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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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gehören mußte, seinen Hauptgegner in Domitius zu bekämpfen, dem in Folge
seiner ädilicischen Spiele und seines persönlichen Anhangs voraussichtlich viele
Stimmen zufielen. Weit gefährlicher aber war die von vornherein zwei¬
deutige Stellung des in Rom anwesenden Triumvir Pompejus. In der
mehrfach erwähnten Conferenz zu Lucca hatten sich Cäsar Pompejus und
Crassus dahin geeinigt, daß bei unvorhergesehenen schwierigen Ereignissen
eine Dictatur des Pompejus eintreten solle. Da die ersehnten Störungen
nun nicht von selbst eintreten wollten, hielt es Graus für angemessen, sie
selbst herbeizuführen, zumal das Jahr 53, wo Crassus in Syrien zubringen
wollte, ihm zur Ausführung seiner Pläne am geeignetsten schien. Eine an¬
dere Deutung läßt sein schielendes Benehmen gegen Menenius und Scau-
rus nicht zu. Wenn man seinen Worten Glauben schenken durfte (was
übrigens nur wenige thaten), so begünstigte er seinen vormaligen Quästor,
den er als Gemahl der ungetreuen Mucia haßte. Er rechnete mit Bestimmt¬
heit darauf, daß dieser Bewerber durch einen Spruch des Gerichts beseitigt
werde. Am 29. Juni war die officielle Meldung, am 8. Juli erfolgte die
Anklage. Die Sache stand schlecht, die Anklage stützte sich auf viele und
gute Zeugen, der unbestechliche M. Cato präsidirte, sämmtliche Mitbewerber
um das Consulat, namentlich Menenius, arbeiteten insgeheim gegen den An¬
geklagten, Scaurus selbst fühlte sich so wenig sicher, daß er zu nicht geringem
Verdruß der Wähler mit den hergebrachten Geldspenden zurückhielt und erst
nach der allen unerwarteten Freisprechung (2. Sept. 54) seine Kassen öffnete.
Für diesen Candidaten erklärte sich Pompejus, ließ ihn aber, sobald seine
Aussichten sich günstiger gestalteten, sofort fallen. Es bedarf keines weiteren
Beweises, um die Pläne des Pompejus und die schwierige Stellung des
Menenius ihnen gegenüber begreiflich zu machen. Der Triumvir war ihm
einerseits Vertreter Cäsars, auf dessen Unterstützung er allein mit Sicherheit
rechnen konnte-, andererseits ein verdeckt spielender und desto gefährlicherer
Concurrent. Bei den Aufschlüssen und Rathschlägen, welche er von ihm er¬
hielt, galt es zu unterscheiden, ob sie von dem Triumvir ausgingen oder dem
Candidaten der Dictatur. Menenius war nicht der Mann dazu und ver¬
griff sich im entscheidenden Augenblicke. Gehen wir nun zu den Einzelheiten
des Wahlkampfs über.

Die öffentliche Meldung fand am 29. Juni 34 Statt. Man erwartete
allgemein, daß die Comitien in der zweiten Hälfte des Juli abgehalten wür¬
den. Die Candidaten überboten einander in einer bis dahin unerhörten
Weise, zuletzt blieben sie bei der Summe von 300,000 Thlr. für die zuerst
zur Abstimmung aufgerufene Centurie stehen. Außerdem zahlten drei Candi¬
daten enorme Summen an die einzelnen Tribus, sodaß der Zinsfuß für
baares Geld am 15. Juli von 48 auf 96°/<> gestiegen war. Menenius und


gehören mußte, seinen Hauptgegner in Domitius zu bekämpfen, dem in Folge
seiner ädilicischen Spiele und seines persönlichen Anhangs voraussichtlich viele
Stimmen zufielen. Weit gefährlicher aber war die von vornherein zwei¬
deutige Stellung des in Rom anwesenden Triumvir Pompejus. In der
mehrfach erwähnten Conferenz zu Lucca hatten sich Cäsar Pompejus und
Crassus dahin geeinigt, daß bei unvorhergesehenen schwierigen Ereignissen
eine Dictatur des Pompejus eintreten solle. Da die ersehnten Störungen
nun nicht von selbst eintreten wollten, hielt es Graus für angemessen, sie
selbst herbeizuführen, zumal das Jahr 53, wo Crassus in Syrien zubringen
wollte, ihm zur Ausführung seiner Pläne am geeignetsten schien. Eine an¬
dere Deutung läßt sein schielendes Benehmen gegen Menenius und Scau-
rus nicht zu. Wenn man seinen Worten Glauben schenken durfte (was
übrigens nur wenige thaten), so begünstigte er seinen vormaligen Quästor,
den er als Gemahl der ungetreuen Mucia haßte. Er rechnete mit Bestimmt¬
heit darauf, daß dieser Bewerber durch einen Spruch des Gerichts beseitigt
werde. Am 29. Juni war die officielle Meldung, am 8. Juli erfolgte die
Anklage. Die Sache stand schlecht, die Anklage stützte sich auf viele und
gute Zeugen, der unbestechliche M. Cato präsidirte, sämmtliche Mitbewerber
um das Consulat, namentlich Menenius, arbeiteten insgeheim gegen den An¬
geklagten, Scaurus selbst fühlte sich so wenig sicher, daß er zu nicht geringem
Verdruß der Wähler mit den hergebrachten Geldspenden zurückhielt und erst
nach der allen unerwarteten Freisprechung (2. Sept. 54) seine Kassen öffnete.
Für diesen Candidaten erklärte sich Pompejus, ließ ihn aber, sobald seine
Aussichten sich günstiger gestalteten, sofort fallen. Es bedarf keines weiteren
Beweises, um die Pläne des Pompejus und die schwierige Stellung des
Menenius ihnen gegenüber begreiflich zu machen. Der Triumvir war ihm
einerseits Vertreter Cäsars, auf dessen Unterstützung er allein mit Sicherheit
rechnen konnte-, andererseits ein verdeckt spielender und desto gefährlicherer
Concurrent. Bei den Aufschlüssen und Rathschlägen, welche er von ihm er¬
hielt, galt es zu unterscheiden, ob sie von dem Triumvir ausgingen oder dem
Candidaten der Dictatur. Menenius war nicht der Mann dazu und ver¬
griff sich im entscheidenden Augenblicke. Gehen wir nun zu den Einzelheiten
des Wahlkampfs über.

Die öffentliche Meldung fand am 29. Juni 34 Statt. Man erwartete
allgemein, daß die Comitien in der zweiten Hälfte des Juli abgehalten wür¬
den. Die Candidaten überboten einander in einer bis dahin unerhörten
Weise, zuletzt blieben sie bei der Summe von 300,000 Thlr. für die zuerst
zur Abstimmung aufgerufene Centurie stehen. Außerdem zahlten drei Candi¬
daten enorme Summen an die einzelnen Tribus, sodaß der Zinsfuß für
baares Geld am 15. Juli von 48 auf 96°/<> gestiegen war. Menenius und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/148>, abgerufen am 22.07.2024.