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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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ebensowenig in Unbekanntschaft mit dem Kriegswesen'."Sulla und Cäsar be¬
weisen, wie schnell diese Lücke in damaliger Zeit zu ergänzen war, und an
Kriegen in Italien selbst fehlte es ja nicht. Die geschlossene Partei war vor¬
handen und bedürfte nur eines befähigten Führers, eine zuverlässige Stütze
stand in Lucull bereit, Sulla's Name, wenn ihn Sulla's anerkannter Erbe
aufrief, bewaffnete in den durch ganz Italien zerstreuten Corneliern noch
immer eine größere Menge tüchtiger Streitkräfte innerhalb des ersten Jahr¬
zehnts nach des Dictators Tode, als einem Pompejus von vornherein zu Ge¬
bote stand. Die Mit- und Nachwelt würde dem kühnen Häuptling zu Dank
verpflichtet sein, wenn er Italien die schon damals vorauszusehenden entsetz¬
lichen Umwälzungen erspart, die Menschheit mit den verheerenden Bürger¬
kriegen verschont und der civilisirten Welt schon im Jahre 70 den einen Herr¬
scher gegeben hätte, nach dem sie sich sehnte. Aber Gajus Menenius that
den kühnen Griff, welcher ihn mit einem Ruck über alle Parteien gehoben
hätte, nicht, er blieb auch als Erbe Sulla's noch Menenius, genoß mit ge¬
wohntem Leichtsinn die Gegenwart und schwelgte in den Genüssen, welche
ihm die neuen Lebensverhältnisse boten. Er war im Jahre 66, wo er sich
als selbständiger Beamter an den öffentlichen Leben betheiligen sollte, noch
vollkommen unvorbereitet zur Lösung einer politischen Frage und verfiel des¬
halb in dem nun beginnenden zweiten Abschnitte seines Lebens einem unheil¬
vollen Schwanken, welches in der Katastrophe den schlimmsten Ausgang be¬
fürchten ließ.

Wir sollten denken, Menenius habe sich, nachdem er auf Sulla's Erb¬
schaft verzichtet, nun wenigstens der ihm am nächsten stehenden Optimaten-
partei fest angeschlossen, habe treu zu ihr gehalten in dem unabwendbaren
Kampf, um mit ihr zu siegen oder ehrenvoll unterzugehn. Gajus Menenius
that niemals was man von ihm erwarten mußte. Schon daß der Schwieger¬
sohn Sulla's das Volkstribunat übernahm, war ein Fehler. Unverzeihlich
aber ist, daß er aus eitlem Popularitätsschwindel den M. Lucullus anklagte,
weil dieser als Quästor Sulla's den Befehlen seines Vorgesetzten Folge ge¬
leistet hätte. Als er mit dieser Anklage durchfiel, widersetzte er sich in der
aä Koe berufenen Volksversammlung dem wohlverdienten Triumphe des Lu¬
cius Lucullus und hielt ihn drei Jahre von Rom zurück, bis sämmtliche Opti¬
malen für den treuen Diener und Gehilfen Sulla's entschieden Partei nah¬
men. Beim Volke gewann Menenius durch diese Intriguen nichts, Pompejus
fühlte sich nur dem Manilius verpflichtet, und die Optimatenpartei war wenig¬
stens für den Augenblick ernstlich verstimmt. -- Indessen führten in der zwischen
65 und 58 liegenden Zeit die vielfachen persönlichen Berührungen mit den
einzelnen Optimatenfamilien, denen Menenius durch seine Frau angehörte,
plebe minder das leidenschaftlich betriebene Würfelspiel, bald wieder eine An-


ebensowenig in Unbekanntschaft mit dem Kriegswesen'."Sulla und Cäsar be¬
weisen, wie schnell diese Lücke in damaliger Zeit zu ergänzen war, und an
Kriegen in Italien selbst fehlte es ja nicht. Die geschlossene Partei war vor¬
handen und bedürfte nur eines befähigten Führers, eine zuverlässige Stütze
stand in Lucull bereit, Sulla's Name, wenn ihn Sulla's anerkannter Erbe
aufrief, bewaffnete in den durch ganz Italien zerstreuten Corneliern noch
immer eine größere Menge tüchtiger Streitkräfte innerhalb des ersten Jahr¬
zehnts nach des Dictators Tode, als einem Pompejus von vornherein zu Ge¬
bote stand. Die Mit- und Nachwelt würde dem kühnen Häuptling zu Dank
verpflichtet sein, wenn er Italien die schon damals vorauszusehenden entsetz¬
lichen Umwälzungen erspart, die Menschheit mit den verheerenden Bürger¬
kriegen verschont und der civilisirten Welt schon im Jahre 70 den einen Herr¬
scher gegeben hätte, nach dem sie sich sehnte. Aber Gajus Menenius that
den kühnen Griff, welcher ihn mit einem Ruck über alle Parteien gehoben
hätte, nicht, er blieb auch als Erbe Sulla's noch Menenius, genoß mit ge¬
wohntem Leichtsinn die Gegenwart und schwelgte in den Genüssen, welche
ihm die neuen Lebensverhältnisse boten. Er war im Jahre 66, wo er sich
als selbständiger Beamter an den öffentlichen Leben betheiligen sollte, noch
vollkommen unvorbereitet zur Lösung einer politischen Frage und verfiel des¬
halb in dem nun beginnenden zweiten Abschnitte seines Lebens einem unheil¬
vollen Schwanken, welches in der Katastrophe den schlimmsten Ausgang be¬
fürchten ließ.

Wir sollten denken, Menenius habe sich, nachdem er auf Sulla's Erb¬
schaft verzichtet, nun wenigstens der ihm am nächsten stehenden Optimaten-
partei fest angeschlossen, habe treu zu ihr gehalten in dem unabwendbaren
Kampf, um mit ihr zu siegen oder ehrenvoll unterzugehn. Gajus Menenius
that niemals was man von ihm erwarten mußte. Schon daß der Schwieger¬
sohn Sulla's das Volkstribunat übernahm, war ein Fehler. Unverzeihlich
aber ist, daß er aus eitlem Popularitätsschwindel den M. Lucullus anklagte,
weil dieser als Quästor Sulla's den Befehlen seines Vorgesetzten Folge ge¬
leistet hätte. Als er mit dieser Anklage durchfiel, widersetzte er sich in der
aä Koe berufenen Volksversammlung dem wohlverdienten Triumphe des Lu¬
cius Lucullus und hielt ihn drei Jahre von Rom zurück, bis sämmtliche Opti¬
malen für den treuen Diener und Gehilfen Sulla's entschieden Partei nah¬
men. Beim Volke gewann Menenius durch diese Intriguen nichts, Pompejus
fühlte sich nur dem Manilius verpflichtet, und die Optimatenpartei war wenig¬
stens für den Augenblick ernstlich verstimmt. — Indessen führten in der zwischen
65 und 58 liegenden Zeit die vielfachen persönlichen Berührungen mit den
einzelnen Optimatenfamilien, denen Menenius durch seine Frau angehörte,
plebe minder das leidenschaftlich betriebene Würfelspiel, bald wieder eine An-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/142>, abgerufen am 22.07.2024.