungen, die Tagespresse zu Gunsten Cäsar's zu stimmen oder die ärgsten Feinde zum Schweigen zu bringen, müssen also Anerkennung'gefunden haben, wenn auch diejenigen Dichter, wie Catull und Lucrez, mit denen er früher schon ein persönliches Verhältniß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/146>, abgerufen am 22.07.2024.