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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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dessen Werth allein nach den bei seinem Anblick auftauchenden Hoffnungen
gemessen werden kann, ist das bloße Zusammensein so vieler glänzender
Eigenschaften von durchschlagender Wirkung selbst auf den durch Erfahrung
kühl und klar gewordenen Beobachter. In der vornehmen Frauenwelt Roms
aber mußte der vierundzwanzigjährige Menenius geradezu für unwiderstehlich
gelten. Wir wundern uns deshalb nicht, daß er die weitaus beste Partie
der damaligen Zeit, die schöne und reiche Tochter des verstorbenen Dictators
Sulla heimführte. Die Verheirathung der Faustn, welche von väterlicher
Seite dem erlauchten Geschlechte der Julier, von mütterlicher den vornehmen
Cäciliern angehörte, mit einem Plebejer, der nicht einmal einen vir oonsulg-us
unter seinen Vorfahren aufzuweisen hatte, wird Aufsehn genug in dem "republi¬
kanischen" Rom erregt haben. Aber Fausta war eine Vater- und mutterlose
Waise, ihr Zwillingsbruder Faustus noch ein Knabe, ihr Stiefbruder Scaurus
gleichfalls noch jung und außerdem unbedeutend sein ganzes Leben hindurch:
so konnte die vierzehnjährige Erbin, welche zugleich mit der Leidenschaftlichkeit
auch die eiserne Willenskraft ihres Vaters geerbt hatte, dem biedern, ihrem
Hause treu ergebenen Vormund L. Lucullus endlich das Jawort abnöthigen.
Für die Memmier wog diese Verbindung eine Reihe consularischer Ahnen
auf. Lucius trat freiwillig hinter seinem jüngern Bruder zurück und verherr¬
lichte die Standeserhöhung der Familie durch die auf seinen Münzen dar¬
gestellte Biga mit der von Cupido bekränzten Venus; Gajus zeichnete seinen
Namen von nun an mit dem Adelszeichen I'.; die erclusivsten Kreise der
Nobilitcit öffneten sich, wenn auch ungern, aber sie öffneten sich doch dem
Emporkömmling, der durch seine gesellige Tournüre wenigstens nicht den
mindesten Anstoß erregen konnte. Wieder einmal hatten die Memmier das
große Loos gewonnen. Eine solche Standeserhöhung hatte aber zugleich ihre
ernste Seite. Wir denken dabei weniger an den Ruf, welchen Fausta durch
ihre Liebschaften mit Octavius, Scillust, Villius und vielen, vielen anderen
erworben hat, denn diese fallen in eine spätere Zeit und sind nicht ihr allein
zur Last zu legen; ebenso wenig an den für Fürsten und Bürger in gleicher
Weise zweifelhaften Werth erheiratheten Gutes, wohl aber an die neuen Auf¬
gaben, welche eine durch Glücksgunst erworbene Position für einen jeden
mit sich bringt, der nicht gerade zu den californischen Existenzen gerechnet
sein will. Das eigentliche Erbe, welches Sulla hinterlassen, bestand doch
nicht in seiner Tochter, auch nicht in seinem Vermögen, sondern in dem durch
seinen Tod erledigten Principal unter den Principes des sogenannten Frei¬
staats. Der größere Schatz war also noch zu heben, und Menenius gewann
durch die Hand der Erbin einen formell giltigeren Rechtstitel, als irgend
ein Zeitgenosse aufzuweisen vermochte. Wir sehen in der Jugend kein un-
übersteigliches Hinderniß, denn Octavian zählte als Tnumvir zwanzig Jahre,


dessen Werth allein nach den bei seinem Anblick auftauchenden Hoffnungen
gemessen werden kann, ist das bloße Zusammensein so vieler glänzender
Eigenschaften von durchschlagender Wirkung selbst auf den durch Erfahrung
kühl und klar gewordenen Beobachter. In der vornehmen Frauenwelt Roms
aber mußte der vierundzwanzigjährige Menenius geradezu für unwiderstehlich
gelten. Wir wundern uns deshalb nicht, daß er die weitaus beste Partie
der damaligen Zeit, die schöne und reiche Tochter des verstorbenen Dictators
Sulla heimführte. Die Verheirathung der Faustn, welche von väterlicher
Seite dem erlauchten Geschlechte der Julier, von mütterlicher den vornehmen
Cäciliern angehörte, mit einem Plebejer, der nicht einmal einen vir oonsulg-us
unter seinen Vorfahren aufzuweisen hatte, wird Aufsehn genug in dem „republi¬
kanischen" Rom erregt haben. Aber Fausta war eine Vater- und mutterlose
Waise, ihr Zwillingsbruder Faustus noch ein Knabe, ihr Stiefbruder Scaurus
gleichfalls noch jung und außerdem unbedeutend sein ganzes Leben hindurch:
so konnte die vierzehnjährige Erbin, welche zugleich mit der Leidenschaftlichkeit
auch die eiserne Willenskraft ihres Vaters geerbt hatte, dem biedern, ihrem
Hause treu ergebenen Vormund L. Lucullus endlich das Jawort abnöthigen.
Für die Memmier wog diese Verbindung eine Reihe consularischer Ahnen
auf. Lucius trat freiwillig hinter seinem jüngern Bruder zurück und verherr¬
lichte die Standeserhöhung der Familie durch die auf seinen Münzen dar¬
gestellte Biga mit der von Cupido bekränzten Venus; Gajus zeichnete seinen
Namen von nun an mit dem Adelszeichen I'.; die erclusivsten Kreise der
Nobilitcit öffneten sich, wenn auch ungern, aber sie öffneten sich doch dem
Emporkömmling, der durch seine gesellige Tournüre wenigstens nicht den
mindesten Anstoß erregen konnte. Wieder einmal hatten die Memmier das
große Loos gewonnen. Eine solche Standeserhöhung hatte aber zugleich ihre
ernste Seite. Wir denken dabei weniger an den Ruf, welchen Fausta durch
ihre Liebschaften mit Octavius, Scillust, Villius und vielen, vielen anderen
erworben hat, denn diese fallen in eine spätere Zeit und sind nicht ihr allein
zur Last zu legen; ebenso wenig an den für Fürsten und Bürger in gleicher
Weise zweifelhaften Werth erheiratheten Gutes, wohl aber an die neuen Auf¬
gaben, welche eine durch Glücksgunst erworbene Position für einen jeden
mit sich bringt, der nicht gerade zu den californischen Existenzen gerechnet
sein will. Das eigentliche Erbe, welches Sulla hinterlassen, bestand doch
nicht in seiner Tochter, auch nicht in seinem Vermögen, sondern in dem durch
seinen Tod erledigten Principal unter den Principes des sogenannten Frei¬
staats. Der größere Schatz war also noch zu heben, und Menenius gewann
durch die Hand der Erbin einen formell giltigeren Rechtstitel, als irgend
ein Zeitgenosse aufzuweisen vermochte. Wir sehen in der Jugend kein un-
übersteigliches Hinderniß, denn Octavian zählte als Tnumvir zwanzig Jahre,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/141>, abgerufen am 22.07.2024.